JAHRESRÜCKBLICK 2021
PARNASS ist 40 Jahre alt geworden. Mit der Gründung von PARNASS durch Charlotte Kreuzmayr wurde ein wichtiges Kapitel der österreichischen Medien- und Kunstgeschichte geschrieben.
Auf eine großes Fest, so wie wir dies zu unserem 35-jährigen Jubiläum im Kunsthistorischen Museum feiern konnten, mussten wir dieses Jahr verzichten – umso mehr zündeten wir mit vier Hauptmagazinen und vier Sonderpublikationen und mit unseren Jubiläumseditionen redaktionell und visuell ein Feuerwerk. Dass wir diese Geschichte von PARNASS heute erfolgreich in die Zukunft weiterschreiben dürfen, freut uns, erfüllt uns mit Stolz und ist zugleich auch eine große Aufgabe und Herausforderung, die wir uns als Team gemeinsam mit unseren Autor:innen engagiert und mit großer Begeisterung stellen. Dabei spielen auch verlässliche Partner und unsere Abonnent:innen eine große Rolle. Allen gilt am Jahresende 2021 mein großer Dank.
Was kann eine Kunstkritik heute leisten?
In den letzten 40 Jahren hat sich der Kunstmarkt, das Kunstgeschehen und auch die Rolle der Kunstkritik verändert. Die Dominanz von Online-Formaten und die damit verbundene Veränderung der Kommunikationsformen, ein verändertes Leseverhalten der Gesellschaft, das Ringen um Aufmerksamkeit in der medialen Vielfalt stellt die Frage nach dem aktuellen Stellenwert der Kunstkritik naturgemäß in den Fokus. Was kann eine Kunstkritik also heute leisten? Wie wir finden eine ganze Menge: in dem wir dem Kunstgeschehen eine Öffentlichkeit geben, Streitpunkte benennen, Thesen formulieren, Themen eingrenzen, sodass überhaupt eine Basis breiter Verständigung entstehen kann. Es geht nicht darum Bedeutungen zu verordnen, sondern Bedeutungsräume zu öffnen und eine Bewusstsein für Kunst und Künstler:innen ins Schwingen zu bringen.
„Kunst. Klima. Zukunft?“
Unsere Aufgabe besteht auch daran junge Talente zu entdecken, vergessenen Künstler:innen wieder einen Plattform zu geben, Entwicklungen zu analysieren und diese in einen Kontext der Kunstgeschichte zu stellen, wie es die Künstler selbst auch tun, in dem sie sich mit der Tradition auseinandersetzen – selbst dort, wo sie sich dann entschließen, damit zu brechen. Die Kunst ist politisch, in dem Sinne, in dem sie gesellschaftliche Prozesse benennt, hinterfragt und begleitet. Diesen Faden aufzugreifen ermöglicht auch der Kunstkritik eine Haltung zu transportieren. Wie etwa mit unserer bereits 2020 begonnen Serie „Kunst. Klima. Zukunft?“ wo wir Themen wie Nachhaltigkeit, Bodenversiegelung, Mobilität und Materialien wie Plastik auch aus einer künstlerischen Perspektive beleuchtet haben. Für die diesjährige VIENNA BIENNALE in deren Fokus „Climate Care“ stand, konnten wir ein viel beachtetes Special realisieren. Wir werden auch 2022 auf diese brisanten Thema hinschauen, doch die Serie ein wenig verändern.
Highlights von der Redaktion
Wenn wir unser PARNASS-Jahr so Revue passieren lassen, so hat es so begonnen wie es nun endet – mit der Wiedereröffnung Museen, Galerien und Kunstinstitutionen nach einer Lockdownphase. Wir haben „Alten Meistern“ wie Jan Vermeer einen großen Raum gegeben, und seinen Impact auf die Gegenwartskunst sowie zuletzt dem spannenden Zeitabschnitt der Spätgotik am Aufbruch zur Renaissance aus Anlass der sehr empfehlenswerten Ausstellung „Dürerzeit“ im Oberen Belvedere. Es gab soviele Highlights aus meiner Sicht in unseren Magazinen 2021, das es schwerfällt nicht mehr zu erwähnen: das Interview mit Lars Eidinger, dem neuen Salzburger Jedermann, das Uta Baier in Berlin führte, der Essay über das fotografische Werk von Inge Dick von Gerda Riedler, Robert Longos Porträt von Sebastian C. Strenger, das Gespräch der Künstlerin Nives Widauer mit Daniel Spoerri, oder Südfrankreich-Tour von Maria Rennhofer, ein Seh- und Leseerlebnis, das tatsächlich einige von unseren Leser:innen zum Nachreisen animierte.
