SEVDA CHKOUTOVA | Museum Angerlehner

DIE GRENZEN DES ZEICHNENS AUSLOTEN

Großformatige Zeichnungen, auf denen die vielschichtigen Schraffierungen als Gesamtheit ein dreidimensionales Bild ergeben und deren radierte Stellen Licht und Schatten deutlich machen sind es, die Sevda Chkoutova verwendet, um ihren eigenen Körper und ihre persönliche Lebensgeschichte zu thematisieren. Im Salon des Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels, sind einige ihrer Arbeiten noch bis Ende September zu sehen. Ebenso ist die Künstlerin in der Ausstellung „Wilde Kindheit“ im Linzer Lentos vertreten. Eine Anlass die Künstlerin in ihrem Wiener Atelier zu besuchen.


In Bulgarien geboren, hat sie nach vollendeter Schulzeit im Kunstgymnasium in Sofia ihr Heimatland verlassen, um in Österreich ein neues Leben zu beginnen. Zuerst in Form des Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei der amerikanischen Künstlerin Sue Williams und bei Hubert Schmalix, danach mit ihrem Mann und den zwei gemeinsamen Kindern und allen voran mit ihrer künstlerischen Arbeit und dem entsprechenden Erfolg.

„Ich arbeite immer mit meinem eigenen Körper. In ihm sind traumatische Erlebnisse gespeichert, die mir lange nicht bewusst waren“ so Sevda Chkoutova während sie den Titel der Ausstellung im Museum Angerlehner „Natur.Weiblich“ erklärt: Es geht nicht um eine Reminiszenz an den lange geführten Diskurs darüber, dass Frauen dem Bereich der Natur und Männer dem des Intellekts zuzuordnen sind, sondern vielmehr um eine selbstbestimmte, aktive, weibliche Rückeroberung der Natur.

Der eigene nackte Körper zwischen Bettzeug, Wald, Wolken oder Wellen spiegelt Chkoutovas jeweilige Gefühlslage wider. Die Bettdecke, die an die Vulva erinnert, Körperteile, die zwischen Baumstämmen zu schweben scheinen und sexuelle Gewalt anzudeuten scheinen, oder der schwimmende Körper, der die Angst hinter sich lässt und lebendige Weiblichkeit und Stärke signalisiert, sind nur einige der Assoziationen, die sich für den Betrachter ergeben. „Ich habe mich lange mit schwierigen Themen befasst, aber erst dank einer Ausstellung, der ebenfalls autobiografisch arbeitenden englischen Künstlerin Tracey Emin, Mut gefasst, in ganzer Konsequenz zu meinem Werk zu stehen.“

Inspiration für ihre Kunst kommt aber auch von großen Vorbildern wie Leonardo da Vinci dessen „Dame mit dem Hermelin“ Sevda Chkoutova fasziniert, wie von den Radierungen der Alten Meister Rembrandt oder Goya, aber auch von Auguste Renoir wegen seines meisterhaften Umgangs mit Licht und Schatten.

„Sevda Chkoutova - Natur.Weiblich“, Museum Angerlehner, Thalheim bei Wels, 2021, Foto: Reinhard Muxel

Die langwierige Arbeit des Schraffierens, die vielen Schichten, die in kleinteiligster Weise auf das Papier oder auf großflächigen Wänden angebracht werden, das Radieren, um Körperlichkeit zu schaffen und die Zeichnung räumlich zu erweitern, all das „funktioniert so, wie Malerei“ empfindet die Künstlerin. „Ich habe auf der Akademie nur gemalt“ erzählt sie, „bevor ich durch Zufall 2001 die Liebe zur Zeichnung entdeckt habe.“ Mit der Zeichnung gelingt es Chkoutova nicht nur mit der dem Medium immantentn Ästhetik zu spielen, sondern auch Themen anzureißen, Idylle zu schaffen, um sie dann doch durch Eingriffe wieder zu zerstören.

Oft ist es der Versuch, Schreckliches auszudrücken und es dennoch in ein schönes Korsett zu verpacken.

Sevda Chkoutova

 

„Sevda Chkoutova - Lust“, Galerie Chobot, Wien, 2019, Foto: Reinhard Muxel

Nicht zuletzt ist es die Farbe Rosa, die Sevda Chkoutovas Arbeiten auf Papier, auf Latex oder an Wänden prägen. Eine Farbe, die ihr ursprünglich hässlich vorkam, die für sie auch ein Sinnbild für Dummheit und Naivität darstellte, inzwischen jedoch zu einem probaten Mittel, wurde, Unangenehmes erst auf den zweiten Blick als solches erkennen zu lassen.

Seit nunmehr 20 Jahren zeichnet die inzwischen international renommierte Künstlerin, unter anderem auch um die eigene Geschichte zu überwinden. Mit ihrem Zeichentrickfilm, der gerade im Fertigwerden ist und deren Erzählung in einem fröhlichen Tanz endet, gelingt ihr die „Rückeroberung weiblicher Lust und Körperlichkeit,“ wie die Kunsthistorikerin Sabine Fellner in einem Text zur Ausstellung schreibt.

Museum Angerlehner

Ascheter Straße 54, 4600 Thalheim bei Wels
Österreich

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