Farbenfrohes für Bonvivants

40. Ausgabe der Art Brussels

Art Brussels 2024, Foto: David Plas

Die Art Brussels ist betagter als der 40er denken lässt: Da sie nach ihrer Gründung 1968 zuerst im Zweijahresrhythmus organisiert wurde, ist sie die zweitälteste zeitgenössische Kunstmesse Europas. Sie zelebrierte ihre Jubiläumsausgabe in betont jugendlicher Frische: Noch vor einer möglichen Midlifecrisis?


Farbenfrohes für Bonvivants

Das Selbstbewusstsein stimmt. Seit Jahrzehnten eilt der Kunstmesse Art Brussels der Ruf voraus, dass Finanzkraft und Kauflust der belgischen Sammlerschaft jede Ausgabe der zeitgenössichen Kunstmesse automatisch zum Erfolg werden lässt. Diesen Hintergrund unterstrich auch die Leiterin der Messe, Nele Verhaeren, in Gesprächen:

Die Belgier sind Bonvivants – sowohl beim kulinarischen Genuss als auch bei der Kunst!

Nele Verhaeren

Und die Möglichkeiten, in aktuelle Kunst zu investieren, waren mannigfaltig: 177 nationale wie internationale Galerien aus 30 Ländern waren gelistet.

Art Brussels 2024, Ron Mandos, Plus One, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Ron Mandos, Plus One, Foto: David Plas

Hinzu kamen kuratierte Sektoren wie »Rediscovery«, »Discovery« und »Invited«. Dass sich heuer unter dem Publikum kaum internationale Sammlerinnen und Sammler befunden haben, wird geflissentlich übergangen oder mit der Bemerkung, wie es ein deutscher Galerist formulierte, »das Rheinland ist nach Berlin gefahren« (Anmerkung: zeitgleich fand das Galerienwochenende in Berlin statt) begründet.

Wirtschaftliche Katastrophe?

Wobei die Organisatoren der Art Brussels derzeit die Gefahren einer wirtschaftlichen Katastrophe nicht so sehr im Nichtkommen internationaler Sammlerinnen und Sammler sehen, sondern in der Initiative der belgischen Regierung, den derzeit gültigen Mehrwersteuersatz auf Kunst von sechs Prozent mit Anfang des Jahres 2025 auf massive 21 Prozent zu erhöhen.

Dieser Plan würde nicht nur das Gefüge der Messe erheblich unterminieren, sondern auch den »Kunststandort« Brüssel in Gefahr bringen: Denn in den vergangenen Jahren waren aufgrund der günstigen Steuersätze ein kontinuierlicher Zuzug und Neueröffnungen von Galerien in die/der EU-Metropole zu beobachten – Galerien wie Gladstone, Mendes Wood oder Dvir ließen sich hier nieder; »Sorry we’re closed« oder Nicolas Schaffhausens, ehemliger Direktor der Kunsthalle Wien, Galerie »KIN« eröffneten neu.

Wenn die belgische Regierung tatsächlich diese Initiavtive in Gesetzesform gießt, sieht es für den Standort wirklich nicht gut aus. Denn im nahen Paris oder in Luxemburg wurden die Kunstkaufsteuersätze kürzlich auf sieben, respektive 5,5 Prozent reduziert. Daher wurde jede Besucherin, jeder Besucher der Kunstmesse aufgefordert, eine Petition dagegen zu unterschreiben. Ein fast zynisches Unterfangen, wenn bedacht wird, dass seit Jahrzehnten eben in Brüssel darüber diskutiert wird, endlich einen EU-weiten Steuersatz für Kunst zu beschließen, um dem gegenseitigen Kanibalisieren der Kunstszenen Einhalt zu gebieten.

Art Brussels 2024, Sorry We're Closed, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Sorry We're Closed, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Templon, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Templon, Foto: David Plas

Aber zurück zur Jubiläumsausgabe der Art Brussels: Die Messe hat die zentrale Ausstellungslocation »Tour & Taxis« aufgegeben und ist auf das Expo-Gelände gezogen. Damit haben sie den Anspruch auf eine kleine, feine, aber auch teurere Boutique-Messe aufgegeben. Ein Umzug, den weder die innerstädtischen Galerien, die sich nicht mehr in das Besucherprogramm integriert fanden, noch internationale Galerien, die um die Qualitätsansprüche der Aussteller fürchteten, goutierten. Wie es eine Direktorin einer österreichischen Galerie, die jahrelang bei der Art Brussels vertreten war, im Gespräch mit PARNASS erläuterte: 

Die riesigen Messehallen müssen erst einmal gefüllt werden. Und da kommen dann hauptsächlich Galerien aus der Region zum Zug – und darunter leidet die Gesamtqualität!

