Spazierfahrt entlang der Ringstraße

Foto: PARNASS

Nachdem wir beim Rundgang 1 die Denkmäler entlang der Ringstraße beschrieben haben, laden wir dich diesmal zu einem Spaziergang zu einigen Kunstwerken im öffentlichen Raum entlang der Ringstraße und in der Innenstadt ein.


Franz West – Vier Lemurenköpfe
Stubenbrücke, 1010 Wien

Die Lemurenköpfe auf den Pylonen der Stubenbrücke von Franz West (1947–2012) entstanden anlässlich der Retrospektive des Künstlers „Franz West: Gnadenlos“, 2001 im MAK-Museum für angewandte Kunst. Sie waren anfangs auch nur für die Dauer der Ausstellung vorgesehen wie auch die Arbeit „Centripetale“ eine zweiteilige Skulptur, die in Sichtachse zu den Lemuren am Dr.-Karl-Lueger-Platz installiert war. Die Lemuren wurden jedoch dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt und blieben auch nach der Ausstellung auf der Stubenbrücke. 2014 wurden sie abgenommen und restauriert und 2016 wieder installiert. West zählt zu den international bekanntesten österreichischen Künstlern. 2011 bekam er den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig für sein Lebenswerk. 2018 ehrte in das Centre Pompidou in Paris mit einer erfolgreichen Ausstellung. West studierte bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Geprägt durch den Wiener Aktionismus lotete er mit oftmals großformatigen Skulpturen und Plastiken das Spannungsfeld zwischen Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand aus und reüssierte Anfang der 1970er-Jahre mit seinen Passstücken aus Papiermaché und Gips. Die Lemurenköpfe, erstmals präsentiert 1992 auf der documenta, entstanden in einer Reihe von Varianten sowohl als Indoor-Skulpturen als auch als Skulpturen im öffentlichen Raum. Die archaischen Köpfe auf der Stubenbrücke sind aus lackiertem, geformten Aluminium und stellen eine Verbindung zum Wienfluss dar, den die Brücke überspannt, indem sich auf die Symbolik des fließenden Wassers beziehen. „Denen, die in dieselben Flüsse steigen, fließen immer neue Wasser zu, und immer neue Seelen entsteigen dem Nass.“ Diese Sentenz nach Heraklits „Fragment“, so die Beschreibung der KÖR, stellte Franz West  seinen „Vier Lemurenköpfen“ zur Seite. „Während Lemuren in der römischen Mythologie die nächtlich umherschweifenden Seelen der Verstorbenen bezeichnen, benennt der Wiener Dialekt mit dem Begriff auch fragwürdige Zeitgenossen. Über dem Wien-Fluss montiert, versinnbildlichen die Lemurenköpfe die Gespenster der Vergangenheit. Den Verblichenen und Vergessenen stünden aber, so der Künstler, immer wieder neue Talente gegenüber.“


Michael Kienzer – Stylit
Stubenring 5, 1010 Wien

Die Skulptur hebt sich wenig vom Umraum ab und ist innerhalb der Verkehrsschilder und Lichtmasten oft erst auf dem zweiten Blick sichbar. Aber genau Beiläufigkeit sowie und die Funktion und Sichtbarkeit von Skulptur im öffentlichen Raum per se macht Michael Kienzer hier anschaulich zum Thema seiner Skulptur. Zusammengesetzt aus scheinbaren Fundstücken, nimmt er die Vertikalität der umliegenden Stadtstruktur auf. Doch im Gegensatz zur Stadtmöblierung verweigert sich die Skulptur jeglicher Funktionalität, ja führt diese sogar ad absurdum. Am Ende des meterlangen Rohrs, das aus einem topfartigen Sockel sprießt, ist eine Brunnenpumpe montiert, die – unerreichbar für den Passanten – in Höhe der Baumwipfel und der Straßenbeleuchtung sitzt.

