VOM STAATSSYMBOL ZUM KUNSTWERK | Christo verpackt Triumphbogen

Paris. Die Schaffensphase über den Tod hinaus fortzusetzen ist sicherlich der Traum vieler Künstler, dessen Realisierung gelingt jedenfalls gerade dem Verpackungskünstlerpaar Christo (1935 – 2020) und seiner Frau Jeanne-Claude (1935 – 2009) in Paris.


Seit sechzig Jahren planten die beiden ein symbolisches staatliches Denkmal, den Arc de Triomphe, zu verpacken. Nun ist es so weit: silbern-bläulich schimmert das 50 Meter hohe und 45 Meter breite Werk, verpackt unter recycelbaren Polypropylenbahnen, die mit roten Seilen festgeschnürt sind. Den orange-gelb gekleideten Kletterern zuzuschauen, als sie tagelang den speziell für Christo angefertigten Stoff und anschliessend die roten Seile, fast frei schwebend, am Bauwerk anbrachten, war bereits ein populäres Spektakel.

Der Pariser Triumphbogen ist nicht irgendein Denkmal, denn er ist seit hundert Jahren dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg mit seinen Millionen Getöteten gewidmet. Unter seinem Bogen befindet sich das Grab des unbekannten Soldaten, und täglich, pünktlich um 18 Uhr 30, organisiert ein General die Gedenkzeremonie  um die stets brennende „Flamme der Nation“. Dass dies und die zahlungspflichtige Besichtigung des Denkmals, trotz der Verpackung, weiterhin stattfinden kann, zählte zu den Bedingungen, um die Genehmigungen für das Projekt zu erhalten. 

Die Erlaubnis bekam Christo im Jahr 2017 von politischer und administrativer Seite, inklusive des Staatspräsidenten in Person. Und zwar dank des energischen Willens der französischen Kunsthistorikerin Laure Martin, die bereits einige von Christos Ausstellungen kuratiert hatte. Wie üblich verkaufte Christo seine Vorarbeiten (Zeichnungen, Lithografien in allen Grössen) zur Eigenfinanzierung des Projekts, da dieses Prinzip dem gebürtigen Bulgaren und US-Staatsbürger seine Unabhängigkeit garantierte.

Fabric panels are being unfurled in front of the outer walls of the Arc de Triomphe, Paris, September 12, 2021, Foto: Wolfgang Volz 2021, Christo and Jeanne-Claude Foundation

Durch die Pandemie bedingt wurde das Projekt zwei Mal verschoben. Zwischendrin starb der 84-jährige Christo im Mai 2020. Seine Nachlassverwaltung und seine Stiftung, plus sein amerikanischer Neffe Wladimir Yavacheff, der Bloomberg Philanthropies mit ins Boot holte, die französische Denkmalverwaltung, welcher der Triumphbogen (auch finanziell) untersteht, sowie die Pariser Bürgermeisterin und die französische Kulturministerin, tragen jeweils ihr good will - Scherflein zu den titanesken Arbeiten bei.

Freundlicherweise wird der Straßenverkehr an den drei Wochenenden (18.9. bis 3.10.) rund um den Platz des Triumphbogens herum eingestellt, damit die Fußgänger das einzigartige, nur 16 Tage lang sichtbare, imposante Werk begutachten können. Eine Maßnahme, die bereits im Vorfeld von den Pariser Autofanatikern heftig kritisiert wird. Dass die Organisatoren 14 Millionen Euro zur Finanzierung aufbringen, wird von den sozialen Medien bemängelt.

Christo and Jeanne-Claude, L'Arc de Triomphe, Wrapped, Paris, 1961-2021, Foto: Wolfgang Volz 2021, Christo and Jeanne-Claude Foundation

Immerhin brachten die von Sotheby’s Paris im Februar dieses Jahres organisierten Auktionen den Erben Christos 9,2 Millionen Euro (minus Spesen) ein. Auch die aktuelle Online-Versteigerung von 25 Christo-Werken wird das Projektbudget aufstocken. Der Galerist Guy Pieters, die Galerie Sage und der Auktionator Kohn bieten zum aktuellen Anlass Werke zum Verkauf. Das Geschäft um das spektakuläre Verpackungs-Kunstwerk blüht also.

Während die fotografierenden Spaziergänger angeregt untereinander diskutieren, ob es sich bei der hoch am Hügel thronenden Verpackungsarbeit um Kunst handelt – oder nicht. Statt sich daran zu freuen, wenn der Wind das silber-blaue Verpackungsmaterial aufbläst und die Sonne das immense Gebilde zum Gleissen bringt.

L’Arc de Triomphe: Wrapped von Christo und Jeanne-Claude

bis 3.10. 2021

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