Mit der Kraft eines Hurrikanes: Monica Bonvicini

Monica Bonvicini mag uns nicht, so zumindest der Ausstellungstitel. Doch das muss nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Schau „I Don’t Like You Very Much” im Kunsthaus Graz trägt vieles in sich, wofür man die Künstlerin durchaus schätzen kann. Subtile Gesellschaftskritik, eindrückliche Installationen und ein ganzheitliches Ausstellungserleben etwa.


Verrutschte Grundfesten einer Hauskonstruktion in Holz irritieren zentral im Space 01 im Kunsthaus Graz. Ein Heim, das keine Geborgenheit suggeriert und dessen luftige Holzbalken im Dunkel des Museums keinen Schutz offerieren. Doch das entspreche auch nicht Bonvicinis Stil, sie konfrontiert lieber. Mit ihren bekannten Schriftbildern, oder auch mit jenem psychedelischen Video, das den Besucher:innen schon auf der Rolltreppe des Museumsaufgangs begrüßt und diesen für das kommende Ausstellungserlebnis in eine Stimmungskulisse aus Unbehagen und Neugierde taucht.

„Die Ausstellung dreht sich um Dinge, die mich schon seit vielen Jahren interessieren“, so Bonvicini, „wie zum Beispiel die Klimakrise, Zerstörung, das Haus als Ort der Identitätskonstruktion und der Ausbruch aus dem Normierungsprozess und aus Geschlechterrollen“. So zerschlägt sie in Graz ihre architektonische Skulptur „As Walls Keep Shifting", die sie für ihre große Schau im OGR in Turin 2019 angefertigt hat, nun in mehrere Teile. Diese im Maßstab 1:1 rekonstruierte Hälfte eines Einfamilienhauses ist nun über den gesamten Ausstellungsraum verstreut, als hätte ein ordnungsbewusster Hurrikan gewütet. Ein kalkuliertes Chaos mit Tönen von Gewalt – das Haus „es ist kein sicherer Ort“, meint Bonvicini und schreibt, wie um diese Stimmung noch mehr zu unterstreichen mit Neon „Love Never Win“ an die Fassade.  „As Walls Keep Shifting“ ist eine zentrale Arbeit, das Bauen eines Hauses steht symbolhaft für ihre künstlerische Praxis: eine Konstruktion, die sich stetig verändert und damit unterschiedliche inhaltliche Konzepte transportiert und den Wunsch nach einem privaten Raum ebenso illustriert, wie zugleich auch deutlich macht, dass gerade dieser auch verbunden ist mit Isolation, Unbehagen, Enttäuschung und nicht selten Gewalt und Unterdrückung.

Monica Bonvicini, "As Walls Keep Shifting", 2019-2022, installation view, © Monica Bonvicini and Bildrecht, Wien 2022, photo: Kunsthaus Graz/M. Grabner

Die Ausstellung dreht sich um Dinge, die mich schon seit vielen Jahren interessieren, wie zum Beispiel die Klimakrise, Zerstörung, das Haus als Ort der Identitätskonstruktion und der Ausbruch aus dem Normierungsprozess und aus Geschlechterrollen.

Monica Bonvicini

Eine weitere raumgreifende Installation im Inneren der Haus-Haut ist „Breach of Decor“, die 2020 entstanden ist: Ein begehbarer farbenfroher Teppich, der wie ein großer Quilt gestaltet ist, Die einzelnen Teile zeigen Fotos von abgestreiften Hosen, die am Boden liegen und von einer Vogelperspektive fotografiert wurden.  Täglich für fast zwei Jahre fotografierte Monica Bonvicini ihre abgestreiften Kleider am Hausboden. Man zieht sich nur aus, wo man sich zuhause fühlt, so die Symbolik. Eine Form der persönlichen Aneignung von Grund und Boden also, wie es in der Reihenhauskultur, die Boncivini anhand der Fotoserie „Italian Homes“ mokiert. Seriell erbaute Wohnhäuser der 1970er-Jahre, die von ihren Besitzern individualisiert wurden, um aus der Reihe zu fallen. Diese Fotos bildeten die exakte Vorlage für die Skulptur „As Walls Keep Shifting“.  so betreten die Besucher im Kunsthaus Graz eine Vielzahl an potenziellen Lebensentwürfen, wie sie sich auf diesen Grundrissen täglich real abspielen und von denen Bonvicini einzelne symbolische Versatzstücke mit in ihre ganzheitlich konzipierte, von Barbara Steiner und Katia Huemer kuratierte, Ausstellung holt. Ein Schritt hinein lohnt.

Die Schau in Graz entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Winterthur, wo Monica Bonvicini ab September ihre erste institutionelle Einzelausstellung in der Schweiz zeigen wird. Beide Ausstellungshäuser erarbeiten einen gemeinsamen Katalog.

Monica Bonvicini, "Breach of Decor", 2020-2022, installation view, © Monica Bonvicini and Bildrecht, Vienna 2022, photo: Kunsthaus Graz/M. Grabner

Universalmuseum Joanneum - Kunsthaus Graz

Lendkai 1, 8020 Graz
Österreich

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