Vom eigenen Begräbnis bis Columbine: Die verstörende Kunst von Bunny Rogers
Das Kunsthaus Bregenz eröffnet seinen Ausstellungreigen 2020 mit einer beindruckenden Gesamtinstallation der jungen amerikanischen Künstlerin Bunny Rogers. Eine düstere und schwermütige Inszenierung, die mit feinsinnig gesetzten Zitaten Themen wie Trauer, Verlust und verdrängte Ängste, aber auch die Überwindung dieser Gefühle durch kollektive Handlungen, durcharbeitet.
Tod, Trauer und Depression gehören nicht zu den Themen, die gerne in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Zu intim, zu persönlich erscheinen die Gefühle von Verlust, Verletzung und der oft einsame Weg der Verarbeitung auch in einer Gesellschaft, die private Ereignisse ansonsten so gerne über soziale Medien mit einer anonymen Masse teilt. Umso mutiger der Schritt einer jungen Frau, den Kampf gegen ihre eigene Depression und deren gesellschaftliche Tabuisierung zum Thema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung zu machen. Die erst 30-jährige Künstlerin Bunny Rogers tut dies in ihrer bisher größten Einzelausstellung im Kunsthaus Bregenz mit raumgreifenden Installationen, die sich über alle vier Geschosse ziehen und einem zeitlichen Erzählstrang folgen.
Das Erdgeschoß ist in blau-violettes Licht getaucht. Auf einer feuchten, echten Wiese leuchten Glühwürmchen und im Hintergrund erhebt sich ein riesiger Grabhügel mit schwarzen Rosen und getrockneten Kränze. Dahinter steht eine Staffelei, auf der das blumenumrahmte Selbstbildnis der Künstlerin als Dreizehnjährige zu sehen ist, leicht verdeckt von einer gesteppten Quiltdecke.
Bunny Rogers hat ihr eigenes Begräbnis imaginiert und es sind jene Details wie der schwarze die gesamte Rückwand verdeckende Vorhang und die im Gras liegenden Schokoherzen, Teddybären oder der kitschige Blumenschmuck, die der düsteren Szenerie eine ambivalente Anmutung von öffentlichen Mausoleum und persönlichen, fast kindlich – schüchternem Memorandum verleihen.
Wie Begräbniszeremonien selbst oft den Versuch jedes Einzelnen darstellen Raum für private Andacht zwischen in einem opulent inszenierten Massenereignis zu finden bewegt sich auch der Weg der Trauerarbeit zwischen kollektiv ausgelebten Ritual und der einsamen Auseinandersetzung mit Tod, Verlust und Erinnerung.
Bunny Rogers Installation im Kunsthaus Bregenz folgt den Stufen der Trauerverarbeitung von Verdrängen, Erinnern und Katharsis. Im ersten Stock liegen Überreste eines Heavy-Drinking-Gelages auf dem Rasen; leere Weinflaschen, Bierdosen, Essensreste auf Papptellern, im Hintergrund schwarze Müllsäcke wie ein Grabhügel aufeinander getürmt. Dazwischen sind zertretene CDs von Elton John und wieder Teddybären verstreut. Laut Rogers handelt es sich um persönliche Erinnerungen an das Begräbnis von Lady Di, das sie als TV-Ereignis prägte.
Im Stockwerk darüber verwandelt sich das Bild des kollektiven Rauschzustands in das einer berührend persönlichen Mythologisierung. Rogers gruppiert in Beton und Ziegelsteine gegossene vertrocknete Rosen kreisförmig in der Mitte des Raumes. Jeder einzelne Block wirkt wie eine individuelle Grabstele, die vergängliche Schönheit in ein dauerhaftes Monument einzufassen versucht. An den Wänden stehen mit Bändern geschmückte Absperrgitter, im Hintergrund des Raumes ein zertrümmerter Haufen aus Sparsärgen aus Karton – wie Erinnerungsstücke an den verzweifelt aggressiven Kampf mit dem verletzten Ich.
Das oberste Stockwerk kann als Metapher für die Vollendung eines kathartischen Prozesses gelesen werden – die psychische Reinigung nach dem Ausleben innerer Konflikte und verdrängter Emotionen. An den Wänden und am Boden wurden tausende Fliesen handverlegt. Aus überdimensionalen Duschköpfen tröpfelt Wasser und es bildet sich Nebel. Ein unheimliches Szenario, das beim europäisch geprägten Betrachter unweigerlich Assoziationen zu den als Duschräume getarnten Gaskammern in Konzentrationslagern hervorruft, von der jungen amerikanischen Künstlerin selbst aber als Erinnerung an das Schulmassaker in der Columbine High School 1999 beschrieben wird.
„Objektive Kunst ist unmöglich“, so Bunny Rogers. Objektive Kriterien ihrer Wahrnehmung ebenso wenig, mag man hinzufügen. Denn besonders bei so existentiellen Fragestellungen wie Tod und Vergänglichkeit, aber auch das Weiterleben nach traumatischen Erfahrungen, mischen sich besonders viele individuelle Erinnerungen und Bewusstseinsebenen. Viele der Zitate sind mitunter nicht einfach zu verstehen, zeugen sie doch von einer Generation, die mit dem Dauerbeschuss von medialen Bildern aufgewachsen ist, der die Wahrnehmung von Realität und Wirklichkeit entscheidend verändert hat. Besonders viele junge Menschen – auch Bunny Rogers selbst – leiden unter Depressionen, die auch aus der zunehmenden Diskrepanz von einer viral verbreiteten Scheinwelt und einer persönlichen Wirklichkeit der von Selbstzweifeln und Zukunftsängsten geprägten Zeit der Adoleszenz herrührt.
Ihre beklemmenden Settings können auch in der US-Tradition der Multimedia-Installationen der 1990er-Jahre gelesen werden. Damals schuf Mike Kelley als Grenzgänger zwischen den Medien sowie zwischen Pop- und Subkultur raumfüllende Inszenierungen, die unmittelbar auf existenzielle Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen verwiesen. Mit seinen Objekten und Installationen aus zerfetztem Spielzeug und Alltagsgegenständen führte das Unheimliche und Verdrängte vor Augen, das gewöhnlich nicht mit gesellschaftlichen und kulturellen Wertvorstellungen in Verbindung gebracht wird.
Die persönlichen Traumata und Verletzungen sind auch in der Postdigitalen Generation hinter der Fassade eines in der globalen Öffentlichkeit inszeniertem Leben geblieben. Wenngleich viele junge Künstler der digitalen Realität mit wachsender Skepsis gegenüberstehen und die materielle Wirklichkeitserfahrung wieder ins Zentrum ihrer Auseinandersetzungen rücken, wagen es wenige, derart existentielle Thema so unmittelbar auf die Bühne und in unser kollektives Bewusstsein zu bringen wie Bunny Rogers.
KUB Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz, 6900 Bregenz
Österreich