Albertina Museum

AVANTGARDIST, BOHÉMIEN, ARTISTE MAUDIT: AMEDEO MODIGLIANI Revolution des Primitivismus

100 Jahre nach einem Leben in bitterster Armut in der Pariser Bohème und einem tragisch frühen Tod im Alter von nur 35 Jahren ist Amedeo Modigliani heute ein Liebling der Fälscher, erzielen doch seine Werke auf dem Kunstmarkt Spitzenpreise. Sein künstlerisches Vermächtnis wird nun erstmals in Österreich in der Wiener Albertina gewürdigt.


Selten ist die Legende vom verkannten Genie, dessen Leben von Armut und Krankheit, aber auch von Lebenslust und freier Liebe, Alkohol und Drogen gezeichnet ist und dessen geniales Werk erst Generationen später erkannt und geschätzt wird, so nah an der Realität wie im Fall von Amedeo Modigliani. Das größte Verdienst der opulenten, vom französischen Modigliani-Experten Marc Restellini klug und mit großem Wissen konzipierten Ausstellung, die die Albertina – pandemiebedingt mit einjähriger Verspätung – zu Modiglianis 100. Todestag präsentiert, liegt darin, den Künstler aus dieser tragisch-romantischen Aura des „artiste maudit“ zu lösen und sein Werk analytisch in den Mittelpunkt zu stellen. Denn seine Rolle in der Pariser Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist jener seiner Zeitgenossen, Mitstreiter und Rivalen Picasso, Derain oder Brancusi durchaus ebenbürtig.

Diese Künstler begeisterten sich für die griechisch-archaischen, afrikanischen, ostasiatischen und ozeanischen Exponate, die um 1900 im Ethnografischen Museum im Palais du Trocadéro präsentiert wurden, auf den so beliebten Weltausstellungen und im Musée du Louvre zu sehen waren. Doch die Künstler, so Kurator Marc Restellini, begegneten den Artefakten weder mit der Herablassung der Kolonialherren noch mit der Sensationslust der Masse:

Künstler wie Modigliani oder Picasso haben die Objekte nicht in diesem Verhältnis von Über- und Unterlegenheit betrachtet, sondern als Werke gleichwertiger Künstler quasi auf Augenhöhe.

Der 1884 in Livorno geborene Amedeo Modigliani hatte in Florenz, Rom und Venedig Malerei studiert, bevor er 1906 nach Paris kam. „Paris war zu dieser Zeit ‚the place to be‘“, erklärt Marc Restellini. „Es gab Salons, Akademien, Ateliers, Galerien, der Kunstmarkt entwickelte sich. Trotz großer Armut, sozialer Spannungen und miserabler Wohnungen hatte Paris das Image als Zentrum von Kunst und Wissenschaft und übte eine ungeheure Anziehungskraft auf Künstler aus ganz Europa aus.“ Modigliani arbeitete zunächst als Bildhauer, wechselte aber aufgrund seiner Tuberkulose bald wieder zur Malerei. Zu den Vorbildern aus der italienischen Renaissance kamen die Inspirationen von fremden Kontinenten und führten ihn zu seinem unverkennbaren Malstil mit den mandelförmigen, oft geschlossenen „toten“ Augen, den überlangen Hälsen und schmalen Köpfen, jenem „Primitivismus“, dessen Durchbruch Restellini in der Schau demonstriert.

Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/2021.

Paul Guillaume, Modigliani in seinem Atelier, 1915, Musée de l’Orangerie, Paris, RMN – Grand Palais, Foto: Archives Jean Bouret

 

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Österreich

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