Zeitgenössische Kunst aus Afrika ist heute selbstverständlich Teil der globalen Kunstszene und des Kunstmarkts und wird ist in institutionellen Ausstellungen, in Museen und auf Biennalen präsent. Nicht zuletzt durch die kuratorische Tätigkeit des aus Nigeria stammenden Okwui Enwezor rückte die afrikanische Gegenwartkunst in das Blickfeld Europas und der US-amerikanischen Kunstszene.


Mit der in mehreren Institutionen in Deutschland und den USA gezeigten Ausstellung „The Short Century“ umriss Okwui Enwezor die Vielgestaltigkeit der afrikanischen Moderne und bestimmte Afrikas Platz in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts neu. Auf der von ihm geleiteten documenta 11 stellte er 2002 erstmals afrikanische zeitgenössische Kunst in den globalen Kontext. Zahlreiche Institutionen zogen damals nach und zeigten Projekte und Werke afrikanischer, afroamerikanischer und afroeuropäischer Kunst in Gruppenausstellungen und Einzelausstellungen. 2011 eröffneten Don und Mera Rubell in der Washingtoner Corcoran Gallery ihre Ausstellung „30 Americans“ zu sehen waren Werke von afroamerikanischen Künstlern, die in der Folge in vielen Institutionen gezeigt wurden. Und auch die 58. Venedig-Biennale präsentierte einen großen Anteil künstlerischer Positionen aus Afrika und seiner Diaspora, darunter die norwegisch-kongolesische Künstlerin Sandra Mujinga, die 2021 mit dem Preis der Berliner Nationalgalerie ausgezeichnet wurde und in Wien von Croy Nielsen vertreten wird. Auch eine Reihe weniger bekannter Positionen waren Teil der Hauptausstellung.

Neue politische Selbstbestimmung

Bewegungen wie Black Lives Matter, aber auch die Sichtbarkeit durch die sozialen Medien haben den Fokus auf die zeitgenössische afrikanische Kunst gelegt. Aber nicht nur das Interesse europäischer und US-amerikanischer Sammler wächst, ebenso etabliert sich langsam ein Sammlerpublikum in afrikanischen Ländern, wie etwa in Ghana und Nigeria. Galerien wie die 2003 gegründete Stevenson Gallery oder SMAC und Whatiftheworld – alle aus Kapstadt –, zeigen afrikanische Gegenwartskunst und sind Teil des internationalen Messegeschehens. Aber auch in vielen anderen Ländern Afrikas findet sich mittlerweile eine Reihe von Galerien und Kulturzentren, die vielfach von Künstlern initiiert wurden. Das ist bemerkenswert, gab es doch um 2000 noch einen relativ überschaubaren lokalen Kunstmarkt und vor allem hinsichtlich Ausbildungsmöglichkeiten und Kunstproduktion keine nennenswerte Infrastruktur. Das ist der Grund, warum viele Künstler zur Ausbildung und auch aufgrund der Möglichkeiten, ihre Werke auszustellen, nach Europa oder in die USA gingen.

Mit seinem Buch „Africa is not a country“ räumt der Autor Dipo Faloyin, Senior Editor des VICE-Magazins, humorvoll mit den Missverständnissen und Stereotypen zu Afrika auf. „Das Wichtigste ist zu wissen, dass Afrika kein Land ist, sondern ein Kontinent mit 54 kulturell wie geographisch diversen Ländern“, so Faloyin. Kann man daher von afrikanischer Kunst per se überhaupt sprechen? Zu groß ist der Kontinent und zu umfangreich und heterogen – von Malerei über Skulptur, Objektkunst, Video und Installation reicht die Bandbreite der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Und kehrt nach dem ab 2010 einsetzenden Hype am Kunstmarkt wieder mehr Nachhaltigkeit ein, sprich ein Interesse an der Arbeit der Künstler auch jenseits des Investitions-Aspekts?

James Mishio, Look Into My Eyes, 2022 © The Artist, Courtesy The Shariat Collections, Foto_ Jorit Aust

Afrikanisch zu sein bedeutet, mit afrikanischen Gemeinschaften, Nationen und Traditionen in Verbindung zu sein; es bedeutet aber auch, ein Leben zwischen Kulturen, Sprachen und Staaten zu führen. Es bedeutet, einen Zustand kultureller Hybridität anzunehmen und zu zelebrieren – aus Afrika und gleichzeitig aus anderen Welten zu sein.

Ekow Eshun

Kulturelle Hybridität

Wie vielfältig die afrikanische Kunstszene ist, dokumentiert das 2013 von Julia Grosse und Yvette Mutumba gegründet Onlinemagazin „Contemporary And“, in deren Fokus die zeitgenössische afrikanische Kunstpraxen und jene der Diaspora stehen. Auch Ekow Eshun, Kurator der Ausstellung The New African Portraiture“ in der Kunsthalle Krems zitiert den in Kenia geborenen Literaturwissenschaftler in Princeton Simon Gikandi: „Afrikanisch zu sein bedeutet, mit afrikanischen Gemeinschaften, Nationen und Traditionen in Verbindung zu sein; es bedeutet aber auch, ein Leben zwischen Kulturen, Sprachen und Staaten zu führen. Es bedeutet, einen Zustand kultureller Hybridität anzunehmen und zu zelebrieren – aus Afrika und gleichzeitig aus anderen Welten zu sein. Ein Kontinent“, so Eshun, „dessen Völker gemeinsame Erfahrungen aus der kolonialen Geschichte haben, aus den Handelsströmen und dem migrantischen Austausch, erzwungen wie freiwillig, die den Kontinent über Hunderte von Jahren geprägt haben."

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Die politische Selbstbestimmung, so Eshun, habe zu einer neuen Ära geführt, zu einem „Aufblühen der Aktivitäten in allen Künsten“, von Literatur, Musik, Mode und Fotografie, etwa mit Malick Sidibé und Samuel Fosso (aktuell zu sehen in Salzburg) bis zur Malerei und Skulptur geführt. Die Werke setzen sich mit dem kulturellen Erbe ebenso auseinander wie mit der postkolonialen Subjektivität und der Sichtbarkeit von „People auf colour“ in der figurativen Kunst. Es entstand ein neues Selbstbewusstsein in Bezug auf die afrikanische kulturelle Identität. Wie das Mediennetzwerk TRACE Africa unlängst proklamierte: „Afrikas kreative Renaissance ist JETZT!“ In diesem Milieu reüssiert nun auch eine junge Generation zeitgenössischer Künstler.

Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Artikel lesen Sie in unserer PARNASS Winterausgabe.

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