Respekt und Visionen

Bettina Leidl ist Direktorin des Wiener MuseumsQuartiers

Was bewegt die Kunstszene? Unsere neue Reihe "NACHGEFRAGT!" bittet monatlich Persönlichkeiten der Kultur zum Interview.

Das MQ Wien ist als offener Kulturcluster aus dem Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken. Kaum zu glauben, dass es einst vehemente Verhinderungsversuche gab, dass es nun aber seit über 20 Jahren pulsiert und sich weiterentwickelt – und dass erstmals eine Frau an der Spitze steht: Bettina Leidl ist seit 14. Februar Geschäftsführerin der Museumsquartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft. Maria Rennhofer hat sie interviewt.


PARNASS: Was interessiert Sie am meisten an dieser Funktion?

Bettina Leidl: Das Museumsquartier ist eine große alte Liebe von mir, ich bin ihm seit Anfang der 1990er Jahre verbunden. Als Geschäftsführerin der Kunshalle Wien war ich ab 1997 in die Entstehung dieses neuen Kulturareals eingebunden. Zu Beginn gab es ja viele Konflikte um die Errichtung des Museumsquartierts. Jetzt hier die Möglichkeit zu haben, inhaltlich gestaltend einzugreifen und in der Positionierung nachzuschärfen, das hat mich sehr gereizt.

P: Heute ist das MQ eine unumstrittene Institution. Aber so eine Institution lebt von der Veränderung, der Vielfalt und von der Weiterentwicklung.

BL: Ganz genau, wenn man sich die ersten Entwürfe ansieht und die Aufregung etwa über die Gebäudehöhen der Museen in Erinnerung ruft, dann werden heute auch die Schwächen des MQ sichtbar. Ich persönlich bedaure, dass die einzelnen Institutionen hinter der großen barocken Fassade kaum sichtbar sind und der von Ortner & Ortner als Landmark gedachte Leseturm fehlt. Es ist die Errungenschaft meines Vorgängers Christian Strasser, mit dem Bau der Libelle auf dem Leopoldmuseum zu zeigen, dass das MQ kein statisches Areal ist, sondern dass man es immer weiterdenken muss – in den Nutzungen, aber auch mit neuen architektonischen Schwerpunktsetzungen.

Bettina Leidl, Foto: Stefan Oláh, Bildrecht Wien 2022

P: Wieviel können Sie über dieses Weiterdenken schon verraten? Ich denke etwa an die Vision, eine Verbindung den Museen am Maria Theresien Platz zu schaffen.

BL: Wenn man so eine Funktion übernimmt, kann man mit neuer Energie und Verve Themen wieder aufgreifen und versuchen, alte und neue Verbündete zu gewinnen, um dieses große historische Ensemble zu verbinden. Es gibt zahlreiche Ideen und Konzepte, die Barriere der Zweierlinie zu überwinden, die es wert sind, die Diskussion darüber wieder aufzunehmen. Wichtig ist für mich, dass das MQ nicht der Schlusspunkt des 1. Bezirks ist, sodern sich stärker zum 7. Bezirk hin öffnet. Auf der Mariahilferstraße entstehen neue Aktivitäten, mit dem KDW gibt es Überlegungen einer Öffnung hin zum MQ. Auch interessant ist die thematische Einbindung und mögliche Kooperation mit dem Volkstheater oder mit der frisch renovierten Akademie. Ich möchte diesen Kulturbezirk größer fassen und weiter denken.

Wenn man so eine Funktion übernimmt, kann man mit neuer Energie und Verve Themen wieder aufgreifen

Bettina Leidl

P: Ein Schwerpunkt Ihrer Pläne liegt auf einer noch weiteren Öffnung des MQ in den virtuellen Raum durch eine verstärkte Digitalisierung.

BL: Mit Corona hat die Digitalisierung des kulturellen Angebots extrem an Fahrt aufgenommen. Die Kultureinrichtungen haben erkannt, dass sie dadurch neue Besucher*innen ansprechen können, anders wahrgenomen werden, zahlreiche neue Formate und Programme wurden entwickelt. Um Aufmerksamkeit zu generieren, kann das MQ Aktivitäten bündeln, eine digitale Plattform sein vor allem auch für kleinere oder mittlere Institutionen, denn es geht ja im digitalen Raum vor allem um die Auffindbarkeit. Sich hier stärker zu vernetzen, bietet die Möglichkeit für Institutionen, ihren Wahrnehmungsraum im Digitalen zu erweitern.

MQ, Haupthof, Foto: Hertha Hurnaus

P: Ein weiterer Schwerpunkt betrifft das Thema Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, das Sie ja schon bisher als Direktorin des Kunst Haus Wien forciert haben; also die Absicht, das MQ grüner zu machen.

BL: Ganz genau, das ist mir ein großes Anliegen. Im Kunst Haus Wien, aber auch in meiner Funktion als Präsidentin von ICOM habe ich an der Ökologisierung und den Möglichkeiten gearbeitet, wie sich Kulturinstitutionen auf einen nachhaltigen Betrieb umstellen können. Wir wissen, dass vor allem große Museen mit ihrer elaborierten Haustechnik eine schlechte Klimabilanz haben, einen sehr hohen CO2 Fußabdruck erzeugen. Die Museen sind sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst und nehmen eine Vorbildrolle ein. Mein großes Ziel ist, raus aus den fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbarer Energie zu kommen, das heißt, das MQ bis 2030 klimaneutral zu gestalten.

P: Das bedeutet auch Investitionen in die bauliche Infrastruktur.

BL: Wenn man heute durch das Areal geht, sieht man ihm die 20 Jahre seines Bestehens schon an. Auch wenn man nicht von heute auf morgen alles sanieren kann, muss man schon an einigen größeren Schrauben drehen, damit es zeitgemäß bleibt und grüner wird – im wahrsten Sinn des Wortes mit Fassadenbegrünungen, Beschattungen, Interventionen, die vor 30 Jahren noch nicht so dringlich waren. Um das MQ klimaneutral auszurichten, gilt es, mit Photovoltaik, Erdwärme und anderen innovativen Technologien neue Akzente zu setzen. Öffentliche Orte wie das MQ können hier eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft einnehmen und angesichts der drohenden globalen Klimakatastrophe mit künstlerischen Inhalten zum Diskurs über Umwelt- und Klimaschutz beitragen.

Museumsquartier Wien, Foto: Alexander Eugen Koller

P: Eine solche Funktion ist auch auf politischen Rückhalt angewiesen. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Entscheidungsträgern bei Bund und Stadt Wien?

BL: Ich gehe davon aus, dass meine Bestellung ein Zeichen dafür ist, dass ich deren Vertrauen besitze. Man hat jemanden gesucht, der ein Verständnis für die Kustproduktion hat, für die künstlerische Erweiterung des Areals, aber auch für den Dialog mit den Institutionen. Bei aller Niederschwelligkeit, die das MQ auszeichnet und die man unbedingt erhalten muss, soll doch an allen Ecken und Enden sichtbar sein, dass es sich um ein Kunst- und Kulturareal handelt, das respektvoll programmiert und ebenso behandelt werden soll.

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