Up & Coming
2021 erschien auch wieder eine Ausgabe unseres Special Up & Coming, wie immer in einem speziellen Layout unseres Art Directors Martin Gaal. Wenn Sie es noch nicht haben und wissen möchten, wer die vielversprechendsten jungen Künstler:innen sind, die Sie im Blickfeld haben sollten – wir haben noch Exemplare in der Redaktion. Andreas Maurer gibt einen Einblick über den Hype um NFTs und der Frage, wie politisch die junge Kunstszene in Österreich ist, geht Katharina Rustler nach. Also ein Blick ins Magazin lohnt. Insgesamt war das Jahr durch zahlreiche Schließungen, Absagen und Terminverschiebungen geprägt. Im Mai reüssierte in Wien die neue Messe SPARK Art Fair und der internationale Terminkalender im Kunstherbst war randvoll mit Galeriefestivals und einem geballten Eröffnungsreigen diverser Kunstmessen. Die viennacontemporay veranstaltete ihre Messe auf einer Baustelle und überraschte mit einer Reorganisation der Art Fair und mit vielen neuen Plänen für 2022. Wir sind gespannt und halten Sie natürlich informiert.
Wo steht also der Kunstmarkt aktuell?
„Die Pandemie führt zu einem fundamentalen Umbruch etablierter Verhältnisse“, schreibt Autor und Kunstmarktexperte Dirk Boll – in seiner aufschlussreichen Analyse „Was ist diesmal anders? Wirtschaftskrisen und die neuen Kunstmärkte“. Wo steht also der Kunstmarkt aktuell? Geht es nach den Market Reports von ART BASEL/UBS und Artsy werden die Sammler jünger, weiblicher und großzügiger. Vor allem die Generation der Millenials hat den Anstieg der Kunstkäufe angetrieben und ordentlich in Kunst investiert. Während Online-Marktplätze reüssieren, haben viele Messen die Möglichkeiten digitaler Vermittlung kaum innovativ genutzt. Es scheint, dass hier die Auktionshäuser die Nase vorne haben. Der Einfluss von Social Media auf den Kunstkauf wird, so die Prognose, in den kommenden Jahren weiter deutlich zunehmen. Unternehmen wie die Kunstplattform Artsy kaufen Start-ups ein, die mithilfe maschinellen Lernens aufstrebende Stars im Markt vorhersagen sollen. Es sind also viele Grundsatzfragen, mit denen sich der Kunstmarkt heute konfrontiert sieht.
Ich halte innerhalb dieser Entwicklungen nach wie vor das die persönlichen Vermittlung und Kuratierung von Kunst für essenziell. Das Interesse dafür, sehen wir auch in unsere ARTLIFE-Aktivitäten, wo wir Museen, Ateliers und Galerien besuchen – mit einer stetig wachsenden Community. Und ich bin fest überzeugt, dass in Verband von Online-Berichterstattung, Social Media Präsenz und direkten Austausch mit unseren Abonnent:innen und Leser:innen im Rahmen von ARTLIFE unser Printmagazin weiterhin das Flagship bleiben wird. Die Kunstkritik ist nach wie vor eine Vermittlerin, doch schreibt sie heute nicht mehr für die elitäre Gruppe der Connaisseure, sondern für eine größere und breitere Leserschaft. Sie muss die Avantgarde auch nicht mehr gegenüber einer konservativen der Traditionen verhafteten Meinung verteidigen, wenngleich ihr die Rolle einer Brückenbauerin zum Verständnis der Kunst nach wie vor zukommt. In diesem Sinne, bin ich ein wenig stolz, was wir mit unserem Team 2021 alles geschafft haben, trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen und freue mich auf ein interessantes Kunstjahr 2022, wo wir Sie mit PARNASS wieder begleiten dürfen.
Ich wünsche Ihnen noch schöne Adventtage, ein frohes Fest und einen guten Start ins Neue Jahr.
Silvie Aigner