Gallery Diary - Projektraum Viktor Bucher | SUPERFICIAL

Noch bis zum 11. August 2020 ist im Projektraum Viktor Bucher die Gruppenausstellung „SUPERFICIAL“ zu sehen.


Im Fokus steht gemäß dem Titel die Oberfläche/n im materiellen Sinn und oberflächlicher Betrachtungsweise / Deutung andererseits. Dazu hat Galerist Viktor Bucher eine erlesene Auswahl von Künstlern und Künstlerinnen geladen: Andreas Fogarasi, Julie Hayward, Leopold Kessler, Angelika Loderer, Peter Sandbichler und neu Julia Haugeneder, die erstmals bei Viktor Bucher ausstellt. Einen ersten Einblick in ihre Arbeiten, die sie für die Ausstellung entwickelt hat, haben wir schon in unserem Studio View im März dieses Jahres erhalten. Die materielle Basis der Skulpturen die in der Ausstellung vereint sind, ist dabei höchst unterschiedlich. Von der Kombination präzise angefertigter Einzelteile in den Skulpturen von Julie Hayward, den „Howl Bowls“ von Angelika Loderer, die ein Kombination von Designmöbel mit Messingobjekten sind, die ihren Ursprung in manuell bearbeiten Ton haben, bis hin zu den „Materialpaketen“ von Andreas Fogarasi. Der Fokus liegt jedoch nicht nur in der Zusammenstellung von Kunstwerken, deren Reiz der Materialität und Oberflächenstrukturen gilt, vielmehr offenbart sich ihr „Sinn, Inhalt, Mehrwert, eben die Qualität des Kunstwerkes erst“ so der Pressetext zur Ausstellung „wenn man – literally - an deren Oberfläche kratzt- also Inhalte vermittelt, - analysiert, - interpretiert.“ Zusammen-gefasst ist beides zutreffend – und die präsentierten Arbeiten sind sowohl formal wie inhaltlich interessant.

Die beiden Objekte „Hole Bowl“, präsentierte Angelika Loderer bereits 2018 auf der Mailänder miaart. „Es sind Objekte, die an der Schnittstelle zwischen bildender und angewandter Kunst angesiedelt sind. Die Messingschalen wurden zunächst aus Ton geformt, dann in Wachs gegossen. Der Arbeitsprozess, sprich die Fingerabdrücke sind Teil der Oberflächenstruktur. Die abstrakte Form erinnert auch an eine Obstschüssel, daher auch der Titel, und die saisonale Früchte, die in den Schüsseln liegen. Für mich haben die Objekte auch etwas Organisches, nahezu Wesenhaftes, Tierhaftes und gleichzeitig etwas Humorvolles.“ Den Sockel bildet jeweils eine dänische Designerkommode aus den 1950er-bzw. 1960er-Jahren. Sie können und sollen sogar, so Angelika Loderer benützt werden. "Ich würde mich freuen, wenn die Skulpturen als Art Interieur integriert werden, so sind sie sowohl funktional als auch gleichzeitig Skulptur."

 

Für mich haben die Objekte auch etwas Organisches, nahezu Wesenhaftes, Tierhaftes und gleichzeitig etwas Humorvolles.

Angelika Loderer

 

Angelika Loderer "Hole Bowl", 2018. Patiniertes Kupfer, Teak Möbel, 180 x 80 x 50 cm © Foto: Parnass

Das Wandobjekt von Peter Sandbichler gehört zu seiner Werkgruppe der „Alten Schachteln“, die zumeist aus Karton geformt sind, ein Material, das der Künstler vielfach einsetzt – von exakten Faltungen, großräumigen Rauminstallationen bis hin zu zufälligen, unkontrollierten zum Teil „aktionistischen“ Verformungen, wie in den „Alten Schachteln“. Was solcherart entsteht, wird zum Teil in Metall oder Beton gegossen, gibt jedoch stets noch vor Papier zu sein, was ein spannendes Spiel mit Material und Oberfläche ergibt. Das Wandobjekt im Projektraum Viktor Bucher ist jedoch keine Betonguss sondern aus Papiermaché – aus „100 Prozent aus recycelten Material“, so Peter Sandbichler: „Alle Zeitungen, die ich lese, sind hier verarbeitet worden. Papiermaché und Karton ist ein Material, das eine Kosten und auch keine Umweltschäden verursacht. Ein Aspekt der bereits sehr früh Teil meiner Arbeit war, und wenn man so will hat mich diese Thematik aktuell nun eingeholt. Die Verwendung dieser vorhanden Materialien ermöglicht ein großes Maß an Freiheit. Freiheit seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und Ideen zu entwickeln. Allein wenn ich alle meine Installationen lagern müsste, wäre das unmöglich, ebenso ist es ein Irrsinn, wenn man die Installationen nach Ausstellungsende zerstört, die Materialien wegschmeißt und entsorgt. Ich bekommen die Kartons von den Fahrradgeschäften und nach der Ausstellung kommt das Material wieder in das Altpapier und damit wieder in den Kreislauf. Letztlich geht es um die Materialisierung der Idee und diese ist, jederzeit wieder realisierbar. Bereits Claes Oldenburg hat den Karton als ideales Material gesehen, dass es überall auf der Welt gibt. Anders als viele meiner Künstlerkollegen hatte ich auch in der Zeit des Corona-Lockdowns keine Schwierigkeiten Material zu bekommen. Im Gegenteil: Fahrräder waren überaus gefragt und ich dadurch einen großen Materialvorrat.“

Peter Sandbichler "Alte Schachtel", 2018. Papiermaché, 120 x 45 x 80 cm © Foto: Parnass

