Kunst und Klima

„Wir müssen alle reisen“ - Julius von Bismarck und Julian Charrière

Ein Gespräch mit den Künstlern, Freunden und Studionachbarn Julius von Bismarck und Julian Charrière über das Weiterarbeiten im Lockdown, verschobene Ausstellungsprojekte, Reisen für den Weltfrieden und ihre Form der kultivierten Gemeinschaft.


Julius von Bismarck (*1983 Breisach am Rhein) und Julian Charrière (*1987 Morges, Schweiz) studierten gemeinsam bei Olafur Eliasson in Berlin, gründeten zusammen ein Studio und realisierten 2012 die erste gemeinsame Arbeit: gefärbte Tauben („Some Pigeons Are More Equal Than Others“). Für das PARNASS-Interview saßen sie auf Abstand in ihrem Studio in der Berliner Malzfabrik. Denn mit dem Virus wollen sich die Studionachbarn, Freunde und Künstlerkollegen auf keinen Fall anstecken. Auch wenn ihnen Lockdown und Reisebeschränkungen ein paar Spaziergänge mehr beschert haben: Stillstand gibt es für sie nicht. Die neuen Pläne stehen: Julian Charrière will tauchen und Julius von Bismarck die Erde aufschmelzen.

Dieses Jahr habe ich genutzt, mich wieder mehr mit der Physik zu beschäftigen. Ich bin wieder mehr der Nerd, der ich früher schon mal war.

Julius von Bismarck

JULIAN CHARRIÈRE UND JULIUS VON BISMARCK | beim PARNASS Atelierbesuch | Foto: Uta Baier

P: Ihre Kunst entstand bisher auf der ganzen Welt. Das ist mit vielen Reisen verbunden. Werden Sie in Zukunft anders arbeiten?

JVB: Wir sind für unsere Arbeit beide sehr viel gereist. Nun kommen gleichzeitig die Pandemie und ein Konsens, dass man weniger fliegt, um die Atmosphäre zu schonen, damit unser Planet nicht ganz so schnell kaputtgeht. Darüber nachzudenken ist für uns beide relevant. Andererseits ist Reisen für uns total wichtig, um die Welt zu verstehen und um überhaupt eine Relevanz schaffen zu können.

P: Klingt ein bisschen nach einer Ausrede, um das eigene Leben nicht ändern zu müssen.

JVB: Ich bin ganz grundlegend davon überzeugt, dass wir reisen müssen. Wir alle, nicht nur ich. Denn das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Zusammenlebens. Ein Jahr auszusetzen ist vielleicht kein Problem und auch ganz interessant, aber das Reisen dauerhaft zu minimieren wäre eine sehr gefährliche Sache. Dann blieben wir weiterhin in unseren lokalen Blasen und gingen zu einem nationalen Weltbild zurück. Wir brauchen aber ein internationales Weltbild, internationale Verbindungen, um andere Länder zu verstehen. Wir müssen mit anderen Menschen sprechen, müssen mit ihnen befreundet sein. Man kann nicht nur über das Internet befreundet sein. Das globale Umweltproblem können wir nicht lösen, wenn wir uns hinter unsere Grenzen zurückziehen. Nur wenn wir uns als Gemeinschaft empfinden, können wir auch unsere gemeinsamen Probleme lösen. Das ist ja auch das, was unsere Kunst probiert: ein Umdenken zu schaffen im Selbstverständnis. Das kann ich aber nicht, wenn ich mir die Welt auf meinem Telefonbildschirm angucke. Ich muss die Menschen in echt sehen. Vielleicht mache ich das in Zukunft mehr mit dem Zug oder dem Schiff, aber es gibt Orte, zu denen man nur fliegen kann. Und vielleicht ist es das wert, dorthin zu fliegen. JC: Es gibt wahrscheinlich einen Teil der Rumreiserei, der nicht nötig ist, und es war jetzt ein Moment, zu fühlen, was es heißt, lokal zu bleiben. Von der aktuellen Situation abgesehen denke ich, dass die Erkundung der Welt notwendig ist. Für meine Arbeit ist sie der große Motor.

P: Heißt das, am Nachdenken über Ihre künstlerischen Projekte wird sich nichts ändern?

JC: Wir machen beide lokale und globale Sachen. Medial erscheinen wir als Künstler, die immer nur auf Reisen sind. Aber die Arbeiten entstehen auch hier in Berlin im Studio und sie beschäftigen sich auch mit lokalen Themen – aber immer mit der Idee, dass man einen Denkraum schafft, der global und multikulturell sein könnte.

Das ganze Interview finden Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/20!

JULIAN CHARRIÈRE | Where Waters Meet [3.72 atmospheres], 2019, Archival Pigment Print on Hahnemühle Photo Rag Ultra Smooth on Aluminium dibond, Mirogard anti-reflective glass, framed, 58 × 45,3 cm, Courtesy the artist; VG Bild-Kunst, Bonn 2020

JULIAN CHARRIÈRE UND JULIUS VON BISMARCK | Canyonlands, We Must Ask You to Leave (panoramic viewpoint),
2018, Archival pigment print on Hahnemühle Photo Rag Baryta, 155 × 276 cm (Detail) | Courtesy the artist; VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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