Alte Pinakothek München

VENEZIA 500

Die Ausstellung „Venezia500“ in der Alten Pinakothek München widmet sich der künstlerischen Umbruchszeit in der Renaissance, die verbunden war mit bahnbrechenden Neuerungen in der venezianischen Malerei, die bis weit in die europäische Moderne nachwirkten.


Die Ausstellung vereint 15 Meisterwerke der Münchner Sammlung mit herausragenden internationalen Leihgaben und konzentriert sich auf Porträts und Landschaften aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn hier treten die Charakteristika und Errungenschaften der in Venedig florierenden Malkunst deutlich hervor. Die führenden Meister ergründeten das Wesen von Mensch und Natur – auch in deren Relation zueinander – mit einer nie dagewesenen Intensität. So erklärt sich die  Anziehungskraft wie Relevanz ihrer Bildnisse und Landschaftsdarstellungen.

Revolution der Bildsprache

Mit der Expansion auf die Terraferma und durch das Netzwerk an Handelsbeziehungen in den Norden nahm die venezianische Malerei auch Elemente der internationalen Gotik auf und durchbrach den bisher vorherrschenden byzantinischen Stil. Von der „revolutionären Neuartigkeit der Bildsprache“ um 1500 schrieb der italienische Kunsthistoriker Salvatore Settis, die sich vor allem in den Gemälden des späten Giovanni Bellini (um 1435-–1516) des früh verstorbenen Giorgiones (1473/74–1510) und des jungen Tizian (um 1488/90–1576) manifestiert. Diese nur aus der Malerei der Frührenaissance abzuleiten, zitiert der Kunsthistoriker Johannes Graeve in seinem Katalogessay Settis’ Aufsatz, greife zu kurz, denn „sie unterscheide sich von dem bis dahin Bekannten.“

Ein neuer Porträttypus

Lange Zeit war die Darstellung im Profil, wie sie auch für Medaillen und Münzen üblich war, die geläufige Porträtform. Die Zuwendung zum Betrachter, das Herausblicken aus dem Bild wurde in den Niederlanden früher als in Italien vollzogen, etwa durch Jan van Eyck oder Hans Memling, dessen um 1474 entstandenes „Bildnis des Bernardo Bembo“, aus dem Museum für schöne Künste in Antwerpen daher auch am Anfang der Ausstellung steht. Durch das Herauswenden aus dem Bild erhält der Dargestellte mehr Raum und Präsenz. Memling und auch Dieric Bouts schufen zumdem auch erstmals Porträts vor landschaftlichem Hintergrund. Ein Typus, der in Venedig aufgenommen wurde, wie die farbenprächtigen Gemälde Bellinis wie „Maria mit dem Kind in einer Landschaft“ (um 1508) oder Marco Basaitis „Beweinung Christi“ (um 1506) – beide aus der Sammlung der Alten Pinakothek – veranschaulichen. Vor allem Letzteres zeigt deutlich eine Neuinterpretation altniederländischer Kompositionen.

Tiziano Vecellio, gen. Tizian (um 1488/90–1576), Junge Frau bei der Toilette, um 1515, Leinwand, 99 x 76 cm, Paris, Musée du Louvre, © bpk | RMN – Grand Palais | Thierry Le Mage

Belle Donne

Eine Besonderheit der venezianischen Malerei sind auch  die belle donne: Halbfigurige erotische Porträts, die den gängigen Schönheitsidealen entsprachen, die von Francesco Petrarca in seiner Liebeslyrik beschrieben wurden. Weibliche Idealbildnisse sind keine Einzelphänomen der venezianischen Malerei, doch die Bildnisse von Tizian, Palma il Vecchio und anderen bestechen durch eine vermeintliche Individualität der zumeist anonymen Frauen. Teils sind sie gekleidet wie wohlhabende Venezianerinnen oder halb entblößt mit sinnlichem Ausdruck dargestellt.

Ein Schauerlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Die Ausstellung stellt die Frage nach ihrer Identität, denn es bleibt unklar, ob es sich hier um Kurtisanen handelt oder ob die Porträts als Brautbilder dienten, so die gewagte These der Schau. Auf jeden Fall sind hier mit Tizians „Junge Frau bei der Toilette“ aus dem Louvre, seiner „Eitelkeit der Welt“ aus der Sammlung des Museums und Palma il Vecchios „Bildnis einer jungen Frau mit blauen Kleid mit Fächer“ aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien einmalig Meisterwerke nebeneinander zu sehen, die alle um 1515 entstanden sind – ein Schauerlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Jacopo Negretti, gen. Palma il Vecchio (um 1480–1528), Bildnis einer jungen Frau in blauem Kleid mit Fächer, nach 1514, Pappelholz, 63,5 x 51 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, © KHM-Museumsverband

Arkadische Landschaften und Naturbeobachtung

Mit Giorgiones „La Tempesta“ beginnt ein neues Kapitel der europäischen Landschaftsmalerei, so der Kunsthistoriker und Kurator der Ausstellung Andreas Schumacher in seiner Einführung. Giorgione befreit sich von der traditionellen Auffassung der Landschaft als Raum für religiöse und mythologische Inhalte, so Schumacher, und „widmet sich der Herausforderung an erster Stelle für die schöpferische Natur selbst einen künstlerischen Ausdruck zu entwickeln.“ Mittels der Darstellung des Gewitters stellt er die Atmosphäre eines Naturphänomens innerhalb einer fiktiven Landschaft in den Fokus. Das Aufkommen von Naturbeobachtungen in der venezianischen Malerei resultierte aus der Kenntnis der nordalpinen Tafelmalerei, die durch Druckgrafiken Verbreitung fand. In den Bildern Bellinis und der ihm nachfolgenden Meister sind Details vor allem aus dem Veneto und dem Hügelland der Terraferma zu finden, die als Hintergrund für religiöse Darstellungen dienten. Gleichzeitig führten sie den Blick des Betrachters in die Tiefe des Bildes.

Giovanni Bellini (um 1435–1516), Maria mit Kind zwischen Johannes dem Täufer und einer Heiligen, 1500–1505, Holz, 55 x 77 cm, Venedig, Gallerie dell’Accademia, © Gallerie dell'Accademia di Venezia/su concessione del Ministerio della Cultura

Den Abschluss der Ausstellung bildet eine Auswahl an den in der venezianischen Malerei weit verbreiteten Familien- und Stifterbildnissen, darunter auch Tintorettos Bildnis der Familie Maggi. Ein bislang wenig beachtets Familienporträt, zu dem durch die jüngsten Forschungen jedoch neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Insgesamt ist die Schau ein visuelles Erlebnis, aber vor allem auch ein kunsthistorisch profunder Einblick in den Aufbruch der venezianischen Malerei, die ermöglicht wurde durch eine günstige Konstellation an herausragenden Künstlern und einen Kreis von Auftraggebern, die über ein hohes Maß an Sensibilität und Offenheit verfügten. Was sie jedoch darüber hinaus so bemerkenswert macht, ist das mit der Ausstellung verbundene interdisziplinäre Forschungsprojekt zu den Werken der venezianischen Malerei der Renaissance in der Alten Pinakothek, in der wohl ein Bildnis Giorgiones wiederentdeckt wurde.

Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag lesen Sie in unserer PARNASS Winterausgabe.

Alte Pinakothek

Barer Str. 27, 80333 München
Deutschland

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