Institut für Wertschätzung I Kollektiv Raumstation

Vom Boden als Ware | Vienna Design Week 2020

Nachdenken über öffentlichen Raum und seine Gestaltung ist seit 2012 ein Programmpunkt des Formats „Stadtarbeit“ innerhalb der Vienna Design Week, das über einen Open Call die Möglichkeit bietet, mit einem Projekt im Bereich Social Design am Festival teilzunehmen. In diesem Jahr stand der Open Call im Zeichen von Projekten, die sich mit Baulücken Brachen und Leerstellen befassen. Zwei davon wurden mit dem MehrWERT-Designpreise ausgezeichnet. Wir stellen ihnen eines der beiden ausgewählten Projekte vor.



Investitionen in Boden und Beton gelten vor allem in Krisenzeiten als sichere Bank. Demgegenüber stehen die Erfahrungen des COVID-19-Lockdowns. Diese haben die Bedrängtheit und Knappheit städtischen Freiraums verdeutlicht und gleichzeitig dessen Relevanz für unser Zusammenleben aufgezeigt.

Der Boden ist mehr wert als er kostet

Kollektiv Raumstation

Das Kollektiv Raumstation geht im Rahmen der Vienna Design Week 2020 in der Schiene Stadtarbeit deshalb der Frage nach, welcher Wert eigentlich im Boden einer Brache steckt. Vom 25.09 bis 04.10.2020 stellt das Kollektiv dafür der herkömmlichen (meist monetären) Bewertung von Grund und Boden eine offene, sinnliche Untersuchung anderer Werte gegenüber. Gemeinsam mit der Nachbarschaft und den Besucherinnen und Besuchern der „Vienna Design Week“ werden ideelle, immaterielle und gemeinschaftliche Werte einer Brache im 17. Bezirk aufgespürt und sichtbar gemacht.

Dafür wurde das „Institut für Wertschätzung“ ins Leben gerufen und auf der Brache Lobenhauerngasse 2 temporär eine „Werte-Messstation“ eingerichtet. Mit einem Bewertungsbogen und Messinstrumenten ausgestattet, werden die Besucherinnen und Besucher der Brache selbst zu Forscherinnen und Forschern und begeben sich auf Expedition, um ihr ganz persönliches Wertegutachten für die Fläche zu erstellen. Im Fokus stehen dabei positive und sinnliche Erfahrungen – die Bewertung stützt sich dabei auf die kreativen Fähigkeiten der menschlichen Sinne.

Institut für Wertschätzung - Kollektiv Raumstation, Copyright Kollektiv Raumstation, Vienna Design Week

Die Messinstrumente dienen dazu, die menschlichen Sinne zu nutzen, zu erweitern und zu verfremden. Beispielsweise werden mit Hilfe einer Wärmebildkamera Orte der sozialen Wärme aufgespürt, um das Sozialvermögen der Brache zu bewerten. Das akustische Vermögen wird hingegen durch das Lauschen von Geräuschen mittels Parabol-Richtmikrofon ermittelt. Wunschvorstellungen alternativer Nutzungen der Brache können direkt auf dem Grundstück markiert werden.

Ob es die Gerüche der naheliegenden Mannerfabrik, das Entdecken einer Wiesenblume oder das Lauschen des Brachenkonzertes sind - es gibt unzählige Aspekte die den Ort für mich besonders machen!

Besucherin der Branche

Die Brachfläche wurde für zehn Tage als monetär „wertlos“ erklärt und Anrainerinnen und Anrainer sowie umliegende (soziale) Institutionen wurden dazu aufgerufen dem Grundstück neue Werte, in Form von spontanen Nutzungen, zuzuschreiben. Denn, wie ein Mitglied der Raumstation feststellt: „Wo nichts ist, ist alles möglich!“ Alle Beteiligten werden zu Co-Produzentinnen und Produzenten des Institutes und Nutzerinnen und Nutzern der begehbaren Installation. Die durch ihre Nutzung entdeckten Werte der Brache werden gemeinsam mit den Besuchern performativ erforscht. Das künstlerische Mittel einer sinnlichen Messung erschafft eine mehrdimensionale Installation, die die ideelle Wertschöpfung festhält, ohne sie in einen zähl-, monetarisierbaren Gegenwert umzurechnen.

Das Projekt möchte damit auf spielerische Art und Weise einen Zugang zur Diskussion über Bodenfragen schaffen und ein Umdenken dazu, wie der Wert von Boden und dessen Nutzung bestimmt wird, anregen.

Institut für Wertschätzung - Kollektiv Raumstation, Copyright Phillip Podesser, Vienna Design Week

Boden sollte nicht als Ware in einem neoliberalen Marktsystem gehandelt werden, da er schlicht und ergreifend nicht vermehrbar beziehungsweise produzierbar ist

Kollektiv Raumstation

Die gesammelten Erfahrungen und alternativen Werte werden über die Dauer der Vienna Design Week hinweg zusammengetragen und bei der Abschlussveranstaltung am 04.10. bei kulinarischen Köstlichkeiten diskutiert und reflektiert. Das gesamte Programm kann hier nachgelesen werden.

Unterstützt durch die Vienna Design Week und die Erste Bank

Ausgezeichnet mit dem Erste Bank MehrWERT-Designpreis 2020 Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner im Stadtteil: Chess Unlimited, Kulturcafe Max, SHIZZLE – Kunst – und Kulturverein, Bookpoint und Oliver Hangl


Kollektiv Raumstation

Vor sieben Jahren in Weimar gegründet, ist das Kollektiv Raumstation heute auch in Wien und Berlin tätig. Bestehend aus einem interdisziplinären Team von kreativen und engagierten Menschen, will sich die Raumstation aktiv an der Gestaltung der Stadt beteiligen. Sie versteht sich dabei als Plattform und Impulsgeberin für eine Veränderung des städtischen Raums. Der Fokus ihrer Arbeit liegt stets darauf, den städtischen Raum zu hinterfragen, zu vermitteln, zu beleben, mit ihm zu spielen und zu einem Ort des Austauschs und gemeinsamer Erfahrungen zu machen. Sie arbeiten mit experimentellen Raumerkundungsmethoden, künstlerisch-aktivistischen Interventionen und aktivierenden Prozessen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Rolle der Bewohnerinnen und Bewohner – als Alltagsexperten, als Adressaten sowie Ausgangspunkt von Veränderungen, als Macherinnen und Macher.

Festival Kampagne 2020 © Bueronardin, Vienna Design Week

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