Leopold Museum

VON DER GEMÄSSIGTEN ZUR RADIKALEN MODERNE

Trotz Forschungsinitiativen von Belvedere und Wien Museum stand und steht der Künstlerverein Hagenbund nie so im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit wie die heute noch aktive Wiener Secession und das Künstlerhaus. Nun würdigt das Leopold Museum den Hagenbund und zeigt erstklassige Werke.


Wie die Secession ist auch der Hagenbund als avantgardistische Gegenbewegung aus dem konservativen Künstlerhaus hervorgegangen. Der Zusammenschluss junger Kunstschaffender benannte sich nach deren Lieblingswirt Josef Haagen in der Wiener Gumpendorfer Straße. Als dritter wichtiger Künstlerbund der frühen Moderne in Österreich war der Hagenbund besonders in den Zwischenkriegsjahren innovativer und progressiver als die anderen und stand für die Avantgarde. Um permanente Sichtbarkeit zu gewährleisten, präsentiert das Leopold Museum in seiner Dauerausstellung „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne“ den Hagenbund mit Archivalien und Werken einiger seiner bedeutendsten Vertreter, wie Georg Ehrlich, Otto Rudolf Schatz, Carry Hauser und Felix Albrecht Harta.

Mit der Schau „Hagenbund. Von der gemäßigten zur radikalen Moderne“ zeigt das Leopold Museum nun eine – gut 160 Exponate umfassende – Sonderschau mit erstklassigen Werken der Künstler des Vereins, darunter zahlreiche noch nie öffentlich gezeigte Arbeiten aus österreichischen Privatsammlungen. Die von Direktor Hans-Peter Wipplinger gemeinsam mit Dominik Papst und Stefan Üner kuratierte Ausstellung führt in Themenräumen durch die fast vier Jahrzehnte währende Geschichte des Hagenbundes: Beginnend 1900 in der Zeit der Monarchie über das Kunstschaffen vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs und die 1920er-Jahre zwischen Arbeiterbewegung, Wirtschaftskrise und Feierlaune mündet die Präsentation in die politisch schwierige Phase der 1930er-Jahre im austrofaschistischen Ständestaat und endet mit dessen Auflösung 1938 nach dem „Anschluss“ an Nazideutschland.

In den ersten Jahren der Vereinsgeschichte ist noch eine große Nähe zur Stimmungsmalerei, zu Symbolismus und Jugendstil in den Bildern von Karl Mediz und Ludwig Ferdinand Graf sichtbar. Der Hagenbund bekommt von der Stadt Wien einen Teil der großen Markthalle in der Zedlitzgasse als Ausstellungsfläche zur Verfügung gestellt. Joseph Urban, Architekt und Mitbegründer des Hagenbundes, adaptiert die Räume und gestaltet die vorgeblendete Fassade im Jugendstil. Hier werden auch Künstler-Gäste ausgestellt: 1911 der junge Oskar Kokoschka und die Neukunstgruppe um den 21-jährigen Egon Schiele, der 1912 erstmals dort ausstellte, sowie die in Paris geschulte Malerin Helene Funke. Solch heftiger Ausdruck, Deformation und Farbe ist den Vermietern der Zedlitzhalle zu viel, besonders der Skandal um Kokoschkas Porträts.

FERDINAND LUDWIG GRAF, Wien 1868–1932 Wien, Decamerone, 1921, Öl auf Leinwand, 120 x 120 cm, Ernst Ploil, Wien, Foto: © Christoph Fuchs, Wien

Das  führt schlussendlich zur Delogierung des Hagenbundes. Bis 1920 ist der Künstlerbund auf die Ausstellungsflächen anderer Vereinigungen angewiesen. Dank der Kulturpolitik der jungen Republik erhält erdie Räumlichkeiten zurück, doch Subventionen und reiche Auftraggeber fehlen nach dem Krieg. Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Herbstausgabe.

Leopold Museum

Museumsquartier
Museumsplatz 1
1070 Wien
Österreich

HAGENBUND

VON DER GEMÄSSIGTEN ZUR RADIKALEN MODERNE

bis 6. Februar 2023

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