Venedig Biennale

Länderpavillons

In den Pavillons der Giardini, in den Hallen der ehemaligen Schiffswerft (Arsenale) und in an verschiedenen Locations verteilt über die ganze Stadt sind in diesem Jahr 80 nationale Beiträge auf der Biennale vertreten. Erstmals dabei sind Kamerun, Namibia, Nepal, Oman und Uganda. Den Goldenen Löwen erhielt Sonia Boyce (Großbritannien) für den besten Nationalpavillon. Auch Frankreich und Uganda wurden von der Jury hervorgehoben. 


Schweiz 

Latifa Echakhch

Die 1974 in El Khnansa, Marokko geborene, mit drei Jahren nach Frankreich umgesiedelte Künstlerin hat seit ihrer ersten Einzelausstellung in Grenoble 2007 eine steile Karriere hingelegt. Seit 2012 sondiert sie vom Schweizer Wallis aus widerständig und erschütterbar die Ränder des symbolischen Feldes. Für die Schweiz rückt sie in Venedig den Klang neu in den Blick. Latifa Echakhch spricht ruhig und überlegt, kommt aber, wenn es drängt, in Schwung. Die 47-jährige kanalisiert ihr Temperament, richtet präzise ihre Energie dorthin, wo für sie Wichtiges entsteht. Jetzt, elf Jahre nach ihrem ersten Auftritt in Venedig, auf die Musik: „Als ich den Pavillon erhielt“, sagt sie am Telefon, „wollte ich einen Neuanfang, der Raum, Zeit und Polyphonie ins Zentrum stellt.

LATIFA ECHAKHCH | Schweiz, La Biennale di Venezia, Giardini, 2022 | Courtesy the artist, Foto: Samuele Cherubini


Ungarn

Zsófia Keresztes

Die 1985 in Budapest geborene Zsófia Keresztes ist längst keine Unbekannte. Wer ihre markanten, vorrangig in Pastell gehaltenen Mosaik-Skulpturen einmal live gesehen hat, wird sie sofort und immer wiedererkennen. In Wien war die junge Künstlerin dank der Galerie Gianni Manhattan bereits zu sehen, diese konnte auch mit Werken auf der Liste Basel, der FIAC Paris oder beim Galerienfestival Various Others in München wichtige Vernetzungsarbeit für Keresztes leisten. In PARNASS 04/2019 stellten wir die ungarische Künstlerin noch als Newcomerin in Sachen Skulptur vor, mit der Wahl, den Nationalpavillon in Venedig zu bespielen, ist sie nun in der Topliga angekommen.

ZSÓFIA KERESZTES | Ungarn, La Biennale di Venezia, Giardini, 2022 | Foto: David Biro


Deutschland

Maria Eichhorn

Ursprünglich sah die 1962 geborene Künstlerin Maria Eichhorn vor, den Deutschen Pavillon vollständig abzutragen und an anderer Stelle wieder aufzubauen, was wörtlich im Titel „Relocating a Structure“ nachklingt. Dies wäre zwar möglich gewesen und hätte vermutlich zu großem Erstaunen aller geführt, wenn zwischen dem kanadischen und koreanischen Pavillon auf einmal freie Sicht auf die Lagune gewesen wäre, eine geopolitische Leerstelle in der Biennalenlandkarte, Eichhorn entschied sich jedoch für das Offenlegen von Strukturen anderer Art, und zwar architektonischer und damit verbunden ebenso politischer.

MARIA EICHHORN | Deutschland, La Biennale di Venezia, Giardini, 2022 © by the artist / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Jens Ziehe


ITALIEN

Gian Maria Tossati

Zum ersten Mal in der Geschichte der Biennale featured der italienische Pavillon am äußeren Ende des Arsenale-Areals einen Einzelausstellung eines Künstlers. Der in Neapel lebende Gian Maria Tossati (*1980 Rom) verwandelt mit seiner ortsspezifischen Installation, „History of Night and Destiny of Comets“, die Räume zu einer theatralischen Reise durch den Backsteinbau. Stillgelegte Förderbänder, Arbeitstische auf Nähmaschinen unter Neonröhren, deren leises Surren zu hören ist, verwaiste Wohnräume und ein dunkler Raum, in dem ein Steg zum Wassser führt. Man sieht blinkende Lichter ohne genau zu wissen, woher die Lichtquelle stammt. Assoziationen von Flüchtlingsbooten und ein Gefühl des Unbehagens kommt auf.

