11. bis 13. September 2020

ZURICH ART WEEKEND

Bereits zum dritten Mal fand vergangenes Wochenende das 2018 gegründete ZURICH ART WEEKEND statt, an dem Zürcher Galerien, öffentliche und private Institutionen und Off-Spaces sich mit ihren Ausstellungen und Programmen präsentieren. Gemeinsam öffnen sie ihre Räume und laden Sammler, Kuratoren, Künstler und Art Lovers ein, ein Kunstwochenende in Zürich zu erleben.


Traditionell findet das ZURICH ART WEEKEND Anfang Juni am Wochenende vor der Art Basel statt, coronabedingt wurde es in den Herbst verschoben und musste den Termin mit dem Gallery Weekend Berlin und dem Münchner Galeriefestival Various Others teilen. Doch das tat weder dem Programm noch der Präsenz internationaler Künstler einen Abbruch, wenngleich man davon ausgehen kann, dass viele Kuratoren, oder Kunstinteressierte aus dem globalen Kunsttross, die sonst nach Zürich gekommen wären, nach Berlin fuhren. Doch sie haben mit Sicherheit etwas verpasst. Trotz der Einschränkungen durch COVID-19 wurde ein ambitioniertes Programm an internationaler Kunst in den Galerien und Museen gezeigt. Talks mit internationalen Künstlern, wie etwa mit Laurie Anderson oder Mira Schor bei Galerie Fabian Lang wurden kurzerhand online durchgeführt.

Beeindruckend und inhaltlich dicht war das Gespräch mit dem anwesenden französisch-algerischen Künstler Kader Attia mit der Kuratorin Mirjam Varadinis im Kunsthaus Zürich aus Anlass seiner im Museum aktuell laufenden – absolut sehenswerten – Ausstellung „Remembering the Future“ (eine Besprechung der Ausstellung lesen sie im aktuellen PARNASS Magazin). Aktuell wurde an diesem Wochenende auch die Statue „Janus“ von Kader Attia als permanente Arbeit auf der Säule neben Rodins Höllentor aufgestellt. Im vom Heimo Zobernig gestalteten "Schwarzescafé / Luma-Westbau" fand im Rahmen der Art & Science Talks ein interessantes Gespräch mit dem australischen Wissenschaftler Nick Halmagyi, der aus Paris kam und der heute in Zürich lebenden britischen Künstler Leila Peacock statt, moderiert von Adam Jasper. Obwohl zum Thema Art & Science hätte man sich eine Künstlerrunde gewünscht, die mehr mit dem Thema arbeitet als Peacock, deren künstlerische Praxis mit der Literatur verbunden ist.

Statue "Janus", Kader Attia, Foto: PARNASS

Löwenbräu

In den Galerieausstellungen des Kunstareals Löwenbräu sind vor allem jene von Hauser & Wirth sowie der Galerieplattform „High Ceiling“ zu nennen. Hauser & Wirth zeigt farbenfrohe US-amerikanische Malerei. In den Räumen im Erdgeschoß „Flowers, Windows and Thistles“ von Matthew Day Jackson und im 1. Stock Rita Ackermanns Ausstellung „Mama´20“. Die in 1968 in Budapest geborene Künstlerin, lebt und arbeitet in New York. In der Galerie ist mit ihren aktuellen Arbeiten vertreten, die ihre Serie "Mama´20" weiterführt, bestehend aus automatischen Zeichnungen und Malerei. Einmal verbindet sie auf der Leinwand figurative Zeichnung mit abstrakter, gestischer und extrem farbstarker Malerei. Es ist ein Oszillieren zwischen der verletzlichen Figur und der kraftvollen Malerei, die Ackermann über die gezeichneten Körper legt und diese dadurch nahezu wieder zum Verschwinden bringt. Beide Ausstellungen sind noch bis 18. Dezember 2020 zu sehen.

