Kunstszene München: Zwei Statements

Conor O'Shea. 2018 | Courtesy Loggia

Seit zehn Jahren ist das Kunstareal München in Planung, mit dem Ziel einen einzigartigen kulturellen Campus zwischen den Museen, den Pinakotheken, den umliegenden Kunstinstitutionen, den Kunstuniversitäten und Hochschulen in der Maxvorstadt zu schaffen. Man setzt bei der Entwicklung auf massive Bürgerbeteiligung – und sieht das Areal auch als urbane Kernzone mit hoher Aufenthaltsqualität.


Doch seit einigen Jahren stagnierte das Projekt, was man dem Areal auch ansieht, vieles ist in Planung, ein belebter Campus ist es noch nicht. Auch in der Galerienszene sortiert man sich neu. Der neue Vorstand der Initiative für zeitgenössische Kunst setzt einerseits auf bewährte Formate wie die OPEN art oder die PLATEAU münchen, möchte sich aber verstärkt jungen Galerien öffnen und neue Ideen entwickeln. Ein Teil der Münchner Galerien hat mit dem Festival „Various Others“ bereits im Vorjahr erfolgreich ein neues Format überregionaler Zusammenarbeit etabliert. Es gibt also Aufbruchssignale. Auch seitens der Politik ist man entschlossen, München ein neues Image zu verpassen. München soll als Zentrum zeitgenössischer Kunst endlich auch international sichtbar werden.

Doch wie sehen Insider die Situation der Münchner Kunstszene? Wir haben Silvia Langen, Kunsthistorikerin, Autorin, und Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft „Freunde Haus der Kunst“ und Yves-Michele Saß gefragt. Yves-Michele Saß betreibt in München gemeinsam mit Stefan Fuchs seit 2017 den Kunstraum Loggia – und die Online- und Social Media-Agenden in unserer PARNASS-Redaktion in Wien.


Silvia Langen

Immer noch hält sich hartnäckig das Bild von der ehrwürdigen Alten Pinakothek mit Rubens und Caravaggio in mit Seidentapeten bespannten Sälen, von mittelalterlichen Flügelaltären des Nationalmuseums oder von bunten Bildern der Künstlergruppe „Blauer Reiter“ – in Lenbachs eklektischer Künstlerresidenz, wenn die Kunst in München zur Sprache kommt. Ohne Frage hat München gerade von der Frührenaissance bis ins 20. Jahrhundert Museumsbestände von Weltklasse. Aber: München hat gerade im Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst gegenüber dem ewigen Widersacher Berlin aufgeholt: Denn hier gibt es gerade auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst inzwischen deutlich mehr Museen mit einzigartigen Werkkomplexen an Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts wie die Minimal Art-Bestände in der Pinakothek der Moderne, der Lepanto-Zyklus oder die großen Arbeiten von Cy Twombly im Museum Brandhorst. Und nicht in Berlin wird in einem ungenutzten Zwischengeschoß der U-Bahnstation Kunst gezeigt, sondern im „Kunstbau“ in München hinter den Propyläen mit spektakulären Ausstellungen, genauso wie die Villa Stuck kontinuierlich junge Kunst mit Weltniveau zeigt...

Vollständiges Statement

Diamond Stingly, Wall Sits, 2019, Installationsansicht, Kunstverein München | Courtesy die Künstlerin und Queer Thoughts, New York | Photography: Margaritas Platis

Diamond Stingly, Wall Sits, 2019, Installationsansicht, Kunstverein München | Courtesy die Künstlerin und Queer Thoughts, New York | Photography: Margaritas Platis


Yves-Michele Saß

In München wird etwa alle fünf Jahre aufs Neue betont, wie sehr sich die Kunstszene im Aufschwung befindet. Die Zwischenräume dieser wiederkehrenden Aufbruchsstimmungen werden in der bayrischen Landeshauptstadt aber mit „granteln“ verbracht. Denn Probleme gibt es genügend: Die Mietpreise, Gentrifizierung, der generelle Konservatismus, Sexismus an der Akademie und zuviel Aufmerksamkeit für das Oktoberfest und den FC Bayern.

Eigentlich ist alles gar nicht so schlimm: Wenn das Haus der Kunst endlich aufhört, sich selbst zu demontieren, hat München eine respektable Museumslandschaft zu bieten. Besonders das Museum Brandhorst hat mit den vielbeachteten Ausstellungen „Painting 2.0“, „Kerstin Brätsch“ und „Jutta Koether“ allen Grund, sein Jubiläum selbstbewusst zu feiern.

Der Kunstverein öffnete sich durch die engagierte Arbeit von Chris Fitzpatrick und Post Brothers wieder der Münchner Community und band die hiesige Szene deutlich stärker in die Aktivitäten ein. Zudem hat der Kunstverein mit der Berufung von Maurin Dietrich als neue Direktorin ein für Münchner Verhältnisse progressives Zeichen gesetzt. Eigentlich überfällig, aber Dietrich macht alles richtig und zeigt in der ersten Ausstellung die afroamerikanische Künstlerin Diamond Stingily.

Mit dem Galerienfestival „Various Others“ kam auch Dynamik in die behäbige Galerieszene Münchens. Die Initiative, die heuer zum zweiten Mal stattfindet und internationale Gäste zu gemeinsamen Ausstellungen einlädt, bündelt endlich das Potenzial der Szene. Unterstützung bekommt sie dabei auch vom Kulturreferat, das zuletzt einen mit 50.000 Euro dotierten Kunstpreis für Junge Galerien und Off-Spaces ins Leben gerufen hat, der an sechs Preisträger verteilt wird...

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Conor O'Shea, 2018, Ausstellungsansicht, Loggia, München | Courtesy the artist and Loggia, Munich/Vienna

Conor O'Shea, 2018, Ausstellungsansicht, Loggia, München | Courtesy the artist and Loggia, Munich/Vienna

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