Art Brussels 2024, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Foto: David Plas

Nitsch kann international nicht überzeugen

Mal sehen, ob ein Rundgang über die Messe die Befürchtungen der Galeristin bestätigen kann. Als nachhaltiger Eindruck bleibt mit Sicherheit die malerischen Explosionen der Farben – zwischen farbig abstrakt und farbenfroh changierend zwischen Figuration, die ins Abstrakte gleitet. Als gutes Beispiel sei an dieser Stelle Hermann Nitsch genannt. Bei zwei Galerien (Maruani Mercier, Brüssel und RX&SLAG, Paris / New York) war der österreichische Altmeister mit poppig-großformatigen Fingerfarbmalereien vertreten (jeweils 155.000 Euro). In solchen Fällen verstärkt sich der Eindruck, dass es noch lange dauern wird, internationale Galerien und Kunsthändler von den tatsächlichen künstlerischen Qualitäten im Œuvre des österreichischen Künstlers zu überzeugen. Zumindest waren bei RX&SLAG interessante Ölkreidezeichnungen von ihm zu sehen (6300 Euro).

Fons Welters hat den Drive der Eröffnung der Venedig Biennale ausgenutzt und malerisch-vielschichtige Arbeiten von Evelyn Taocheng Wang, die in der Hauptausstellung »Strangers Everywhere« prominent vertreten ist, verkauft (55.000 Euro). Bei der De Brock Gallery aus Knokke wurde eine Arbeit von Austin Eddy, der letztlich in der Galerie Presenhuber in Wien zu sehen war, sofort nach der Eröffnung verkauft (20.000 Euro). Bald in Wien zu sehen, sind neue Arbeiten von Eva Beresin (Einzelausstellung »Thick Air« ab 1. Mai in der Albertina). Auf der Art Brussels wurden Leinwände von ihr am Stand der Galerie Ruttkowski;68 angefragt (22.000 Euro).

Ein spannendes Experiment präsentiert der Künstler Jacco Olivier am Stand von Ron Mandos: Er hat kleinformatige Leinwände forografiert und in ein rafiniertes Kurzvideo verwandelt. Die abgelichteten Werke verstaut der Künstler in einem Archiv. Mutiger wäre es, wenn er sie vernichten und rein auf das Video setzen würde (20.000 Euro, Auflage 6).

Eva Beresin, Under My Skin, 2022, Acryl auf Leinwand, ALBERTINA Wien – Erwerbung aus Mitteln der Galerienförderung des BMKÖS 2022 © Eva Beresin, Foto: Peter M. Mayr

Eva Beresin, Under My Skin, 2022, Acryl auf Leinwand, ALBERTINA Wien – Erwerbung aus Mitteln der Galerienförderung des BMKÖS 2022 © Eva Beresin, Foto: Peter M. Mayr

Zwischen Anspruchsvoll und Kitsch

Wer abseits der Malerei Anspruchsvolles sehen wollte, wurde am Stand der portugiesischen Galerie von Vera Cortes fündig. Die wunderbar-filigranen Installationen zwischen Keramik, Fotografien, Collagen und Malerei von Susanne Themlitz wurden ziwschen 5500 und 7000 Euro angeboten; oder die Kleinstformate von Marcel Miracle bei Mangin-A aus Paris: Die Collagen aus Abfällen, die der Künstler bei seinen Wanderungen durch die Wüste gefunden hat, überzeugen durch ihre Stille, Ironie und Poetik (800 bis 1600 Euro). Extrem beeindruckend war auch die reduzierte, dunkel-aquarellige Werkserie von Radenko Milak bei Ani Molnar aus Budapest (3400 bis 40.000 Euro).

Die Galerie VIN VIN aus Wien/Neapel von Vincenzo della Corte konnte einem etwas leid tun: Die großartige, konzeptiv-reduzierte Präsentation des im Jahr 2022 verstorbenen amerikanischen Künstlers Lewis Stein (Arbeiten zwischen 5000 und 30.000 Euro) wurde in der Sektion »Rediscovery« gezeigt. Leider waren die Werke der soignierten Kunsthändler-Nachbarn des Galeristen teilweise im kitischig-oberflächlichen Kunsthandwerk verortet und der Weg zu della Corte wurde zu einem qualitativen Spießrutenlauf.

Art Brussels 2024, Rediscovery, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Rediscovery, Foto: David Plas

Die kommenden Ausgaben der Art Brussels werden zeigen, ob die Kunstmesse doch eine »Midlife Crisis« durchlaufen muss.

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