Michael Kienzer – Stylit, Foto: PARNASS

Michael Kienzer – Stylit, Foto: PARNASS


Donald Judd – Stage Set
Stadtpark, 1030 Wien

Die Skulptur „Stage Set“ entwickelte der amerikanische Künstler Donald Judd (1928–1994) eigens für die Ausstellung „Donald Judd. Architektur“, 1991 im Wiener MAK. Eingeladen wurde der Künstler von dem mit ihm befreundeten damaligen Direktor des Museums Peter Noever. Es ist, so Peter Noever auf seiner Webpage, die größte (Innen-) Skulptur, die Judd jemals geschaffen hat. Sie macht „unmittelbar erkennbar, nachvollziehbar, welche räumliche Impulse von dieser streng geometrischen Arbeit ausgehen. Auch Maßnahmen, die zwischen der Dichte und den Leerräumen die Harmonie in ein Spannungsfeld, am ehesten vergleichbar mit einem eindrucksvollen, urbanen Stadtbild, versetzen, stellen das Rückgrat von Donald Judds Architekturauffassung dar.“ Die Skulptur besteht aus einem Stahlgerüst in dem sechs, verschiedenfarbige – rot, gelb, blau, schwarz, grün und orange – Stoffbahnen in unterschiedlicher Höhe in einem geometrischen Rahmen angebracht sind. Sie zeigen im großen Maßstab Charakteristika von Judds künstlerischer Arbeit. Judd gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter des Minimalismus. Zentrale Themen seiner Werke sind Farbe, geometrische Formen, der Raum und das Arbeiten in Serien an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Architektur. „Stage Set“ wurde 1995 der Stadt Wien geschenkt und ist seit 1996 im Wiener Stadtpark aufgestellt. Die Farben sind heute verblasst.


Gregor Eichinger – Skulptur GO
Ecke Herrengasse/Fahnengasse, 1010 Wien

Das Hochhaus Herrengasse, Anfang der 1930er-Jahre errichtet, ist das erste Wiener Hochhaus. Zuvor befand sich hier ein Palais der Familie Liechtenstein, dessen angrenzende Reitschule 1872 in den berühmten Bösendorfer Konzertsaal umgebaut wurde. Daran erinnert noch heute eine Plakette, die an der Ecke zur Fahnengasse angebracht ist. Gemeinsam mit der Initiative Herrengasse+ war die aktuelle Verwaltung des Hochhauses Herrengasse Initiator der neu entstandenen Flaniermeile Herrengasse. Die Skulpturen des Architekten und Designers Gregor Eichinger (*1956) bilden hier einen wichtigen Akzent. Die schwarzen und weißen Sitzsteine aus Marmor laden zudem zum Verweilen ein. Basis der Skulptur bildet das strategische Brettspiel GO, das ursprünglich im antiken China entwickelt wurde und bis heute vor allem in asiatischen Raum beliebt ist. Eichinger nimmt aber vor allem auf ein denkwürdiges Spiel im März 2016 Bezug. Damals besiegte die Künstliche Intelligenz Alpha-Go, den südkoreanischen Go-Weltmeister Lee Sedol. Erstmals spielte eine Maschine intuitiv – sie hatte sich das Spiel selbst beigebracht – und gewann. Ein Ereignis, das als „game changer“ in der Artifical Intelligence gesehen wird. Die Skulptur, reflektiert diese einschneidende Veränderung in der Beziehung zwischen Mensch und Maschine.


Christian Hutzinger – Ausstellung „Satellite III“
Hochhaus Herrengasse Ecke Fahnegasse/Wallnerstraße

In diesem Fall handelt es sich um keine Kunst im öffentlichen Raum, weil man aber die Galerieräume gut von außen einsehen kann, sie sich im historisch interessanten Gebäude des ersten Wiener Hochhauses befinden haben, passen sie gut in unserem Rundgang. Auf Einladung der Galerie Martin Janda, die unter dem Titel „Satellite“ das derzeit leerstehenden Geschäftslokal Ecke Fahnengasse/Wallnerstraße mit Ausstellungen bespielt, zeigt Christian Hutzinger (*1966) eine Auswahl seiner Werke. Die prägnanten Arbeiten des Künstlers sind im Zwischenbereich Abstraktion und Figuration angesiedelt. Sei es, dass er Wahrnehmungen aus dem urbanen Kontext aufnimmt und transformiert oder umgekehrt gänzlich in der Realität der Leinwand arbeitet und erst die fertige Bildkonzeption Assoziationen an Figuratives evoziert. Der künstlerische Ausgangspunkt ist die Bildfläche. Die Acrylfarben werden flächig und opak aufgetragen. Sowohl die Farben als auch die Formen erinnern zuweilen an die Ästhetik der 1970er- und führen 1980er-Jahre, was der Künstler durchaus intendiert. Hutzinger sieht seine Arbeit stets auch als Gesamtkomplex, in der sich die Entwicklung von einer Werkserie zur anderen auch „nur sehr langsam“ vollzieht. Insgesamt wird trotz der bunten Farben und der zuweilen auch verspielten Formen sein Werk nüchtern und pragmatisch, ja geradezu konzeptuell. Doch der Künstler selbst weist jeden Anspruch auf Perfektion im Arbeitsprozess von sich. Vielmehr betont er, dass er vor allem im Scherenschnitt und der Collage, die eine konstante Grundlage seines Schaffes bildet, sehr prozessorientiert arbeitet und auch die Bilder diese spielerische Form evozieren sollen.


