10 Meisterwerke über die Sie immer schon mehr wissen wollten
Die Geschichte der Kunst birgt viele Überraschungen. Warum ist gerade Munchs Schrei zur Ikone geworden? Was macht die Faszination von Frida Kahlo aus? Wir erklären, was ein Kunstwerk zum Meisterwerk macht. Klicken Sie sich durch die Epochen.
TRINITÄTS-FRESKO
Masaccio
1425-1428
Immer wieder begibt sich der 26-jährige Masaccio in die Florentiner Kirche Santa Maria Novella. Nicht um zu beten, sondern um ein Fresko in den frischen Kalkputz des Seitenschiffs zu malen. Achtundzwanzig Tagwerke und drei Jahre später ist es vollbracht: Die erste korrekte Anwendung der Perspektive in der Malerei. Mit der Vollendung des Freskos stirbt der talentierte Künstler. Sein Erbe: eine Inkunabel der Renaissancekunst. Ausgehend von einem zentralen Punkt – auf Augenhöhe des Betrachters – entfaltet Masaccio eine antikisierende Scheinwelt (angeblich inspiriert von Filippo Brunelleschi), erweitert mit seinem Trompe-l'œil den realen um einen illusorischen.
DIE VERZÜCKUNG DER HEILIGEN TERESA
Gian Lorenzo Bernini
1647 BIS 1652
Theatralisch, opulent und ein kleiner Skandal – „die Ekstase der heiligen Teresa“ machte den Großmeister des Barock Gian Lorenzo Bernini schon zu Lebzeiten noch ein Stück berühmter. Im bereits abgegrenzten Kapellenraum inszeniert der Barockbildhauer ein „Stück-im-Stück“ beziehungsweise einen „Tempel im Tempel“. Alle Gattungen – Bildhauerei, Architektur, Malerei – ordnen sich einem Konzept unter und vereinen sich zum Gesamtkunstwerk, einem „bel composto“ wie Berninis Biograph Filippo Baldinucci (1625–1696) festhält.
DIE KUNST DES MALENS
Johannes Vermeer
um 1666/1668
Mit der Darstellung des Malers im Atelier überhöht Vermeer das Genrebild zu einer Allegorie der Malkunst. Sein Modell posiert als Klio. Die Muse der Geschichte kündet vom Ruhm der alten Niederlande, den sie im Buch der Geschichte verewigt. Auf die Einheit der Künste deuten Bildhauermodell, Skizzenbuch und das entstehende Bild auf der Staffelei hin, ein Kronleuchter ohne Kerzen erzählt vom schwindenden Einfluss der katholischen Habsburger im protestantischen Norden. Komplizierte Zeit-Bezüge lassen sich in Jan Vermeers „Malkunst“ viele ausmachen. Doch was macht das Bild noch heute zum Meisterwerk?
EIN SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL LA GRANDE JATTE
Georges-Pierre Seurat
1884–1886
Paris 1884: Georges Seurat - erst 25 Jahre alt - stellt im Salon des Indépendants seine Baigneurs à Asnières aus, daneben hängen Studien zu seinem neuesten Gemälde Un dimanche après-midi à l’Île de la Grande Jatte. Noch ist nicht zu erahnen, was der junge Künstler da in seinem Atelier zusammenbraut. Der Sonntagnachmittag ist aber weit mehr als gemalte Naturwissenschaft, leichtfüßig balanciert das Bild auf jenem schmalen Grat zwischen Tradition und Innovation, den nur echte Meisterwerke beschreiten.
DER KNABE MIT DER ROTEN WESTE
Paul Cezanne
1888 BIS 1890
Drei maskierte Männer stürmen die Zürcher Sammlung E.G. Bührle. Mit vorgehaltener Waffe zwingen sie Besucher und Museumsangestellte auf den Boden. Drei Minuten später ist der Coup gelaufen. Vier Gemälde werden bei diesem Kunstraub im Februar 2008 entwendet. Wert: 180 Millionen Franken. Darunter: Paul Cézannes „Der Knabe mit der roten Weste“. Vier Jahre lang bleibt das Bild verschwunden, 2012 spüren es Ermittler in Belgrad wieder auf.
