Kunsthaus Graz

"Wir können hier noch viel tun": Nachgefragt bei Katrin Bucher-Trantow

Exakt vor 20 Jahren, als Graz unter dem Titel „Graz darf alles“ die Kulturhauptstadt Europas war, wurde das Kunsthaus Graz aus der Taufe gehoben. Der vom Architekten-Duo Colin Fournier & Peter Cook geplante-, und seit seiner „Landung“ liebevoll als „Friendly Alien“ bezeichnete Bau ist längst zum architektonischen Wahrzeichen der Stadt geworden. Im Inneren konnte man im Laufe der beiden Jahrzehnte unzählige Ausstellungen internationaler zeitgenössischer Kunst sehen.


PARNASS hat bei Chefkuratorin Katrin Bucher-Trantow nachgefragt, was sie bewogen hat, nach der Bestellung von Andreja Hribernik als Direktorin im Jänner des heurigen Jahres und Mutmaßungen, sie könnte enttäuscht gehen, dennoch in Graz zu bleiben.

Katrin Bucher-Trantow: „Graz kann alles“ hieß es – das fand ich nicht immer – aber in letzter Zeit kann es immer wieder einiges, auch Kooperation wird wieder besser möglich. Das haben wir letztes Jahr mehrfach bewiesen. Meine Kinder und mein Mann leben hier und ich kann in einem der spannendsten Häuser Österreichs, das ist das Kunsthaus für mich, tätig sein. Grünes Museum, Podium für gesellschaftsrelevante Themen auf internationalem Niveau und Lust auf wirklich gute Einzel- und Gruppenausstellungen scheine ich mit meiner neuen Direktorin zu teilen. Und das ist im Moment der Grund, warum ich es spannend finde, das Programm für das Jubiläumsjahr und darüber hinaus gemeinsam zu erarbeiten. Mir scheint, wir können hier noch viel tun. Offener und relevanter werden und die Kunst wirklich als Instrument für Weltverständigung nützen. Das Museum als anderer und solidarischer Ort, das ist das Ziel, das ich hier gerne in einem tollen Team erreichen würde. Und das gibt es hier und kann, zusammen mit einer aufmerksamen Kulturpolitik, einiges erreichen, was ich wirklich für eine demokratische Gesellschaft wichtig und relevant finde.

P: Als das Kunsthaus Graz eröffnet wurde hat man sich langsam und bewusst mittels international renommierter Kunst-Positionen dem Gebäude und dessen Eigenheiten genähert. Wie begegnet man dem Bau heute? Welche Ausstellungen haben Spuren hinterlassen?

KBT: Lustig, dass Ihr nach den Spuren fragt. Tatsächlich hat insbesondere eine Arbeit sichtbare Spuren hinterlassen. Sol LeWitts schon 2004 in den Raum gelegte monumentale Wallhat sich als Schattenlinie in den, noch nicht vollständig ausgetrockneten, Beton-Boden des oberen 900m2 Stockwerks geprägt. Der Umstand, dass der wohl bedeutendste Vertreter der Konzeptkunst eine Art Fundaments-Zeichnung hinterlassen hat, wurde in einigen Arbeiten über die Jahre hin immer wieder mit Freude und respektvoller Anerkennung aufgenommen und reflektiert. So hat damals nach einem Gespräch mit mir Constantin Luser die Schattenrisse der einstigen Wall als Quasi-Geister der Vergangenheit in seine phantastische Bodenzeichnung integriert. Oder bei einer anderen, von mir kuratierten Soloschau, echote Michael Kienzers tänzerischer Raumskulptur die geschwungene Linie als heimliches und stilles Gegenüber die Bewegtheit des Raumes. Und genau diese Arbeit spielt für unsere Jubiläumsausstellung, die ich mit Andreja Hribernik im Dialog zwischen den Ausstellungsebenen kuratiere, eine wichtige Rolle. Wir planen sie zu reaktivieren und dabei sowohl der Stellung des Hauses als lokal, sowie international avantgardistisches Haus gerecht zu werden, indem wir verschiedene Künstlerinnen aus der unmittelbaren geografischen Nähe, wie auch internationale Stars als Dialogpartner einladen dieser konzeptionell wie auch inhaltlich wegweisenden Arbeit zu werden. Das Haus hat sich gerade in den letzten beiden Jahren – eines davon habe ich interimistisch geleitet - nach der Pandemie durch ein Programm zwischen brisanten Alltagsthemen wie etwa jenem des Lebens mit dem uns stets umgebenden „Faking the Real“, oder Personalen von Herbert Brandl oder Hito Steyerl bestätigt. Es hat sich wieder etabliert als das, was es ist – eine durch die Form und das Aussehen definierte architektonische Attraktion für ein breites Publikum und gleichzeitig ein avantgardistisches Experimentierfeld für zeitgenössische Kunst auf internationalem Niveau.

Katrin Bucher Trantow © Universalmuseum Joanneum/N.Lackner

 

P: Welche thematischen Felder werden im heurigen Jubiläumsjahr im Kunsthaus Graz im Vordergrund stehen und welche Künstler*innen werden ein Podium bekommen?

KBT: Das Jubiläumsjahr steht vorbereitend bis zum offiziellen Geburtstag im September mit den großen Werkschauen zu Isa Rosenberger, Plamen Dejanoff, Ingrid Wiener und Martin Roth und auch der Gruppenausstellung Body and Territory für einen tiefer gehenden Blick in Schaffensprozesse als kollaborative Praxen über Sparten und über Raum und Zeit hinweg. Was alle diese international wegweisenden Positionen auch eint, ist ein erweiterter Blick auf die Welt - und damit auf die Umwelt mit all ihren akuten Problemen. 

Kunsthaus Graz, Außenansicht, © Christian Plach

 P: Was soll und kann ein Museum wie das Kunsthaus Graz bewegen und bewirken? Was wäre ein Erfolg?

KBT: Gerade in einer Zeit von Umbrüchen und maximalen Verunsicherungen sehe es als wirklich wesentlichen Beitrag als Ausstellungshaus ein Podium für den Austausch von aktuellen Fragen und Ideen zu sein und im Sinne der Bildungsinstitution, als die man uns schon im 19 Jahrhundert erdacht hat, ein „anderer“ Ort von synästhetischen, bzw. Spartenübergreifenden Erfahrungen zu bieten. Die Notwendigkeit von realen Orten des Austausches, ist in den letzten Jahren digital wachsender und KI - gestreamlinter Blasen sogar noch gewachsen. Ich sehe es daher als großen Erfolg, wenn herausragende Künstlerpositionen wie Hito Steyerl oder Monica Bonvicini in unserem Haus das so ein breites Publikum ansprechen, „cutting edge“ Arbeiten produzieren wollen und können – auch wenn wir in der Provinz sind - und ich sehe es als noch wichtigeren Erfolg, wenn wir dann auch das Feedback bekommen, dass man bei uns ein Podium zum lernenden Nachdenken und emotionalen Erfahren weit über die Kunstblase hinaus findet.

Universalmuseum Joanneum - Kunsthaus Graz

Lendkai 1, 8020 Graz
Österreich

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