Unteres Belvedere

Dalí – Freud. Eine Obsession

Die fantastisch-surrealen Bildwelten von Salvador Dalí sind ohne die Theorien von Sigmund Freud nicht vorstellbar. Der junge Katalane ersehnt sich ein Treffen mit dem berühmten Psychoanalytiker, kommt deswegen mehrmals nach Wien. Doch erst in Freuds Londoner Exil – und nur ein Jahr vor dessen Tod – kommt es zur persönlichen Begegnung.


„Während ich den Hof des Hauses, in dem der greise Professor wohnte, durchquerte, erblickte ich ein gegen die Mauer gelehntes Fahrrad, und auf dem Sattel lag, an einer Schnur befestigt, eine rote Gummi-Wärmflasche, die offenbar mit Wasser gefüllt war, und auf dem Rücken der Wärmflasche spazierte eine Schnecke! Dies Ensemble im Hof von Freuds Haus schien seltsam und unerklärlich … Entgegen meiner Hoffnung sprachen wir wenig, aber wir verschlangen einander mit den Augen“, erinnert sich der exzentrische Künstler an das Treffen am 19. Juli 1938.

Seit Mitte der 1920er-Jahre setzt sich Dalí mit surrealistischen Theorien und der Traumdeutung Freuds auseinander, dessen Schriften zu dieser Zeit auf Spanisch erscheinen. Im Surrealismus werden unterbewusste Vorgänge, Träume und Fantasien ohne der Zwischeninstanz des Bewusstseins – quasi „automatisch“ – künstlerisch umgesetzt. Nach dem ersten surrealistischen Film „Un Chien Andalou“ mit Luis Buñuel schließt sich Dalí 1929 der Gruppe um André Breton in Paris an. Aus Freuds Erkenntnissen entwickelt der Künstler die „paranoia-kritische Methode“, die er für die Erstellung von Gemälden anwendet, die optische Täuschungen und mehrfach lesbare Vexierbilder enthalten.

Es wäre in der Tat sehr interessant, die Entstehung eines solchen Bildes analytisch zu erforschen.

Sigmund Freud

Salvador Dalí, Remorse. Sphinx Embedded in the Sand (Reue. Sphinx im Sand begraben), 1931, Eli and Edythe Broad Art Museum, Michigan State University © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Anhand des Gemäldes „Metamorphose des Narziss“ möchte Dalí Freud seine Methode vorstellen und hofft auf die Anerkennung durch den 48 Jahre älteren Psychoanalytiker. Dieser zeigt sich reserviert, er hält bis dato nichts von den Surrealisten. Doch später konstatiert er: „Es wäre in der Tat sehr interessant, die Entstehung eines solchen Bildes analytisch zu erforschen.“

Salvador Dalí, Studie zu „Metamorphose des Narziss“, um 1937 © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Salvador Dalí, Gradiva retrouve les ruines anthropomorphes (fantaisie rétrospective) (Gradiva entdeckt die anthropomorphen Ruinen [Retrospektive Fantasie] ), um 1931/32, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Salvador Dalí, Edward James, The Lobster Telephone, 1938, West Dean College of Arts and Conservation © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Salvador Dalí, Edward James, Cat’s Cradle Hands Chair, 1938, West Dean College of Arts and Conservation © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Salvador Dalí, Cisnes reflejando elefantes (Schwäne spiegeln Elefanten wider), 1937, Esther Grether Familiensammlung © Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022 / Foto: Robert Bayer, Bildpunkt

100 Werke, von Dalís futuristischen und kubistischen Anfängen zu seinen herausragenden frühen surrealistischen Arbeitenbis 1938, Skulpturen (das berühmte Hummer-Telefon), Fotografien, Filme und andere Dokumente laden im Belvedere dazu ein, Salvador Dalí von einer neuen Seite zu entdecken. Die Auswahl der Bilder und Zeichnungen veranschaulicht eine tiefe Auseinandersetzung des Künstlers mit den Schriften Sigmund Freuds.

Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Artikel finden Sie im PARNASS 01/22.

Unteres Belvedere, Orangerie

Rennweg 6, 1030 Wien
Österreich

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