Rachel Whiteread – Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah
Judenplatz, 1010 Wien

Das Mahnmal wurde von der britischen Künstlerin Rachel Whiteread (*1963) geschaffen. Initiator des Denkmals war der prominente Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal, der Mitte der 1990er-Jahre ein Monument für die ermordeten österreichischen Juden und Jüdinnen forderte. Whitereads Monument wurde im Oktober 2000 am Judenplatz enthüllt und erinnert sowohl an die Shoa als auch an die blühende jüdische Gemeinde des 15. Jahrhunderts in Wien, die zu den größten und bedeutendsten in Europa zählte, berühmte Rabbiner lehrten und die Stadt zu einem Zentrum jüdischen Wissens machten. Mit der Vertreibung und Ermordung der Wiener Juden um 1420 fand dies ein abruptes Ende. 1995 fand man bei Ausgrabungen am Judenplatz im Vorfeld der Denkmalsetzung Reste der im 15. Jahrhundert zerstörten Or-Sarua-Synagoge. Die im Jahr 2000 errichtete Zweigstelle des jüdischen Museums am Judenplatz beherbergt in ihrer Dauerausstellung die Funde und auch die Forschungsergebnisse aus dieser Zeit. Mittels eines virtuellen Rundgangs wird die eine Rekonstruktion des jüdischen Wien bis zum Alltagsleben der Juden im Mittelalter, erlebbar gemacht.

Rachel Whiteread, Holocaust Memorial, 2000, Judenplatz 1010 Wien

So verweist das Monument auf einzigartige Weise auf die verschiedene Zeitebenen des jüdischen Lebens und des Antisemitismus in Wien. Das Mahnmal, entspricht der charakteristischen Formensprache der britischen Künstlerin, deren Werke oft Abgüsse von Leer- und Innenräumen darstellen und die Thematik der Erinnerung haptisch erfahrbar machen und das Unangreifbare an sich, indem sie den Raum materialisiert. Das Mahnmal am Judenplatz stellt eine nach außen gekehrte, jedoch abgeschlossene Bibliothek dar, deren Regale mit Ausgaben ein- und desselben Buches bestückt sind. Sie stehen für Zahl der Opfer und ihre Lebensgeschichte, die nicht mehr fortgeschrieben werden konnte. Der Inhalt der Bücher bleibt ebenso verborgen, wie das Innere der Bibliothek. Die Flügeltüren, welche die Möglichkeit eines Kommens und Gehens andeuten, bleiben geschlossen. Der leere Raum ist eine beredte Erinnerung an die über 65. 000 für immer verlorenen Menschenleben.

Die in London geborene Rachel Whiteread studierte Malerei in Brighton, schloss jedoch ihr Studium im Bereich Bildhauerei ab, wo sie unter anderem bei Phyllida Barlow an der Slade School of Fine Art, studierte aber auch an der Akademie der Künste Zypern. Sie wurde mit einem Schlag berühmt, als sie 1993 ein zum Abriss freigegebenes Haus im Zentrum Londons in Beton goss und es auf diese Weise noch einige Monate an ebendieser Stelle stehen blieb. Sie war die erste weibliche Gewinnerin des „Turner Prize“, eines der renommiertesten britischen Kunstpreise.


Philip Johnson – Wiener Trio
Franz-Josefs-Kai/Schottenring, 1010 Wien

Der amerikanische Architekt Philip Johnson (1906–2005) schuf die Skulptur „Wiener Trio“ für die 1996 im MAK-Museum für angewandte Kunst-Gegenwartskunst gezeigte Ausstellung „Turning Point“. Die dreiteilige Skulptur war jedoch von Beginn an für den öffentlichen Raum konzipiert. Seit 1998 befindet das Wiener Trio am Franz-Josefs-Kai/Schottenring. Die Aufstellung im öffentlichen Raum wurde durch die Unterstützung der Wiener Städtischen Allgemeinen Versicherung AG ermöglicht und erklärt auch die Wahl des Standortes. Das Wiener Trio, bildet damit eine Achse zum Ringturm – ein Beispiel der Wiener Architektur der frühen 1950er-Jahre und zu Otto Wagners Schützenhaus am gegenüberliegenden Ufer des Donaukanals. Der Titel kann in diesem Zusammenhang auch als Bezug zu diesem Spannungsfeld gelesen werden. Zur Enthüllung kam der amerikanischen Doyen der Architektur, Philip Johnson eigens nach Wien. Der 2005 verstorbene Architekt reflektierte mit dem Wiener Trio seine langjährige Auseinandersetzung mit Formen des Monumentalen und schuf ein Werk an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Architektur.

Eingang KHM, Foto: PARNASS

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