Von zeitlos bis modern: Keramik im Schloss Hollenegg

Wer sich von der Südautobahn bei Lieboch über die kurvige Landstraße durch unzählige kleine Ortschaften in Richtung Westen durchschlägt, gelangt nach einiger Zeit zum Schloss Hollenegg. Während die beeindruckende Fassade von der 1000-jährigen Geschichte der Familie Liechtenstein erzählt, kann man in den prunkvollen Räumen den Dialog zwischen dem altehrwürdigen Inventar und zeitgenössischem Design entdecken. Schlossherrin Alice Stori Liechtenstein, Ausstellungsdesignerin, Kuratorin, Bloggerin und FH Lehrende, öffnet jedes Jahr im Mai die Tore, um zeitgenössischem Design Raum zu geben. Heuer sind es 23 Keramikpositionen aus aller Welt, die hier zu sehen sind. Die Auswahl hat sie gemeinsam mit Rainald Franz, Sammlungsleiter für Glas und Porzellan im Wiener MAK (Museum für angewandte Kunst) kuratiert. PARNASS hat die Ausstellung „Earth + Fire“ im Vorfeld des Eröffnungswochenendes besucht, welche noch die nächsten zwei Wochenenden zu sehen ist.


„Benvenuti“ hört man von der Haupttreppe aus, wenn die aus Italien stammende Hausfrau uns willkommen heißt. Wir betreten gemeinsam den Prunksaal und sind schon mittendrin in der Ausstellung. Wie bereits seit mehreren Jahren, gibt Alice Stori Liechtenstein auch heuer wieder jungen Designer*innen die einmalige Chance in ihren Arbeiten auf das Ambiente des Schlosses Hollenegg zu reagieren. Es ging Alice Stori Liechtenstein um ein „match making“ erzählt sie. Gemeinsam mit Rainald Franz wurden eine Reihe von Designer*innen ausgewählt, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit internationalen Galerien und in einen interessanten Dialog mit historischen Keramik und Porzellanarbeiten aus dem Besitz des Hauses Liechtenstein präsentiert. Dabei spielt natürlich auch das gesamte räumliche Ambiente von Schloss Hollenegg eine Rolle, dem man sich beim Besuch nicht entziehen kann. Neben den Keramiken warten die Prunkräume auch mit anderen kostbaren Objekten auf, in das sich die zeitgenössischen Keramikarbeiten wie eine logische Fortschreibung der Sammlung in die Gegenwart einfügen.

Zwischen Historie und Gegenwart

Da ist im Festsaal beispielsweise die „Tasty Collection“ der jungen südkoreanischen Künstlerin Ahryun Lee zu sehen. Ihre fantasievollen, sinnlich provokanten Keramikobjekte werden den Terrinen in Form von exotischen Früchten und Blüten aus der Sammlung der Prinzessin Ludmilla von Liechtenstein, die bis 1975 hier lebte, gegenübergestellt. Im Salon daneben stehen zwei blau-weiße chinesische Porzellanvasen aus der Qing-Dynastie. Sie treten in Dialog mit den Arbeiten der deutschen Künstlerin Babette Wiezirek, die unter dem Titel „Alchymia Digitalis“ die Parallelen zwischen der Entdeckung des Geheimnisses von Porzellan und den heutigen technologischen Möglichkeiten aufzeigt. Auch im Festsaal. Der Hocker Vilma, des 1973 in Venezuela geborenen Reinaldo Sanguino, der im Schloss Hollenegg plötzlich wie ein Thron wirkt. An beiden Seiten des Hockers stehen chinesische Famille rose –Deckelvasen aus der Quianlog-Periode, entstanden Ende des 18. Jahrhunderts.

Interessant auch Katie Stouts Pink Patch Vessel aus Keramik, Glasur und Goldlüster im „Roten Zimmer“. Die Arbeit ist wirkt wie eine Vase, entzieht sich jedoch dieser Funktion. Charakteristisch für Stout, die in ihrer Karriere die konventionellen Grenzen zwischen Kunst und Design immer wieder neu gezogen hat. Ihre Objekte setzt sie zum Teil auch aus Tonresten zusammen. Gefäß ist reich an Details, die rebellisch aus der Form herauswachsen und den Rokoko-Stil fröhlich feiernd imitieren. Als Pendant steht dem zeitgenössischen Objekt die „Halali Gruppe“ von Franz Anton Bustelli (1723-1763) gegenüber, einen der wichtigsten Rokoko-Keramiker. Der Tafelaufsatz der Jäger und Jägerin mit Jagdhunden und Jagdknaben sowie Waldhorn darstellt stammt aus der Manufaktur Nymphenburg bei München und wird um 1760 datiert.

Reinaldo Sanguino, Hocker Vilma / Quianlong, Chinesische Deckelvasen, Foto: PARNASS

Reinaldo Sanguino Hocker Vilma / Quianlong, Chinesische Deckelvasen, Foto: PARNASSFoto: PARNASS

Ähnlich wuchernd, amorph und opulent ist auch Misha Kahns (*1989, USA) Keramik „Time to Wake up Ghislaine“ im Badezimmer – konkret in der Badewanne von Prinzessin Henriette von Liechtenstein (1843-1931), deren Schlafzimmer sich nebenan befand. Die Treppe führte zum Zimmer ihrer Kammerzofe im Erdgeschoss. Bevor sie ihre Herrin weckte, sollte das Mädchen nach oben kommen, um das Bad zu befüllen. Die Fliesen könnten von der Fürst Liechtensteinschen Tonwarenfabrik Postornà / Unter-Themenau stammen oder von Minton Hollins & Co in Stoke-on-Trent. Sie stammen aus der Zeit um 1880, einer Zeit, in der auf Schloss Hollenegg eifrig renoviert wurde.

Keramik und die Rolle der Frau

Die österreichische Designkünstlerin Maria Scharl (*1991) stellt mit „Serpentine & Clémentine“ zwei nicht ganz so traditionelle Tarjines zum Kochen und Servieren von Speisen aus und spielt dabei auf das Feminine der Töpferei und die Rolle der Frauen in der Geschichte der Keramik an und zelebriert die Quelle der weiblichen Kraft und die bedeutende Rolle der Frauen in der Geschichte der Keramik.  Auch ihre Arbeiten treten hauseigenen Artefakten gegenüber. In diesem Fall einer aus dem englischen Staffordshire stammenden Terrine aus Steingut aus dem 19. Jahrhundert.

Auf dem Rundgang durch die zwei Stockwerke des Schlosses, durch historische Salons, die Bibliothek, den Turm, das mit Fayencen ausgekleidete Badezimmer einer Vorfahrin von Alice Liechtensteins Ehemann Alfred, bis zu den beiden Innenhöfen und der barocken Schlosskirche lassen sich mehr als zwanzig spannende Dialoge zwischen historischer und zeitgenössischer Keramik entdecken. Und wer den Schlosspark wieder verlässt, kommt am Objekt „Das Meerohr“ vorbei. Eine große Schale aus glasierter Keramik in Muschelform, die zurzeit von der jungen Österreicherin Marie Janssen als permanente Kunst im öffentlichen Raum und als funktionierender Brunnen mitten im Ortskern installiert wird.

Maria Scharl, Serpentine & Clémentine, Foto: Eva Lena Gagern

Schloss Hollenegg für Design

Hollenegg 1, 8530 Hollenegg
Österreich

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