Hauser & Wirth, Ausstellungsansicht: Rita Ackermann „Mama´20“. Foto: PARNASS

Weit kürzer läuft die Schau von Brigham Baker – „Relationships“ bei annex 14. Der Künstler, 1989 in Californien geboren, lebt heute in Zürich, wo er auch studierte. Die Beobachtung der Natur, die Diversität der vielen Mikrosysteme ist sein Thema oder wie in der Ausstellung der Galerie der Zaun zu seinem Nachbarn, der „dessen Kaninchen schützt und das Gras wachsen lässt“, so die Kuratorin Kristina Grigorjeva in ihrem Essay zur Ausstellung . Sein Nachbar trägt, so Grigorjeva weiter, bei der Gartenarbeit stets ein altes „aber korrektes Arbeits-T-Shirt der Stadt Zürich Entsorgung und Recycling.“ Eines Tages jedoch ist der Zaun weg und sein Nachbar hat ein neues T-Shirt. (Ausstellung noch bis 17. Oktober) annex 14 ist Teil der Galerieplattform „High Ceiling“, die von Barbara Seiler als Reaktion auf den sich veränderten Zürcher Kunstmarkt gegründet wurde. Es ist ein Galerie-Sharing Modell, wo sich fünf Galerien die Räume teilen, darunter eben annex 14 und die brasilianische Galerie Kogan Amaro, die 2019 hier ihre Zürich-Depandance gründete. Ksenia Kogan Amaro und Marcos Amaro zeigen in Zürich vorwiegend brasilianische Gegenwartskunst, aktuell die in São Paulo lebende Künstlerin Marcia Pastore (*1964) mit einer raumfüllenden Installation. Bespielt werden die Galerieräume turnusartig, zum Galerieweekend wird eine Verschränkung mit Arbeiten aus mehreren Galerien (Barbara Seiler, Kogan Amaro und annex 14) gezeigt. Ein interessantes Modell. Was Sie im Löwenbräu auf keinen Fall verpassen sollten ist die Ausstellung „Potential Worlds 1. Planetary Memories“ im Migros Museum für Gegenwartskunst die noch bis 11. Oktober läuft und mit „Potential Worlds II“ eine Fortsetzung erhält. Die Werke in der prominent und international besetzte Gruppenausstellung zeigen auf poetische, formal ästhetisch und zugleich erschreckender Weise die verschiedenen Formen der Aneignung von Umwelt zur Gewinnung von Macht und Ressourcen und auch die Folgen für die Natur und die Gesellschaft. Die begleitende Publikation ist ebenso zu empfehlen.


Ugo Rondinone bei Eva Presenhuber

Das Raumerlebnis ist beeindruckend. Rondinone stellt seine „nuns + munks“ raumfüllend in den großen White Cube der Galerie. Dieser ist Grau ausgemalt und setzt die bunten monumentalen Bronze-Figuren umso mehr in Szene. Es sind, so Rondinone, Spiegelungen „vom inneren Selbst“ in die Außenwelt. So wie unser Blick auf die Welt unweigerlich von der Beschaffenheit unserer individuellen Perspektive geprägt ist, ermöglich die Ausstellung den Wechsel zwischen den verschiedenen Bedeutungsebenen.“ Die Bronzeskulpturen referieren in ihrer Form auf große Steine, Felsbrocken, die im Werk von Rondinone einwiederkehrendes Material und Symbol sind, wie der Baum, den er als weiß bemaltes Objekt auf den Zürcher Paradeplatz stellte. Die Skulpturen schreiben auf eindrückliche Weise eine Erzählung fort, die der Künstler 1988 mit dem AIDS-Tod seines Freundes begann. In der Natur fand er eine „spirituelle Leitplanke für Trost“. Man muss den Raum durchwandern – wenn möglich einen ruhigen Augenblick in der Galerie erwischen und eintauchen in die Gedankenwelt des Künstlers, und in eine singuläre Atmosphäre, die er uns – den Betrachtern – schenkt.

