Stefan Weppelmann übernimmt die Leitung des MDBK - Museum der bildenden Künste Leipzig

STEFAN WEPPELMANN | © Foto: Renate Medwed, Wien_1

Der Kunsthistoriker Stefan Weppelmann, seit 2015 Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, wechselt von Wien nach Leipzig und übernimmt im Jänner 2021 die Leitung des Museums der bildenden Künste. 


Stefan Weppelmann studierte Kunstgeschichte, klassische Archäologie und Kommunikationswissenschaft in Münster und promovierte 2002 mit einer Arbeit zur toskanischen Malerei der Frührenaissance. Ab 2003 arbeitete er als Kurator für italienische und spanische Malerei der Renaissance an der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. 2015 wechselte er nach Wien ins Kunsthistorische Museum. Ebendort trafen wir ihn vor seiner Abreise nach Leipzig im Dezember 2020 zum Gespräch.

PARNASS: Das Museum der bildenden Künste in Leipzig ist wie das Kunsthistorische Museum eine Gründung des 19. Jahrhunderts, hat aber eine grundsätzlich andere Geschichte und geht auf eine Initiative der Leipziger Bürgerschaft, auf Leipziger Kunstsammler und -förderer zurück. Welche Aufgaben stellen sich speziell in Leipzig?

STEFAN WEPPELMANN: Die Aufgabe des MdbK ist primär, ein Museum für die Stadtgesellschaft zu sein. Diese hat die Sammlung vor über 150 Jahren hervorgebracht, verbunden mit Bürgerstolz und dem Ansinnen, durch die Kunstsammlung auch die Stadt zu repräsentieren. Seit damals haben sich natürlich neue Aufgaben und Anliegen hinzugesellt. Leipzig ist eine sehr dynamische Stadt, die einen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Wandel durchgemacht hat – zu nennen sind vor allem der weitgehende Niedergang der Braunkohleförderung und natürlich die vielen Neupositionierungen infolge der deutschen Einheit. Deswegen hat das Museum eine große Relevanz als Ort der Begegnung für die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen dieser Stadt, die auch geprägt ist von vielen Menschen, die in den letzten Jahrzehnten hinzugezogen sind. Ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, sich austauschen, sich begegnen können und – ich sage es sehr pathetisch – auch Heilungsprozesse durchlaufen können. Denn durch die Kunst kann ihre Geschichte lebendig gehalten werden, strukturelle Probleme und auch die Suche nach neuen Identitäten können sichtbar gemacht werden.

P: Leipzig hat eine sehr vielfältige Kunstszene, die auch international relevant ist.

SW: Gemessen an der Größe der Stadt ist die Kulturszene sehr lebendig, besonders in der Musik, aber auch in der darstellenden und in der bildenden Kunst. Die Maler der Leipziger Schule sind international bekannt. In jüngerer Zeit treten auch Film und Fotografie verstärkt auf den Plan. Hinzu kommt die Rolle Leipzigs als Messestadt mit internationalem Austausch und Handel.

MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE LEIPZIG | Haupteingang | Foto: punctum FOTOGRAFIE / Alexander Schmidt

P: In den letzten Jahren wurde die Frage nach der Sichtbarkeit und Relevanz der Kunst der ehemaligen DDR heftig diskutiert. Ausstellungen wie „Point of No Return“, die 2019 im MdbK gezeigt wurde, widmeten sich dem gesellschaftlichen Umbruch in den 1980er-Jahren. Wird das Museum hier auch in Zukunft einen Schwerpunkt setzen?

SW: Inzwischen ist es so, dass man sich um die Kunst, die während der DDR-Zeit entstanden ist, bemüht und auch stolz darauf ist. Und das ist auch richtig so, denn es finden sich bedeutende Künstler wie Lutz Dammbeck, Karin Plessing, Günther Huniat und viele andere, die aber wegen der besonderen Rahmenbedingungen nicht in den Fokus gerückt sind – nicht in Gesamtdeutschland und schon gar nicht international. Hier besteht weiterhin Nachholbedarf. Unter den Künstlern sind viele, die mit den Medien Film und Fotografie und mit Intermedialität experimentiert haben und eine interessante Sicht auf die Welt thematisierten, ebenso wie die Anspannung, unter der sie standen, und dem Anspruch, Kunst zu produzieren, die glaubwürdig und wahrhaftig bleibt. Die Kunst der DDR war sowohl rebellierend, verstörend und sperrig wie auch manchmal angepasst und konform. Diese Facetten nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie auszuloten und miteinander in Dialog zu bringen, respektvoll damit umzugehen und auch die vielen kleinen Stimmen zu Wort kommen zu lassen, das ist ein Anliegen, das ich extrem faszinierend finde – was auch mit ein Grund war, warum ich erwogen hatte, nach Leipzig zu gehen.

P: Darüber hinaus ist auch die Möglichkeit des Gestaltens sicher ein Anreiz gewesen?

SW: Als Sammlungsleiter eines großen Museums kann man sich zwar einbringen, aber am Ende nicht wirklich auf die Institution und ihre Ausrichtung Einfluss nehmen. Ich freue mich daher, in einem Museum, das so viele Möglichkeiten bietet, auch nachhaltige, gestaltende Museumsarbeit leisten zu können, nicht nur in Ausstellungsprojekten zu denken, sondern das Museum in seiner Gesamtheit zu sehen – vom Marketing bis zur Infrastruktur des Gebäudes.

Lesen Sie weiter in der PARNASS Ausgabe 04/20.

STEFAN WEPPELMANN | © Foto: Renate Medwed, Wien

MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE LEIPZIG | Halle, 1. Obergeschoß | Foto: punctum FOTOGRAFIE / Alexander Schmidt

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