Sophie Thun: Home Alone im Museum

Sophie Thun, Stolberggasse, installation viewm Secession 2020 | Foto: Pascal Petignat

Bis 21. Juni zeigt die Secession die Wiener Künstlerin Sophie Thun (*1985) in einer speziell für den digitalen Raum konzipierten Ausstellung als Live-Übertragung.


„Bleiben Sie zuhause“ hieß es die letzten Wochen. Aber was ist dieses Zuhause? Der Ort von dem wir einen Meldezettel haben? Der Ort wo wir schlafen? Oder der Ort an dem sich unsere Sachen befinden? Und wenn es wo so ähnlich aussieht, wie bei einem zuhause, kann das dann auch schon eine Art Zuhause werden?

Das und ähnliches würde man sich vielleicht fragen, könnte man aktuell ins Grafische Kabinett der Secession aufsteigen. Durch das enge Stiegenhaus, das plötzlich aussieht wie das Stiegenhaus im Wohnhaus von Sophie Thun.

Doch man kann nicht hinein, muss zuhause bleiben und Sophie Thun nur am Bildschirm in ihre aktuelle Ausstellung folgen. Es ist eine „virtuell erlebbare“ Schau. 24 Stunden Livestream via Überwachungskamera führen Interessierte in die Secession, wo sich Sophie Thun über die letzten Wochen eingerichtet hat.

Ich beschäftige mich immer mit dem Zeigen und Nicht-Zeigen

Sophie Thun

„Stolbergasse“ heißt die Ausstellung deren Architektur Thuns Wohnung imitiert. Doch das Konzept sieht nicht nur eine Nachbildung vor – ganz real wird Thun über die kommenden Wochen ihr Zuhause Stück für Stück ins Kabinett bringen.

Gegenstand für Gegenstand verlagert sie ihre Wohnung in die Secession, fotografiert diese ebendort und stellt sodann die Fotografien dieser Objekte aus. So setzt sich die Ausstellung aus all jenen Dingen zusammen, mit denen die Künstlerin zuhause in der Zeit des Shut Down umgeben war – „letztlich wird meine ganze Wohnung hier landen“, meint sie.

„Klug adaptiert“ wurde die Ausstellung an die aktuellen Umstände, erklärt Herwig Kempinger, Präsident der Secession. Thun ist bekannt für ihre ortsspezifischen Arbeiten, in der Secession geht sie nun einen Schritt weiter. Foto-Set und Dunkelkammer werden eins mit dem Ausstellungsraum – und das simultan.

Sophie Thun, Stolberggasse, installation viewm Secession 2020 | Foto: Pascal Petignat

Sophie Thun, Stolberggasse, installation viewm Secession 2020 | Foto: Pascal Petignat

„Ich beschäftige mich immer mit dem Zeigen und Nicht-Zeigen“, erklärt die Künstlerin. Humoristisch gelingt das in der Grundausstattung der Dunkelkammer im Kabinett: Als ersten Schritt trage man beim Einrichten einer Dunkelkammer immer für Wasser und Dunkelheit Sorge, erklärt die Künstlerin. Das Abdunkeln vollzieht Thun mit einer Fototapete des sodann überklebten Fensters. Einer Fenstertapete als Spiegelung des Verdeckten also. So entsteht eine Dunkelkammer mit Ausblick, die nun einen virtuellen Einblick erlaubt.

Einmalig kann man beim Arbeiten der Künstlerin über die Schulter schauen. Thun schätzt die barrierefreie Lösung des Streams. Zusätzlich wird auf der Webpage der Secession nun ein Video angeboten auf dem Thun und Kempinger durch die Ausstellung führen.

Thuns großartig sensible Fotoarbeiten treten in dieser Aufmachung leider etwas zurück, sie werden diesmal nicht so trefflich erlebbar sein wie 2019 – etwa auf der viennacontemporary oder in der Ausstellung in der Camera Austria in Graz. Doch gelingt der Künstlerin mit diesem vielschichtigen Konzept ein pointierter Kommentar nicht nur zur aktuellen Situation, sondern auch zum Künstleralltag im Allgemeinen. Bleibt zu hoffen, dass der Livestream dann und wann auch um Vermittlungsformate ergänzt wird und die Schau sich nicht im weiten und dieser Tage so kunstüberfüllten World Wide Web verläuft.

Secession

Friedrichstraße 12, 1010 Wien
Österreich

Sophie Thun. Stolberggasse

30. April bis 21 Juni 2020

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