Abstrakter Expressionismus in der Albertina Modern

WAYS OF FREEDOM

Nach den politischen und künstlerischen „Ismen“ bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs sehnten sich die Künstler in den USA und Westeuropa nach 1945 nach uneingeschränkter Entfaltung. Dieser Befreiungsschlag hatte einen Namen: Abstrakter Expressionismus. Welchen Anteil Frauen an dieser Entwicklung hatten und welche Parallelen sich quer über den Atlantik spannten, thematisiert die Herbstausstellung der Albertina Modern.


Die Kunst nach 1945 bestimmt das inhaltliche Konzept der Albertina Modern. Nach der Eröffnungsschau „The Beginning“ über die Strömungen in Österreich ist die zweite große Übersichtsschau dem Abstrakten Expressionismus gewidmet, einer der einflussreichsten internationalen Tendenzen der Nachkriegskunst. Nicht zufällig nahm sie ihren Ausgang in den USA, dem Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber auch im von der Naziherrschaft befreiten Westen Europas manifestierte sich der Hunger nach Freiheit von politischer Einflussnahme und Unterdrückung in einem radikalen Neubeginn in der Kunst. Welche Übereinstimmungen und Einflüsse, aber auch welche Unterschiede – vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung und im Erfolg auf dem Kunstmarkt – sich dies- und jenseits des Atlantiks ergaben, wird in den rund 100 präsentierten Werken von etwa 40 internationalen Kunstschaffenden wie Sam Francis, Helen Frankenthaler, Wolfgang Hollegha, Elaine de Kooning, Maria Lassnig, Georges Mathieu, Joan Mitchell, Robert Motherwell, Judit Reigl oder Mark Rothko veranschaulicht.

Das Künstlerpaar Jackson Pollock und Lee Krasner markiert den Beginn der Bewegung, und ihre Werke eröffnen den Ausstellungsparcours. „Beide gehörten der sogenannten ersten Generation des Abstrakten Expressionismus an, die schon in den 1940er-Jahren ihren Weg eingeschlagen hatte und auf deren Formfindungen und Errungenschaften sich dann die zweite Generation bezog“, erklärt Angela Stief, Ausstellungskuratorin und Direktorin der Albertina Modern. Doch während Pollocks Ruhm nach seinem Unfalltod 1956 weiter anstieg, wurde Krasner zunehmend auf die Rolle der Muse, Ehefrau und Witwe reduziert. Mit der Gegenüberstellung der beiden wird gleich im ersten Raum ein wichtiger Aspekt des Ausstellungskonzepts angerissen: die Rolle der Frauen. „Obwohl sie in den 1950er-Jahren in der Kunstszene sehr präsent und in wichtigen New Yorker Ausstellungen vertreten waren, wurden sie danach vergessen. Erst seit Kurzem erfolgt die große Wiederentdeckung“, so Angela Stief.

Nicht anders erging es den abstrakt-expressiv arbeitenden europäischen Künstlerinnen im Umfeld von Informel und Tachismus. Maria Lassnig erfuhr erst in fortgeschrittenem Alter internationale Anerkennung, Judit Reigl wurde in Österreich erst 2013 mit einer Ausstellung in der Galerie Wienerroither & Kohlbacher gewürdigt. Ein weiterer bedeutender Fokus der Ausstellung liegt auf der transatlantischen Gegenüberstellung von Abstraktem Expressionismus in den USA sowie Informel beziehungsweise Tachismus in Westeuropa um 1950. Last but not least geht es um die Integration von österreichischen Positionen in einen internationalen Kontext und die Sichtbarmachung von deren herausragender Qualität. Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Herbstausgabe.

Maria Lassnig, Große Knödelfiguration, 1961/62, Öl auf Leinwand, Maria Lassnig Stiftung © Maria Lassnig Stiftung / Bildrecht, Wien 2022

ALBERTINA modern

Karlsplatz 5, 1010 Wien
Österreich

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