Wilhelm Hallen

Viel Raum für nicht so viel

Die Wilhelm Hallen in Berlin-Reinickendorf sind als neuer Kulturstandort etabliert – als Kunststandort müssen sie sich erst noch beweisen.


Nein, es kommt kein Venedig-Flair auf. Die Wilhelm Hallen in Berlin-Reinickendorf mögen ein wenig an das Arsenale in Venedig erinnern. Doch an deren Größe, an deren überwältigenden Charme und ihre architektonische Besonderheit kommen diese Berliner Industriehallen nicht heran.

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Dass sich ein Besuch in den ehemaligen Eisengießerei-Produktionshallen trotzdem lohnt, liegt an der Vielfalt der Positionen, die während der Art Week gezeigt werden. Und an der Hoffnung, die die Hallen für Künstler bedeuten können. Denn das große Thema für viele Künstler in Berlin ist seit Jahren der Bauboom, die Gentrifizierung und der damit verbundene Verlust von bezahlbaren Atelierräumen. Die Art Week hat ihr Festivalzentrum sogar in die bedrohten Uferhallen in Berlin-Wedding verlegt, um auf die Probleme der 150 dort arbeitenden Künstler aufmerksam zu machen. Sie klagen, dass die Stadt der Bauentwicklung wenig entgegen setzt, obwohl ihre Attraktivität von der internationalen Künstlerszene massiv profitiert, wie nicht nur der Erfolg der Art Week immer wieder zeigt. Mittlerweile finden jedoch selbst gut verdienende Künstler keine Räume mehr und ziehen weg. Katharina Grosse etwa etabliert ihr Archiv samt Stiftung momentan im Umland.

Insofern sind die denkmalgeschützten Wilhelm Hallen, die in den vergangenen drei Jahren rücksichtsvoll saniert wurden, ein Glücksfall mit Potenzial. Noch immer werden freie Flächen vermietet, während verschiedene Handwerker, Architekten, Musiker, Produktionsfirmen, Galeristen und Künstler eingezogen sind. Sie alle schätzen den Industriecharme, der auch als Gegenentwurf zum ein wenig langweilig gewordenen White Cube erscheint.

Doch längst nicht alle Werke, die die fünfzehn Galerien (unter ihnen Esther Schipper, PSM, Efremidis, Alexander Levy, carlierIgebauer, Klemm’s Berlin) anlässlich der Art Week jetzt zeigen, überzeugen in den weitläufigen, hohen Hallen. Vieles wirkt zu klein, zu bunt und eher dekorativ, anderes geradezu verloren. Und das Nebeneinander künstlerischer Positionen, die die verschiedenen Galerien positioniert haben, erscheint meist sehr beliebig.

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Selbst die Gruppenausstellung mit Arbeiten von Peter Becker & Shapiro Vertikal, Jonas Burgert, Martin Eder, Lars Eidinger und Maximilian Schippmann, die die Berliner Künstlerin Anna Borowy arrangiert hat, wirkt konzeptlos und erzählt nichts. Ein wenig kuratorische Anstrengung wäre hier und an vielen anderen Stellen hilfreich gewesen, um dem Eindruck eines allzu zufälligen Nebeneinanders zu vermeiden.

Denn Entdeckungen unter den jungen, zum Teil erstmals in Berlin präsentierten Positionen gibt es einige. Etwa die zarten, auf Ausschnitte fokussierenden Gemälde der Südkoreanerin Soo-Min Kim. Oder die raumgreifenden Arbeiten von Nathini van der Meer, die ihre Erfahrungen in der kalifornischen Wüste (unter anderem) in einer großen Licht-Sound-Sand-Installation verarbeitet hat. Auch die beiden Kuppelzelte von Isabella Fürnkäs, präsentiert von der Galerie Hua International, stechen aus der oft uninspirierten Verteilung der Arbeiten in den Hallen deutlich heraus. Die an Nester oder Inseln erinnernden leuchtenden Zelte sind reizvolle Objekte voller – auch sehr politischer – Interpretationsmöglichkeiten.

Wilhelm Halle, Installationsansicht, Foto: Joe Clark

Über die Festivaltage hinaus macht der Galerist Mehdi Chouakri die Wilhelm Hallen zu einem wichtigen Galerie-Treffpunkt. Denn Chouakri, Berliner Galerist seit 1996, hat die räumliche Veränderung zum Prinzip gemacht. Die Wilhelm Hallen sind sein sechster Galerie-Standort in Berlin. An dem präsentiert er neben Arbeiten von Saadane Afif dauerhaft das Archiv der minimalistischen Malerin und Bildhauerin Charlotte Posenenske (1930-1985).

Wilhelm Hallen

Kopenhagener Str. 60-72, 13407 Berlin (Reinickendorf)
Deutschland

HALLEN#3 - REINICKENDORF RULES

bis 18.09.2022

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