Im Porträt

Daniel Spoerri

Spoerri lebte in New York, Paris, auf Symi, in Darmstadt, Berlin und Toggwil. Von 1978 bis 1982 lehrte Daniel Spoerri in Köln, wo er mit Studierenden Ausstellungsprojekte und Bankette realisierte, von 1983 bis 1989 war er Professor der Kunstakademie München. 2009 eröffnete Spoerri in einer ehemaligen Poststation in Hadersdorf am Kamp in Niederösterreich das „Kunststaulager Spoerri“. „Die Heimatlosigkeit ist meine Heimat“, so Daniel Spoerri in einem Interview für Ö1. In Wien lebt der Künstler seit 2007. Dort traf ihn die Künstlerin Nives Widauer, seit vielen Jahren mit dem Künstler eng befreundet, zu einem Gespräch am Küchentisch.


NIVES WIDAUER: Du bist 1930 in Rumänien geboren, deine Geburtsstadt Galaţi hat dich unlängst zum Ehrenbürger ernannt.

DANIEL SPOERRI: Ich weiß nicht, wie sie das entdeckt haben, ich bin seit meiner Kindheit nicht mehr dort gewesen. Vor ein paar Jahren wollte ich eine Tour durch Rumänien machen, aber ich habe diese Rundreise panikartig abgebrochen. Die Erinnerungen an die Umstände, die mir und meiner Familie damals widerfahren sind, waren zu viel. In Jassy (Iași) nahe Galaţi, wo ich geboren wurde, haben die Faschisten damals Tausende Juden umgebracht, auch meinen Vater. Meine Mutter war eine Schweizerin. Sie ging als Lehrerin von der Schweiz nach England, sie war irgendwie abenteuerlustig. Von England wurde sie an die englische Schule nach Bukarest vermittelt, dort lernte sie meinen Vater kennen. Er war Jude, ist aber dann zum Protestantismus konvertiert und arbeitete als Missionar für die norwegisch- lutheranische Kirche in Galaţi. Meine Mutter schaffte es, nachher mit uns immerhin sechs Kindern in die Schweiz zu flüchten, zunächst zu ihrer Mutter nach Lausanne, von dort wurden wir auf die Verwandtschaft aufgeteilt. Ich kam zu meinem Onkel Theophil Spoerri nach Zürich. Er war Professor und Rektor der Universität Zürich.

NIVES WIDAUER: Du warst früh sehr selbstständig?

DANIEL SPOERRI: Ich war ein Lausbub, der auf der Straße war, und der alles Mögliche machte. Ich fuhr zum Beispiel mit der Straßenbahn bis zur letzten Station, das war ein Kilometer weit ins Land hinein, dort gab es Bauern, wo ich arbeiten konnte, und am Schluss bekam ich dafür Kartoffeln oder andere Lebensmittel und fuhr damit wieder in die Stadt zurück. Aber die Lebensmittel gab ich nicht etwa zu Hause ab, sondern trug sie wieder zum Markt, um Geld zu haben, um ins Kino gehen zu können. Als Judenkinder waren wir jedoch großer Gefahr ausgesetzt und wurden auf Schritt und Tritt kontrolliert. Ich war aber sehr frech. Ich wusste, dass die Juden beschnitten sind – was ich aber nicht war, weil mein Vater das nicht wollte und meinte, ich solle später selbst entscheiden, ob ich das möchte – und setzte das als Beweis ein. Ebenso übersetzte ich meinen Namen Feinstein auf Rumänisch in „kleines Steinchen“ ( Pietrucica). So schlug ich mich durch, bis wir in die Schweiz flüchteten. Dort musste ich dann leider wieder in die Schule gehen.

 

DANIEL SPOERRI | Chambre No 13, 1998, Bronze, 2,5 × 3 × 5 m, Fondazione Il Giardino di Daniel Spoerri © Daniel Spoerri und Bildrecht, Wien 2021, Foto: © Susanne Neumann

Ich konnte ja nichts anderes - ich tanzte

Daniel Spoerri

NIVES WIDAUER: Deine künstlerische Karriere begann zunächst als Tänzer. Wie bist du zum Tanz gekommen?

DANIEL SPOERRI: Ich konnte ja nichts anderes. Ich tanzte – sehr verrückt in den sogenannten „Existenzialistenkellern“ der damaligen Zeit – zu Jazzmusik. Tanzen war eine Befreiung für mich. So lernte ich Max Pfister-Terpis kennen. Er war ein Schweizer, der lange in Deutschland als Tänzer und später als Choreograf und Regisseur arbeitete, unter anderem war er Ballettleiter am Berliner Staatstheater. Er kehrte 1939 nach Zürich zurück und arbeitete unter anderem am Schauspielhaus Zürich und am Stadttheater Basel. Er kümmerte sich um mich und wurde eine Art Vaterersatz. Er brachte mich an die Theatertanzschule in Zürich. Dort habe ich vorgetanzt, einfach drauflosgetanzt. Dann sagten sie: Jaja, der ist sehr begabt, aber der muss erst noch klassischen Tanz lernen, und so fing es an. Und dann schickte mich Pfister nach Paris. Das war um 1950. Aber ich habe ja spät begonnen, Ballett zu studieren, erst mit 19 Jahren, da kommt man technisch nicht sehr weit. Ich kann zum Beispiel bis heute keinen Spagat. In Paris kam ich ins Künstlermilieu und lernte Jean Tinguely und dessen spätere Frau Eva Aeppli kennen. Dann hörte ich, dass sie in Bern einen Tänzer suchten, fuhr 1954 zurück in die Schweiz und wurde Tänzer einer kleinen Ballettgruppe in Bern, die für Operetten im Stadttheater Bern tanzte. Bern war eine Stadt, wo ich aufwachte und wo ich mich für andere Dinge zu interessieren begann. Meine Freunde waren ja alles Künstler, wie Bernhard Luginbühl, André Thomkins, Meret Oppenheim und andere.

NIVES WIDAUER: Die Tische waren eine Situation aus dem Alltag. Der zufällige Moment wird dreidimensional mit den realen Gegenständen eingefroren, zum Kunstwerk deklariert und endgültig fixiert.

DANIEL SPOERRI: Ich habe gedeckte Tische, so wie sie waren, an die Wand gehängt. So sieht man sie plötzlich aus einer anderen Perspektive. Der Tisch kommt in die Augenebene. Und das Wunder ist, dass nichts herunterfällt. Aber deswegen nannte ich die Objekte nicht Fallenbilder, sondern weil es eine Falle war, die ich zu Fall stellte.

Geldscheffeln wollte ich nie, meine Arbeiten sind schwer verkäuflich.

Daniel Spoerri

NIVES WIDAUER: Du bist viel gereist, warst an vielen Orten, aber kannst du dich an den Moment erinnern, wo du gemerkt hast, jetzt kannst du von deiner Kunst leben?

DANIEL SPOERRI: Geldscheffeln wollte ich nie, meine Arbeiten sind schwer verkäuflich. Diese Objekte sind ja auch Staubfänger, es könnte auch etwas herunterfallen. Die Leute müssen auch eine intellektuelle Anstrengung machen, um eine Bedeutung darin zu sehen. Ja natürlich, meine Preise sind gestiegen, aber es waren nie Unsummen. Es war nie so, dass ich ein paar Millionen auf dem Konto hatte.

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