Ugo Rondinone: „nuns + monks, Galerie Eva Presenhuber, Maag Areal, Zahnradstrasse, Ausstellungsansicht Foto: PARNASS

Ugo Rondinone: „nuns + monks, Galerie Eva Presenhuber, Maag Areal, Zahnradstrasse, Ausstellungsansicht Foto: PARNASS


Galerien rund um das Kunsthaus Zürich

Ein Durchgang durch die Galerien an der Rämistrasse lohnt. Mai 36 zeigt eine sehenswerte Einzelausstellung des US-Amerikaners Matt Mullican mit Werken aus rund 50 Jahren. Galerie Lange + Pult zeigt in der Gruppenausstellung „Panorama“ Beispiele der Schweizer abstrakten Kunst mit Werken, die sich alle auf ein geometrisches Vokabular beziehen, darunter Arbeiten von John M. Armleder, Philippe Decrauzat, Sylvie Fleury, Mai-Thu Perret. Die rund 17 Künstler sind nicht nur aus verschiedenen Generationen, sondern arbeiten auch sehr individuell mit Geometrie und Abstraktion. Eva Presenhuber zeigt in ihren Galerieräumen in der Rämistrasse Zeichnungen und zwei Gemälde der in New York lebenden Shara Hughes – eine Ausstellung mit dem Titel „Day By Day By Day“. Der Fokus liegt auf den Papierarbeiten, die ähnlich als in den drei Geschoßen der Galerie als Reihen gehängt sind und Hughes Konzept der „psychological und invented landscapes“ zeigen – erfundene, farbenfrohe Landschaften die ein wenig an die Werke der frühen Fauves erinnern und in denen die Künstlerin Stimmungen, Emotionen und Gedanken reflektiert. An den Oberen Zäunen hinter dem Kunsthaus Zürich befindet sich die Galerie Fabian Lang. Der Galerist zeigt die erste Einzelausstellung der US-amerikanischen Künstlerin und Schriftstellerin Mira Schor außerhalb der USA. Im Grazer Kunsthaus sind noch bis 20. September Arbeiten der Künstlerin in Ausstellung „Die frühen Jahre des CalArts“ zu sehen. Mit der Auswahl von früheren und aktuellen Arbeiten gelingt es Fabian Lang einen guten Einblick in das Werk der Künstlerin zu geben.


Institutionelle Ausstellung beim ZURICH ART WEEKEND

Neben der bereits erwähnten Ausstellungen „Potential World 1“ im Migros Museum und „Kader Attia. Remembering the Future“ im Kunsthaus Zürich empfehlen wir einen Besuch der Schau „Sehnsucht Natur. Sprechende Landschaften in der Kunst Chinas“ im Museum Rietberg. Die Ausstellung im Museum Rietberg läuft noch bis 17. Jänner 2021 und zeigt Landschaftsdarstellung aus China aus sechs Jahrhunderten was auch Gegenwartskunst miteinschließt. Die Kuratorinnen Kim Karlsson und Alexandra von Przychowski befragen und erklären in der Ausstellung die Bedeutung von Berge und Gewässer, Wälder und Wolken, die seit mehr als 1000 Jahren als symbolträchtige Motive im Zentrum der chinesischen Landschaftsdarstellung stehen. Dabei geht es nie um die eine Wiedergabe der Realität, sondern um die visuelle Umsetzung von philosophischen Gedanken, politischen Gegebenheiten und um die Sehnsucht nach der erstrebenswerten Verbindung von Mensch und Natur. Zum ersten Mal stellt eine Ausstellung historische Meisterwerke Landschaftsdarstellungen international bekannter Künstlerinnen und Künstler der Moderne und Gegenwart direkt gegenüber. Dieser Dialog offenbart unerwartete Verbindungen, aber auch spannende Konflikte und Brüche. Es ist ratsam eine Führung zu buchen, um Einblicke in die Bedeutungswelt der komplexen Bilder zu erhalten.

Liang Shaoji, „Broken Landscape“, 2016, rohe Seide, Kokons, Überreste und Exkret von Seidenraupen, im Hintergrund: Pan Jian, „Solitude in the Garden of Darkness“, 2001, Ausstellungsansicht „Sehnsucht Natur – Sprechende Landschaften in der Kunst Chinas“, Foto: PARNASS

Zürich Art Weekend

Hohlstrasse 400, 8040 Zürich
Österreich

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