Voriges Wochenende eröffneten in Salzburg drei Galerie-Ausstellungen – Grund sich in den Zug zu setzen und einen Tag in Salzburg zu verbringen, denn auch ein Besuch im Museum und in den institutionellen Schauen lohnt. Ich beginne im Salzburger Gewerbegebiet Schallmoos. Galerie Thaddaeus Ropac und Elektrohalle Rhomberg zeigen hier zwei Ausstellungen von internationalem Format.

 


Erwin Wurm „Dignity“ I Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg - Halle

Erwin Wurm zeigt in der Salzburg Halle der Galerie Thaddaeus Ropac seine neue Werkserie der „Idole“. Marmorskulpturen in Form von Würsten, Semmeln, Gurken – die überproportional groß und durch die Oberfläche der Steine eindrucksvoll den Raum dominieren. Eine Weiterführung der bekannten „Signature Works“ in Carrara-Marmor. Er habe, so Wurm Steine mit Einschlüssen, Maserungen und auch farbigen Marmor verwendet, um die prägnante „schöne“ Ästhetik der Oberfläche des Carrara-Marmors zu brechen. Die Steine sind poliert und spielen natürlich mit dem Material Stein  – und das sehr eindrucksvoll. Die Ironie mittels Carrara Marmor die triviale Speisekarte eines Würstelstandes darzustellen, ist Teil des Konzepts. „Es ist das einfachste Menü sozusagen, und war auch für mich als Kind und später als Student ein alltägliches Nahrungsmittel und auch ein Sinnbild für ein soziales Umfeld und für gesellschaftliche Haltungen“, so Erwin Wurm.

Das Menü steht ja auch für eine bestimmte Kategorie an weißen Männern, die sich am Würstelstand über ihr Weltbild unterhalten – ein Weltbild, das von Enge, Vorurteilen und Intoleranz geprägt ist

Erwin Wurm

Von antifeministischer Haltung gar nicht zu sprechen, zog sich Erwin Wurm doch selbst unlängst bei einer Initiative des Kunst Haus Wien ein T-Shirt an um sich als Feminist zu deklarieren. Die Wurst ermöglicht eine Vielzahl von Assoziationen ­– von starren Festhalten an traditionellen Werten bis hin zur Umweltkritik – von Billigfleisch bis Massentierhaltung. Die Wurst als Synonym – „Der Titel „Idole“ benennt bereits um was es geht“ so Wurm. Wir eifern den falschen Idolen nach und streben nach einer vermeintlichen sozialen oder auch körperlichen Absicherung durch „Fettpolster”, der Konsum ob in Form von Essen oder Dingen wird zur Kompensation existenzieller Verunsicherung. Als naturgemäß vollgepresste Objekte, werden die Würste und ihre kulturelle Bedeutung zum Sinnbild innerlicher und sozialer Konflikte. „Humor ist eine Waffe", hat Erwin Wurm einmal gesagt. Doch versteht er sich nicht als Humorist, sondern er setzt seinen Witz ein, um den „Alltag aus einer anderen Perspektive“ zu zeigen. „Mein Werk handelt vom Drama der Belanglosigkeit der Existenz. Ob man sich ihr durch Philosophie oder durch eine Diät nähert, am Ende zieht man immer den Kürzeren.“ (Erwin Wurm) Wobei dem Künstler bei aller inhaltlichen Kontextualisierung auch der formale Bezug zum Skulpturalen wichtig ist, wie dies auch die Ausstellung anschaulich zeigt.  

Bis 12. Juni 2021 | Erwin Wurm I Dignity I Salzburg Halle | Vilniusstrasse 13, 5020 Salzburg, www.ropac.net

Foto: PARNASS


Drama Surréaliste I Elektrohalle Rhomberg

Es sind nur ein paar Gehminuten von der Vilniusstrasse 13 in die Samergasse 28b. Hier zeigen Josef Pipo Eisl und Alexander Rhomberg eine sehenswerte Gruppenschau mit Arbeiten österreichischer und deutscher bzw. in Deutschland lebender Künstler*innen. Eine Zusammenstellung von Arbeiten die im weitesten Sinne zum neuen Surrealismus gehören. Wobei die Auslegung gewollt breit angelegt ist – und die Auswahl der Werke subjektiv. Aber gerade das macht die Schau so interessant. Es geht auch nicht um ein museales Erfassen der derzeit reüssierenden neuen Generation surrealistisch, arbeitender Künstler*innen. Diese orientieren sich formal ohnedies nicht an ihren historischen Vorgänger*innen, sondern eher an der Begrifflichkeit selbst. Die Klammer der Ausstellung bildet die literarische Vorlage des französischen Dichters und Schriftstellers Guillaume Apollinaire. In seinem Bühnenstück. „Les mamelles de Tirésias“, das den Untertitel „Drame Surréaliste“ trägt, durchbricht er die traditionellen Abläufe eines Theaterstücks und kombiniert historische, fiktionale und reale Wirklichkeit zu einer surrealen Theaterwelt. Apollinaire prägte damit den Begriff des Surrealismus, der später von André Breton übernommen wurde.

