Galerie Martin Janda

Svenja Deininger: Cache

Die Galerie Martin Janda zeigt bis 21. Dezember 2023 die fünfte Einzelausstellung von Svenja Deininger. 


Ein Cache ist ein Zwischenspeicher, in dem Information abgelegt wird, um später schneller auf diese zugreifen zu können. Es ist ein für die Benutzer*innen des Computers unsichtbarer Ort, ein Zwischenreich, in dem etwas aufbewahrt wird, ohne es aktiv zu zeigen, bis es wieder benötigt wird. Das französische cache steckt in dem Begriff: der Schlupfwinkel und das Versteck. 

Svenja Deiningers Malerei kennt solche verborgenen Speicherorte, die auch Verstecke sind – für die Betrachter*innen unsichtbare Zonen, ohne die das Bild nicht das wäre, was es ist. Schichten von Farbe überdeckt sie mit neuen Schichten, ohne dass erstere vollständig verschwinden. Sie bilden vielmehr einen Resonanzraum, der dem finalen Bild erst seine chromatische Tiefe verleiht. Manchmal sind Deiningers Leinwände rückseitig mit einem leuchtenden Farbton bemalt, so dass von hinten ein abgedämpfter Farbton auf die Bildkomposition der Vorderseite strahlt, ohne preiszugeben, woher dieses sanfte Leuchten stammt.

In einigen Bereichen dieser Bilder tritt die textile Stofflichkeit der Leinwand in den Vordergrund; in anderen Farbfeldern, die aus aufeinander folgenden Lasuren aufgebaut sind, bleibt der Malgrund in seiner Textur hingegen vollständig verdeckt.

Svenja Deininger, Cache at Galerie Martin Janda, Vienna, 2023, Foto: kunst-dokumentation.com

Farbe sickert durch verschiedene Schichten, in Einklang (oder auch nicht) mit den geometrischen Segmenten und sanft gerundeten Formen, aus denen sich in einem langen Prozess der Organisation und Re-Organisation von Flächen und Farben, des Über- und Bearbeitens nach und nach die Komposition ergibt. Glänzende und matte Partien reagieren unterschiedlich auf das sie umgebende Licht, das seinerseits die Werke dynamisiert. Es ist ein Zusammenspiel positiver und negativer Räume, von Kontrast und Korrespondenz sowie leicht variierenden Volumina im Farbauftrag, die der Leinwand ein sanftes Relief verleihen. Durch versetzte Konturen und eine Komposition, die in den großen Formaten stellenweise wie ein Bild im Bild wirkt, entsteht der Eindruck eines taktilen, fast objekthaften Werks.

Häufig trifft eine ausgeprägte Horizontalität auf leicht gerundete Segmente, die das Streben nach oben in andere Richtungen wenden. Andere Bilder drängen die Geometrie zurück zugunsten aus der Achse gerückter, kurviger, manchmal fächerförmig arrangierter Farbfelder. Einige dieser Rundformen erinnern in ihrer Kontur und Tonalität entfernt an menschliche Torsi.

Svenja Deininger, Cache at Galerie Martin Janda, Vienna, 2023, Foto: kunst-dokumentation.com

Manchmal schmiegen sie sich aneinander, dann wieder rhythmisieren sie das Bild und lösen es aus seiner Statik. Letztlich wirken sie wie affektiv besetzte Gesten – des Miteinanders, des Zusammenhalts, der Gemeinschaft. In den Arbeiten, in denen die Kontur der Leinwand ihrer Form folgt, signalisieren sie eine einladende Offenheit, wie eine Geste gegenüber uns, dem Raum und den anderen Werken im Raum. Dann wieder, wenn die unterbrochene Vertikalität von Streifen auf abgeflachte Kurvenformen trifft, denkt man vielleicht eher an Elemente der Architektur, an Säulen und Kapitelle. 

So sind diese Bilder abstrakt, aber dennoch erfüllt vom Figurativen als Möglichkeitsform. Sie speichern Erinnerungen an etwas Gestalthaftes, die in der Betrachtung aktiviert und von eigenen Erinnerungen überlagert werden. Oberfläche, Textur, Farbe und Form fächern ein offenes Feld radikal abstrahierter Wirklichkeit auf, das sich in den einzelnen Werken auf unterschiedliche Weise artikuliert.  

Svenja Deininger, Cache at Galerie Martin Janda, Vienna, 2023, Foto: kunst-dokumentation.com

Die Ausstellung und jedes einzelne Werk bilden entsprechend ein komplexes Bezugssystem, das sich in der Zeit der Betrachtung entfaltet. Wiederkehrende Farbtöne oder kompositorische Ähnlichkeiten werden erst im Zusammenspiel aller Arbeiten sichtbar über das aktive Erinnern des vorher an einer anderen Wand, in einem anderen Raum Gesehenen. Die neuen Werke, auch sie, wie immer im Œuvre von Svenja Deininger, Ohne Titel, bilden auf diese Weise ein Ensemble mit dem Ort, an dem sie gezeigt werden. Natürlich können sie auch autonom existieren, ein Teil ihrer Beredtheit entsteht jedoch aus ihrem Miteinander, wenn sich ihr Vokabular entfaltet und das eine Werk zum Echo des anderen wird.  

Die Metapher des Cache, des Zwischenspeichers, beschreibt damit auch das Zurückgreifen auf ein über lange Zeit entwickeltes Repertoire an Formen, Farben und Texturen, die in ihren Kombinationen und Konfigurationen neue Werke hervorbringen, ohne die Vorherigen auszublenden.

Svenja Deininger, Cache at Galerie Martin Janda, Vienna, 2023, Foto: kunst-dokumentation.com

Jedes Werk ist ein Speicher dessen, was seine Genese und die von Svenja Deiningers Œuvre an sich bestimmt: Die Verarbeitung vielschichtiger Impulse aus der Wirklichkeit in eine Abstraktion, angefüllt mit unter der Oberfläche verborgenen Verweisen; der langsame Prozess einer sukzessiven Überarbeitung der malerischen Oberfläche, die zur Textur wird und fragile plastische Qualitäten ausformt, bis das Bild eine ganz eigene, fast tektonische Präsenz entwickelt. 

So entsteht ein malerisches System aus Zeichen, das sich immer wieder neu artikuliert, wie Silben, die zu Wörtern werden, aus denen sich dann neue Sätze bilden. Man könnte in diesem Zusammenhang auch an das Verhältnis von langue und parole denken, das die strukturelle Sprachwissenschaften geprägt hat: Auf der einen Seite die Sprache als Satz von Regeln, die subjektiv verinnerlicht und zu einem mentalen Depot werden. Auf der anderen Seite der konkrete Sprechakt als raum-zeitliche Realisierung dieses Systems. In seiner sozialen Dimension bringt dieser Sprechakt dialogisch neue sprachliche Formen hervor – als Ort der Genese und Modifikation des abstrakten Systems. 

Svenja Deiningers Bilder und ihr Ausgestellt-Werden sind gewissermaßen solche Sprechakte in malerischer Form, und wir, die Betrachtenden, Teil des Dialogs. 

Galerie Martin Janda

Eschenbachgasse 11, 1010 Wien
Österreich

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