Ein Interview mit Werner Boote

Wie steht es um unseren Plastic Planet?

2009 kam der Film „Plastic Planet“ in die Kinos. Mittlerweile zählt er zu den 100 erfolgreichsten Dokumentarfilmen aller Zeiten. Eindrucksvoll werden darin die Gefahren von synthetischen Kunststoffen und ihrer weltweiten Verbreitung aufgezeigt. PARNASS hat mit dem Filmemacher Werner Boote über unseren aktuellen Plastikkonsum und Auswege aus dem Plastikzeitalter gesprochen.


„Der Kunststoff, so wie wir ihn heute verwenden, ist vielleicht die unglücklichste Erfindung, die wir uns nur vorstellen können“, mahnt Werner Boote gleich zu Beginn unseres Gesprächs. „Weil man damit Produkte herstellt, die wir im Durchschnitt 20 Minuten verwenden, während das Material jedoch 500 Jahre hält.“ Es ist Fakt: Der weiche Kunststoff präsentiert sich umwelttechnisch leider äußerst robust – Abbau oder Zersetzung kennt er nicht. Im Laufe vieler Jahre zerfällt Plastik lediglich in kleinere Teilchen unter 5 Millimeter, sogenanntes Mikroplastik.

Mathematiker haben berechnet, dass sich mit dem gegenwärtigen Plastikvorkommen der ganze Erdball einwickeln lässt.

Mikroplastik im menschlichen stuhl nachgewiesen

„Das Mikroplastik-Verbot ist ein endloses Dilemma“, bemerkt der Filmemacher. Denn noch kommen die feinen Partikel auch gezielt zum Einsatz, um etwa in der Kosmetikindustrie Farbe und Konsistenz der Produkte zu beeinflussen. „Und dann wird das Ganze mit scheinbar freiwilligen Bekenntnissen zum Plastik-Verzicht unterwandert, während die Textilindustrie gleichzeitig nahezu komplett auf synthetische Materialien übergeht.“

Nachdem wir Körper und Kleidung gewaschen haben, transportieren unsere Abwässer die Mikropartikel ins Meer oder lassen sie als Klärschlamm auf die Felder wandern. „Stellen Sie sich vor, wie viel Plastikfasern bei jedem Waschvorgang eines einzigen Fleece-Pullovers in die Umwelt gehen. Aber wer schreibt schon der Bekleidungsindustrie etwas vor?!“ Oder der Autoindustrie? Laut TU Berlin sorgt der Reifen-Abrieb in Deutschland jährlich für 120.000 Tonnen Mikroplastik.

Werner Boote | Foto: Nini Tschavoll

Über die Luft oder als Niederschlag gelangen die winzigen Teilchen in die Erde, in die Nahrung und schließlich in den menschlichen Körper. 2018 konnten das österreichische Umweltbundesamt und die MedUni Wien in einer Studie erstmals Mikroplastik im menschlichen Stuhl nachweisen. Und wer noch mehr Plastik braucht: Mathematiker haben berechnet, dass sich mit dem gegenwärtigen Plastikvorkommen der ganze Erdball einwickeln lässt. Plastic Planet eben. 

‚Wir leben in einem Plastik-Zeitalter‛ ist einer der ersten Sätze im Film. Und mittlerweile haben Wissenschaftler der britischen Universität Leicester wirklich diese Epoche des Menschenzeitalters ausgerufen.

Werner Boote

Plastic Planet | Filmstill, 2009 | © Werner Boote

Über 80 PrOzent nicht fachgerecht entsorgt

Initiativen wie Plastic Clean-Ups versuchen zwar bereits die Plastikflut einzudämmen, doch wohin mit dem ganzen Müll? Eine nachhaltige Lösung gibt es (noch) nicht. Die Devise lautet eher: aus den Augen, aus dem Sinn. Bis 2018 importierte China 45 Prozent des weltweiten Plastikmülls, die EU-Mitgliedsstaaten schickten gar 85 Prozent ihrer jährlich 26 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle nach Osten. Und das oftmals auch illegal. Laut Interpol-Berichten sind die neuen Zielländer mit den Müllmengen oft überfordert.

Vietnam, Indien oder Indonesien entsorgen über 80 Prozent des Plastikabfalls nicht fachgerecht, Unternehmen stellen mitunter sogar falsche Recycling-Zertifikate aus. Auch Österreich gewinnt dabei keine Goldmedaille: 2019 haben sich 700 Tonnen an nicht-recycelbarem und mit Chemikalien belastetem Plastikmüll von Amstetten über Hamburg auf die Reise nach Kuala Lumpur gemacht. Greenpeace hat die Miss(t)wirtschaft aufgedeckt, die Container kamen wieder retour. Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/2021!

Plastic Planet | Filmstill, 2009 | © Werner Boote, Foto: Thomas Kirschner

 


TRAILER: PLASTIC PLANET


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