Das Stück enthält ebenso wie die Biographie des Autors, der 1918 an der Spanische Grippe starb, Themen die heute nach vor brisant und aktuell sind, wie die Debatte um Geschlechteridentitäten. Unter diesem Bezugspunkt zeigt die Elektrohalle Rhomberg neun Künstlerinnen und Künstler, die sich mehr oder weniger diesem Thema annähern oder wie Verena Issel direkt dazu Arbeiten entwickelten – eine übrigens sehr gelungene Installation. Die Ausstellung gibt einmal mehr neben den österreichischen Positionen einen Einblick in die junge deutsche Kunstszene, darunter Tamara Malcher, Andi Fischer und Verena Issel. Unter den österreichischen Positionen sind neben Flora Hauser, Gerlind Zeilner, Daniela Zeilinger auch wieder Künstler*innen der jungen Salzburger Kunstszene wie Georg Frauenschuh, Tina Hainschwang vertreten. Eine neue Entdeckung ist der erst 23-jährige Adrian Hazi, der aktuell in der Klasse von Jan Svennungson an der Angewandten in Wien studiert. Zu sehen sind Arbeiten von formaler Ernsthaftigkeit und spielerischer Experimentierfreude – eine Ausstellung ebenso bemerkenswert wie charmant.

bis 6. Mai 2021 | Elektrohalle Rhomberg I Samergasse 28b, 5020 Salzburg, www.elektrohalle-rhomberg.net

Ausstellungsansicht, Elektrohalle Rhomberg, Foto: Andrew Phelps


Salzburg Stadtzentrum

Wir wechseln in die Innenstadt und schauen noch ins Traklhaus und in die Galerie Weihergut, in den Fotohof und ins Museum der Moderne wo noch bis 2. Mai mit Fiona Tan „Mit der anderen Hand“ und bis 13.Juni mit „Not Vital. IR“ zwei sehenswerte Einzelausstellungen zu besuchen sind.


Max Piva und Ferdinand Melichar I Galerie Weihergut

Fotoarbeiten des zwischen Wien und Portugal pendelten Max Piva zeigt die Galerie Weihergut in Dialog mit Malerei von Ferdinand Melichar. In Italien geboren, in Venedig studiert, zählte "Insider Wien" Max Piva 2017 zu den neuen Jungen Wilden, die „Wien aufmischen“. Mittlerweile ist Piva jedoch weniger Rebell als solider Fotograf, der vor allem die Natur in den Fokus seiner Bilder rückt. Max Piva fotografiert digital, betont jedoch die Farben und kontrastreichen Lichtstimmungen seiner Bilder nicht am Computer nachzubearbeiten. Vielmehr beobachtet er die Natur und fotografiert zumeist an den Stränden Portugals – und das unter körperlichen Einsatz im Salzwasser stehend um die Wellenformationen einzufangen. Das Ergebnis wirkt wie ein abstraktes Bild, die verschiedenen Gischt und Wasserfontänen wie Pinselstriche. So versteht Piva seine Arbeiten auch mehr als malerische Fotografie denn als Naturdokumentation.

Max Piva, Bordeira 2019, 1+AP, 165x110 cm, Pigment Print on Photo Metallic Paper

Ferdinand Melichar knallt im wahrsten Sinn des Wortes bildgewaltig eine neue Serie in die Galerie. Entstanden in den letzten Monaten als er den Lockdown großteils in seinem Weinviertler Atelier verbrachte und durch den Wald tigerte. Grün wuchernd, abendlichtbeschienen, gestisch, farbintensiv – und dann auch ganz lyrisch und poetisch, wie im Bild mit dem einsamen Boot im Weiher. Die Bilder können etwas und postulieren unmissverständlich, dass die Landschaftsmalerei auch in der Zeitgenössischen Kunst einen Stellenwert hat – zumindest wenn man sie so malt wie Melichar seine aktuelle Serie. Natürlich es geht um Malerei – nie nur um die Landschaft, wobei Ferdinand Melichar darauf garnicht so pocht, wie zuweilen andere Künstler, dass es er seine Bilder doch letztendlich als abstrakte Malerei interpretiert wissen will. Er malt eben den Wald. Punkt. Schnell und spontan hingesetzt erscheinen die Pinselstriche, was typisch ist für den Maler. Doch gekonnt entsteht eine Architektur der Malerei, die sowohl die Strukturen der Natur erfasst als auch ihre Räumlichkeit. Nicht ohne Ironie nennt Melichar seine Serie „Der Waldgänger nach Stifter“ und zitiert damit die Novelle des Schriftstellers und dessen Protagonisten, den einsamen Baumeisters Georg, der durch die Wälder streift, Steine, Moose und Schmetterlinge sammelt und von den Einheimischen daher bald der Waldgänger genannt wird. Allerdings ist Melichar in seiner Beschreibung der Landschaft ungleich rasanter und expressiver als Adalbert Stifter. 

bis 15. Mai Max Piva I Ferdinand Melichar I Galerie Weihergut I Linzergasse 25 5020 Salzburg, www.weihergut.at

Ferdinand Melichar, Der Waldgänger nach A. Stifter, Öl auf Leinwand, 2020, 140 x 170 cm


Michael Kos I Traklhaus

Die Ausstellung des Künstlers Michael Kos ist eine Kooperation mit dem „Kunstraum Nestroyhof" in Wien und zeigt eine Auswahl der ebendort gezeigten Arbeiten. Sprache und Sprachspiele sind im Schaffen von Michael Kos immer wieder von Relevanz. Die titelgebende Arbeit „lose Formation" birgt bereits einen begrifflichen Widerspruch in sich. Sogar ein unscheinbarer Findling trägt viele Informationen in sich, die er in die Umgebung aussendet. Er war einmal Meeresboden, Berg, Sand etc. und ist – so wie alles – einer ständigen Veränderung ausgesetzt. Von den vernähten Steinen, bis hin zu seinen Mappings, in denen er Schrift und Zeichen überlagert zeigt die Ausstellung einen kleinen Einblick in das konzeptuelle Schaffen des Künstlers Michael Kos. Ein Anstoß sich einmal mehr mit dessen Werk auseinanderzusetzen – und ein Appell sein Werk in einem längst überfälligen musealen Kontext zu zeigen.

bis 30. April 2021 | Michael Kos I lose Formation I Traklhaus | Waagplatz 1A, 5020 Salzburg | www.salzburg.gv.at

 

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