Von Julie Hayward zeigt Viktor Bucher die Skulptur „I can´t see you 2“, die eigentlich in Verbindung mit „I can´t see you 1“ einen komplementären Dialog bildet. Die Skulpturen entstanden 2019 und bauen auf jene Formensprache auf, die sich bereits in „Miss Needy“, 2018 manifestierte, die Julie Hayward auch im Gespräch als Vorstufe zu „I can´t see you 1 + 2“ bezeichnet. „Diese Skulpturen sind insofern neu, da nun die konstruktiven Teile, Gestelle, Stangen sichtbar sind und mehr in den Vordergrund treten. Ich fand es interessant, dass hier Formen aufgetaucht sind, die sich sowohl aus konkreten als auch aus biomorphen Elementen zusammensetzen. Das war etwas Neues für mich, aber gerade deshalb umso interessanter, weil sie auch eine neue Herangehensweise an den Arbeitsprozess per se einforderten.“ In den Skulpturen von Julie Hayward ist zumeist eine Bewegung impliziert – keine mechanische, sondern jene des Betrachters. Darauf weist auch hier der Titel hin, der sich auf sich aus dem rechteckigen Teil aus Schaumgummi-MDF-Platte herausstülpen und an Augäpfel erinnern. Allein lässt sich die Bewegung erst dann nachvollziehen wenn beide Skulpturen – als Dialog im Raum – ausgerichtet sind, und die Hohlformen sich einmal hinein und in der anderen Skulptur hinausstülpen.

Ich fand es interessant, dass hier Formen aufgetaucht sind, die sich sowohl aus konkreten als auch aus biomorphen Elementen zusammensetzen.

Julie Hayward

 

Julie Hayward “I can´t see you", 2019. MDF, Schaumgummi, Aluminium, 125 x 132 x 163 cm © Foto: Parnass

Das Falten prägen die Arbeiten von Julia Haugeneder, die erstmals bei Viktor Bucher vertreten ist, seit ihrem Diplom 2019 jedoch bereits eine beachtliche Ausstellungspräsenz hingelegt hat. Die Ausgangsmaterialien für Haugeneders gefaltete Objekte sind Gips, Leim und Pigment, die sie am Boden ausgießt und trocknen lässt. So entsteht eine dünne Haut, die sie zu Objekten faltet. Das Arbeiten mit den diversen Materialien und das Ausloten, was es für Möglichkeiten gibt, dieses zu formen und zu bearbeiten, ist ein wesentlicher Faktor in ihrem Werk und schreibt sich durchaus sichtbar auch in ihre aktuellen Objekte ein. Diese gehören zu einer Werkgruppe von circa 16 Arbeiten, die Haugeneder für eine Ausstellung in der Privatsammlung der Art Lodge am Afritzersee gemacht hat. Konkret für das alte Poolhaus aus Holz, in der sich ihre farbigen Objekte, deren Oberfläche bewusst etwas plastikartiges hat, als Kontrast präsentieren. Auch im Projektraum Viktor Bucher arbeitete sie im Dialog mit dem Raum und entwickelte Dimension und Form der Skulptur ortsspezfisch. „Die Objekte“ so Haugeneder „erinnern an Luftmatratzen, aufblasbare Plastikobjekte die im Winter im Schrank, zusammengeknüllt, verstaut sind. Erst nach dem Aufblasen enthüllt sich ihre wahre Form. Ähnlich ist es bei diesen Objekten.“

Die Objekte erinnern an Luftmatratzen, aufblasbare Plastikobjekte die im Winter im Schrank, zusammengeknüllt, verstaut sind. Erst nach dem Aufblasen enthüllt sich ihre wahre Form.

Julia Haugeneder

 

Julia Haugeneder „Faltung 113" u. Faltung "114", 2020, jws. Buchbinderleim, Pigmente, Luftpolsterfolie, 217 x 44 x 34 cm bzw. 110 x 36 x 14 cm © Foto: Parnass

Andreas Fogarasi präsentiert neben dem Video „Surface Studies - Karlsplatz“ eines seiner „Materialpakete“, das sich aus originalen Oberflächenfragmenten Gebäuden zusammensetzt. „Radikal abstrahiert auf Materialität, Farbigkeit und Haptik, verbinden sich diese zu zeitübergreifenden Porträts der jeweiligen urbanen Situationen.“ Wie dies Kurator Maximilian Geymüller in der Ausstellung „Nine Buildings Stripped“ von Fogarasi formulierte. Beide sowohl das Video als das Wandobjekt zeigen anhand der Oberflächen und Materialität die Geschichte des Bauens und Umbauens im Stadtgefüge.

Radikal abstrahiert auf Materialität, Farbigkeit und Haptik, verbinden sich diese zu zeitübergreifenden Porträts der jeweiligen urbanen Situationen.

Maximilian Geymüller

 

 

„Superficial“ fasst eine Reihe sehr unterschiedlicher Arbeiten zusammen, die jede für sich steht. Dennoch ist es durch kluge Positionierung gelungen einen interessanten Parcours aufzubauen, in der sich Synergien ergeben, den Arbeiten jeweils viel Raum gelassen wird und sie ich gegenseitig ergänzen, und dennoch wohltuend auf allzu große Harmonie verzichtet wurde.

Andreas Fogarasi "Nine Buildings, Stripped" (Unsquare Dance), 2020. Stahl, PVC (Bodenelement Kinderradiologie AKH), Styrodur, Eternit (Danube Flats), Travertin (Franz Josefs Kai 51), Aludibond, Stahlumreifungsband, 60 x 60 x 10 cm © Foto: Parnass

Projektraum Viktor Bucher

Praterstraße 13/1/2, 1020 Wien
Österreich

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