GIAN MARIA TOSSATI | Italien, La Biennale di Venezia, Arsenale, 2022 | Courtesy DGCC – MiC


Schottland

Alberta Whittle

Neben den beiden Künstlerinnen Sonya Boyce und Simone Leigh, die von der Jury mit Goldenen Löwen ausgezeichnet wurden, beschäftigt sich auch Alberta Whittle im schottischen Beitrag zur Biennale mit der Geschichte Schwarzer Emanzipation. Die auf Barbados 1980 geborene und in Glasgow lebende Künstlerin zeigt mit „deep dive (pause) uncoiling memory“ eine poetische Auseinandersetzung mit Kolonialismus, systemischem Rassismus, Erinnerungskultur und Selbstheilung. Auf S. Pietro di Castello zwischen den Giardini und dem Arsenale gelegen, kann man in dem zugehörigen Café im wahrsten Sinne eine Reflexionspause einlegen.

ALBERTA WHITTLE | La Biennale di Venezia, Arsenale Docks, 2022 | Foto: Cristiano Corte, © by the artist, Courtesy the artist, Scotland + Venice


Frankreich

Zineb Sedira

Die Fotografin und Video­künstlerin Zineb Sedira (*1963 in Gennevilliers, lebt und arbeitet in London) hat den französischen Pavillon zu einem Filmstudio transformiert. Die Räume werden zu Kulissen in dem die Grenze zwischen Realität und Fiktion verwischt und der Besucher eintauchen kann in narrativen Szenen voller Musik und Tanz. Sedira greift dabei auf die nach der algerischen Unabhängig­keit gegründeten „Casbah Films“ zurück wie Viscontis „Der Fremde“ (1967) und „Les mains libre“ (1964) – eine lange Zeit in den Archiven verschwundener, halb­stündiger Dokumentar­film über den algerischen Unabhängigkeits­kampf. Darüber hinaus nimmt sie Bezug auf Ettore Scolas „Le Bal – Der Tanzpalast“ (1983), dessen Kulisse sie im zentralen Raum des Pavillons eingerichtet ist – mit Bar und Tangoperformance. Kuratiert wurde der Pavillon von Yasmina Reggad, Sam Bardaouil and Till Fellrath.

ZINEB SEDIRA | Frankreich, La Biennale di Venezia, Giardini, 2022 | Foto: PARNASS


Belgien

Francis Alÿs

Ein roter Ball, eingeklemmt über dem Eingangsportal, entführt in den Kinderspielplatz des Belgischen Pavillons. „Ich wollte die Kinder zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit bringen. Besonders nach dieser Zeit des Eingesperrtseins in der Pandemie, die für die Kinder sicher leidvoller war als für den Rest von uns“, erzählt Francis Alÿs in einem Youtube-Video von Judith Benhamou-Huet Reports. Kuratiert von Hilde Teerlinck, zeigt der gefeierte belgische Künstler in seinem Pavillon eine Vielzahl an Videos, die Kinder beim Spielen begleiten – „The Nature of the Game“ – ob im Kongo, in Mexiko oder Hongkong. Mut und Gewalt sind ebenso wichtige Schlagwörter dieser Spiele wie das Spannungsverhältnis von Einzelkampf und Gemeinschaftssinn.

FRANCIS ALŸS | Belgien, La Biennale di Venezia, Giardini, 2022 | Foto: Roberto Ruiz


Bulgarien

Michail Michailov

Bulgarien bespielt in diesem Jahr den Spazio Ravà mitten auf der venezianischen Hauptinsel in Sichtweite der Rialtobrücke. Hier stellt Michail Michailov aus, der neben seinem Atelier in Paris auch eines in Wien unterhält und hier durch Viktor Bucher vertreten wird. In seiner Arbeit wandelt Michailov zwischen Performance, Zeichnung, Video, Skulptur und Installation. Bulgarien unterhält keinen festen Pavillon in Venedig, sondern mietet wechselnde Räume für seine Biennale-Präsentationen an. 2022 fiel die Wahl auf den Spazio Ravà, dessen Architektur nun zum wesentlichen Akteur von Michail Michailovs Präsentation wird.

MICHAIL MICHAILOV | Bulgarien, La Biennale di Venezia, Spazio Rava, 2022 | © by the artist

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