DER SCHREI
Edvard Munch
1893
Zerbrechlich wirkt die glatzköpfige Gestalt im Vordergrund, bedrohlich und kompromisslos die gewaltige Natur. Farblich scheint hier ebenso wenig zusammenzupassen: Ein blutroter Flammenhimmel trifft auf eine blaue kalte Fjordlandschaft, schräg durch das Bild führt ein Steg ins Nirgendwo. Das Ergebnis: Existenzielles Unwohlsein, eine Panikattacke des Fin de Siècle und der Geburtsschrei des Expressionismus. 1892 notiert Edvard Munch in seinem „violetten Tagebuch“: „Ich ging den Weg entlang mit zwei Freunden – die Sonne ging unter – der Himmel wurde plötzlich blutig rot – […] die flammenden Wolken wie Blut und Schwert – den blauschwarzen Fjord und die Stadt – Meine Freunde gingen weiter – ich stand da zitternd vor Angst – und ich fühlte etwas wie einen großen, unendlichen Schrei durch die Natur.“
ZWEI TÄNZERINNEN
EDGAR DEGAS
um 1905
„Ein anständiges Mädchen hat einen Kopf und zwei Hände – und sonst nichts“, lautet Anfang des 20. Jahrhunderts eine gebräuchliche Redewendung. Auf Edgar Degas´ Bild aus der Sammlung der Albertina scheint sie Form anzunehmen. Oder ist es doch andersrum? Alles scheint im Pastellton zu flirren, auf Umrisslinien wird verzichtet, nur wenige Punkte definieren die Tutus der beiden Tänzerinnen. Die Schärfe fehlt, so als wäre der Autofokus in Degas´ Kamera etwas zu nah eingestellt, der Weichzeichner hat die Konturen verwischt. Gibt es eine Beziehung zwischen den beiden Damen? Ist man Zeuge einer Probe oder doch einer Aufführung?
DAS SCHWARZE QUADRAT
Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch
1915
Ist es das schwarze Viereck, welches den weißen Grund verdrängt, oder der weiße Rand, der langsam größer wird und die Dunkelheit auslöscht? Kasimir Malewitschs (1878–1935) Quadrat lässt unzählige Interpretationen zu. Vielleicht ist das schwarze Quadrat sogar der ausgeschnittene und eingerahmte Punkt eines Ausrufezeichens. Das Ende eines Satzes, ein dringend benötigter Abschluss durch den der nächste – kunstgeschichtliche – Schritt erst in den Bereich des Möglichen gerückt wird. Alles scheint gesagt. Punkt. Alles abgeschlossen. Punkt. Die Stunde Null hat begonnen.
DER VERWUNDETE HIRSCH/DER KLEINE HIRSCH/EL VENADO HERIDO
Frida Kahlo
1946
Sie ist 39 Jahre alt, hat 32 Operationen hinter sich, lebt mit starken Schmerzen, einer beschädigten Wirbelsäule sowie einem verkürzten Fuß. „Venadito“ – kleines Reh – ist einer von Frida Kahlos Spitznamen und sicher hat die mexikanische Künstlerin die Bibelstelle „alsdann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch“ (Jes 35:6) im Hinterkopf, als sie 1946 ihr Selbstporträt als „verwundeter Hirsch“ vollendet.
GIRL WITH BALLOON
Banksy
2006
Schredder-Affäre. Vor zweieinhalb Jahren mischte Banksy abermals den Kunstmarkt auf. Halb zerstört ist "Girl with Balloon" inzwischen noch mehr wert als vor der Auktion. Bloß ein Streich oder ein Kräftemessen zwischen Künstler und Markt?