Eindrucksvoller Abschied: Hermann Nitsch in Venedig
Die eindrucksvolle Ausstellung der 20. Malaktion in den Räumen der Oficinie 800, einem zum Kulturraum umfunktionierten ehemaligen Warenhaus auf der Insel Giudecca, war ein großer Wunsch des Künstlers. Durch den Tod des Wiener Aktionisten am Ostermontag am Beginn der Eröffnungswoche der 59. Venedig Biennale wird sie zur eindrucksvollen Abschiedsausstellung eines großen Künstlers. Zu sehen bis 20. Juli 2022.
Die 20. Malaktion entstand 1987 in der Wiener Secession und konnte als einzige als gesamtes Konvolut zusammengehalten werden. Sie ist heute in Besitz der Privatsammlung Helmut Essl, die gemeinsam mit der Galerie Lisa Kandlhofer, der Pace Gallery und den Zuecca Projects die Ausstellung im Rahmen der 59. Biennale in Venedig realisierte.
Betritt man die Oficinie 800, taucht man ein in ein malerisch-aktionistisches Environment, in dem sich die Malerei eindrucksvoll im Raum ausbreitet und eine Atmosphäre erzeugt zwischen dynamisch-bewegt und kontemplativ, zwischen dem Realen, dem Symbolischen, der reinen Abstraktion und der Prägnanz der Farbe und Malerei per se. Das raumfüllende Panorama zeigt in verdichteter Form die Essenz von Nitsch' Malerei, die er stets als integralen Bestandteil seines synästhetisch angelegten Orgien Mysterien Theaters verstand. Roman Grabner bezeichnete gegenüber der APA das Orgien Mysterien Theater als einzigartigen Kosmos und große Kulturcollage, „die Religionen und Mythen übereinanderlegt und alle Künste miteinander verschmilzt, ein wahres Gesamtkunstwerk, das die Zeiten überdauern wird.“
Hermann Nitsch realisierte über 90 Malaktionen, zuletzt im Sommer 2021 für die konzertante Aufführung von Richard Wagners „Walküre“ im Rahmen der Bayreuther Festspiele, die er damit szenisch begleitete. Die 20. Malaktion entstand 1987 in der Wiener Secession. Sie nimmt im Werk des Künstlers eine besondere Stellung ein, da sie für ein Haus, entstand, das, so Hermann Nitsch, „ein Symbol für künstlerische Freiheit darstellt“. Die Einladung von Otmar Rychlik und Edelbert Köb nahm der Künstler 1987, wie er rückblickend schreibt, „mit freuden an.“ Die Malaktion besteht aus dem mit 5 mal 20 Metern größten Schüttbild des Künstlers, einer Bodenarbeit mit 10 mal 10 Metern, 50 großformatigen Schüttbildern, drei Malhemden im Kreuzkasten und weiteren Applikationen. Der Zusammenhalt dieser Malaktion, die mehrmals den Besitzer wechselte, war Hermann Nitsch sehr wichtig. Um sie dem Kunsthandel zu entziehen, wurde die einzelnen Bilder auch nicht signiert, so Nitsch:„um eine zerstörung, auflösung und zerstückelung des gesamtprojektes in richtung kunsthandel zu verhindern. es existiert nur ein zertifikat, welches die echtheit der secessionsmalerei durch mich bestätigt.“
Nitsch konnte im Rahmen der 20. Malaktion seine Vorstellung von Litanei und Ritual verwirklichen. Die Tendenz der Secessionisten, so Nitsch, „das ausstellungsgebäude als tempel zu begreifen, kam mir entgegen. die sakralisierung aller kunst wurde und wird auch von mir angestrebt. kunst ist für mich metaphysische tätigkeit. während der öffentlichen malaktion wurde die gregorianische osterliturgie gespielt.“ Einmal mehr zeigte diese Malaktion die Idee des Gesamtkunstwerkes, in dessen Zentrum das Orgien Mysterien Theater steht, in das letztlich alle Bestrebungen und Aktivitäten und auch die Malerei des Künstlers münden. Weiter lesen Sie in der PARNASS Ausgabe 02/2022.
Hermann Nitsch
20. Malaktion
Wien 1987 - Venedig 2022
Oficine 800, Fondamenta
S. Biagio, Giudecca Venedig
bis 20. Juli