Up&Coming

Wo liegt das Politische in Wiens junger Kunst?

Offensichtlich sind politische Themen innerhalb der jungen Wiener Kunst nicht immer, oft eher als subtile und vielfältige Kritik zu verstehen. Eine „Awareness“ wird in der Stadt beobachtet, die auch in der Selbstorganisation von Diskursorten sichtbar wird. Wir haben uns in der Szene umgehört und stellen vier Positionen vor.


Julius Pristauz

In einem akademischen Haushalt in Graz aufgewachsen, ging Julius Pristauz (*1998) nach Wien und begann auf der Universität für angewandte Kunst Transmediale Kunst bei Brigitte Kowanz zu studieren. Nächstes Jahr möchte er sein Diplom abschließen, und noch den Start der neuen Professorin Jakob Lena Knebl abwarten. Pristauz ist Kurator, Künstler und Autor und bekannt für seine Performances, bei denen er oft in High Heels und Kostüm auftritt. Er fordert sein Publikum heraus und spielt mit Sprache, Rollenklischees und Genderidentitäten. Erst kürzlich kuratierte er die Gruppenschau „Von Fliegenfallen und Wiener Freiheit“ in der Universitätsgalerie Heiligenkreuzer Hof, in der es um queer-feministische Fragestellungen ging und er Werke von Melanie Ebenhoch bis Oskar Kokoschka versammelte. Bei der Performance „Wer bin ich?“, im Kunstverein Ve.sch im Sommer 2021 wurden anhand weniger Fragen, Identitäten bestimmt. 

Julius Pristauz, Stairwell, Performance, 2021, Queer Body Against___(kuratiert von Victoria Dejaco und Julia Frank), Vienna Art Week, Fluc, Foto: Leonard Prochazka


Xenia Lesniewski

Die Arbeiten von Xenia Lesniewski (*1985) machen Spaß, auch wenn nicht immer gleich klar ist, was sie da macht. Die aus Frankfurt am Main stammende Künstlerin arbeitet multidisziplinär und an der Schnittstelle von Leben und Kunst. So entstehen ihre oft performativen und provozierenden Werke nicht nur aus dem Alltag heraus, sondern spielen sich auch oft dort ab. In ihrer Foto-Serie „Build to perform“ macht sie Selbstporträts auf geparkten Autos, um auf gesellschaftliche Machtverhältnisse aufmerksam zu machen. Zugleich spielt und bricht die intersektional-feministisch agierende Künstlerin mit dem Frauenbild des Pin-ups. Dieser erweiterte Kunstbegriff beinhaltet vielschichtige Kritik und macht ihre Person zum Medium. So nahm sie auch an dem Reality-TV-Format „Bauer sucht Frau“ teil und spielte sich als Künstlerin selbst. 

Xenia Lesniewski, Autogenes Training - Besser als Fondue, Poster 60 x 84 cm, 2021, Foto: Simon Veres 2021


Matthias Noggler

In älteren Werk-Serien von Matthias Noggler (*1990) treffen Figuren als individualistische Subjekte in Kollektiven zusammen, bei seinen neuen Arbeiten tritt die Farbe als Handlungsträger sowie als strukturierendes Bildelement in den Vordergrund. Den in Innsbruck geborenen Künstler interessieren kulturhistorischen Funktionsweisen gemalter Bilder, die er mithilfe diverser Malweisen und popkultureller Zitate zu Collagen verdichtet. Darin lässt er seine Figuren auftreten, die Subkulturen zuzuordnen, jedoch nicht klar lesbar sind. Oft treffen sie sich in der Dunkelheit, an alltäglichen Orten, überlagern sich oder bleiben für sich – die Bilder durchzieht ein Gefühl von Anspannung und Lethargie. Eindeutige Gesellschaftskritik interessiert den Künstler aber nicht, der seit 2018 von der Galerie Layr vertreten wird und dort im Herbst ausstellt. Viel eher überlässt er die Interpretation den Betrachtenden. Diese können subtile gesellschaftliche Strukturen beobachten, die drohen ins Surreale zu kippen. 

Matthias Noggler, Small Hours, 2021, Gouache and pencil on paper, 74,5 x 90 cm, Courtesy of the artist and LAYR, ViennaMatthias Noggler, Small Hours, 2021, Gouache and pencil on paper, 74,5 x 90 cm, Courtesy of the artist and LAYR, Vienna


Julia Frank

Die sieben lebendigen Hennen, die Julia Frank (*1988) diesen Mai in ihre Ausstellung „Revier“ in den feministischen Hackerspace „Mz* Baltazar’s Laboratory“ holte, wurden zur Attraktion im 20. Wiener Gemeindebezirk – von Euphorie bis Kritik kamen alle Reaktionen. Durch das Schaufenster konnte man von der Straße in den Ausstellungsraum blicken, den die aus Südtirol stammende Künstlerin zu einem Hühnerstall umfunktionierte. Dabei nützte Frank eines der ältesten Nutztiere, um auf die Fleischindustrie, aber auch feministische sowie koloniale Kontexte aufmerksam zu machen. Eine Strategie, die sich durch das Werk der Künstlerin zieht, die in Carrara und London studiert hat und vorwiegend performativ sowie installativ arbeitet. Bei der Video-Performance „Body Surface Area: London“ schliff sie eine leere Leinwand von Battersea nach Kensington, um das hierarchische Gefälle der britischen Metropole aufmerksam zu machen und auch einzufangen. „Es geht immer um Konfrontation in meinen Arbeiten“, sagt Frank.

Julia Frank, Ausstellungsansicht REVIER Mz* Baltazar´s Lab, 2021, Foto: by the artist


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