Sinnstiftend: Danh Vo räumt in der Secession auf
Überraschenderweise wirkt der Hauptraum der Secession aktuell nicht deshalb sakral, weil sich darin Figuren aus der katholischen Geschichte finden, nein vielmehr kreiert Danh Vo tiefschürfende und berührend schwere Ernsthaftigkeit, indem er dem Weiß des White Cube Raum lässt und nur sehr zurückhaltend und präzise mit Objekten interveniert. Objekte allerdings, die es in sich haben.
Es sind fünf Installationen, fünf Zonen, die Danh Vo nach Verschiebung und Umplanung nun in der Secession inszeniert. Mixed-Media, gefunden, reinterpretiert oder einfach gewachsen – die Umstände sind vielfältig. Von selbstgezogenen Pflanzen hin zu zerteilten Reliquien. Doch nichts ist hier wirr, im Gegenteil. Das eklektische Denken das Vo ausmacht scheint auf den Besucher überzuspringen und man nimmt ihm das Stimmungsbild ab, das er zeichnet. „Was bestimmt, ob etwas nützlich oder funktionell ist? Warum ist das eine Ding schöner als das andere?“ fragt Vo und entlarvt ohne dabei anzuklagen.
Schon eher zeichnet den Künstler, der als Säugling mit seiner Familie in einem Boot von Vietnam nach Dänemark floh, ein hohes Maß an Subtilität aus. Ganzheitliche Betrachtung und ein bewusstes Sehen von Zusammenhängen sind für Danh Vos Arbeitsweise ebenso essenziell wie für das Verstehen derselben. Eine Reduktion der Reisetätigkeit im Jahr 2020 brachte den Künstler dazu, mehr Zeit am Güldenhof, seinem Bauernhof unweit von Berlin, zu verbringen und der Natur ein Stück näherzukommen. Die Ausstellung in der Secession hat Vo auf dieser Farm entwickelt. – Einem besonderen Ort mit groß angelegtem Garten, Gewächshaus, eigener Holz- und Keramikwerkstatt und viel Platz für sein Studio, wie Jeanette Pacher, Kuratorin der Wiener Ausstellung, von ihren Besuchen berichtet. Diese waren auch wichtig, um die Arbeitsweise des 1975 geborenen Künstlers zu verstehen, so die Kuratorin. Denn der Künstler ist interessiert am tiefen Gedankenaustausch und daran, längerfristige Zusammenarbeiten entstehen zu lassen, dem entspricht nicht nur der Dialog mit Bauern in der Umgebung des Güldenhofs, sondern auch die Art, wie Vo Material einsetzt – als Wert, der ernst genommen werden muss. So verwendet der Künstler etwa die Staffelhölzer aus der vorangegangenen Ausstellung von Dominique Gonzalez-Foerster in seinen Installationen wieder. Kreislaufdenken scheint natürlich für Danh Vo, er sei, so die Kuratorin der Ausstellung „materialeffizient“. Beispielhaft dafür war auch seine Idee, im Dachstuhl der Secession Pflanzen ziehen zu lassen. Das Einbeziehen von organischen Elementen ist aktuell ein wichtiger Schlüssel im Gesamterlebnis von Vos räumlichen Installationen. Danh Vō ist bekannt für eine Denkweise, die über den Prozess des Fragmentierens und Zusammensetzens hinaus Umstände begreifen will. Im Betrachten des Grün erkennt er eine Betrachtungsweise für das Leben an sich. „Um die Gegenwart untersuchen zu können, muss man die Vergangenheit verstehen: Jene Vergangenheit, die die eigene Gegenwart bestimmt. Ich glaube auch, dass man in die Zukunft schauen muss. Das ist zweifellos eine Lebensphilosophie, mit der ich lebe, und die, wie ich hoffe, in meiner Arbeit zum Ausdruck kommt“, so Danh Vō 2019 im Begleitheft zur Ausstellung „untitled“ in der South London Gallery.
Populär wurde Danh Vō, der 2015 Dänemark bei der Venedig Biennale vertrat mit der groß angelegten Arbeit „We The People“, einem 2011 begonnenen Langzeitprojekt zur Rekonstruktion der Freiheitsstatue von Frédéric-Auguste Bartholdi im Maßstab 1:1. Von den hunderten Bronzeteilen, die, so das Konzept, nie zusammengefügt werden sollen, hat es ein Ohr der Freiheitsstatue in die Secession geschafft, verbaut in Holz und bekrönt von einem Jesuskopf – eine der aktuellen Thematiken, die den Künstler beschäftigen, sind die Macht und Ohnmacht der Religionen – so löst Vo Elemente christlicher Ikonografie auf und deutet Versatzstücke unseres visuellen Alltags um. Wie Puzzleteile im Ausstellungsraum fügen sich weiße Fliesen aus Carrara-Marmor mit gefräster Musterung, die den Längsschnitt einer Christusfigur nachzeichnen. Eine abstrakte Form, die nicht nur große Kapitel der abendländischen Kulturgeschichte abstrahiert, sondern durch das Betreten des Bodens auch sprichwörtliche Neubetrachtungen einfordert – und das im Dialog mit der Natur, die den Ausstellungsraum auf ihre eigene Art dominiert. Vorrangig ist hier übrigens Kapuzinerkresse zu sehen – allein schon der Name der gewählten Pflanze verdeutlicht, dass sich auch in der Aneignung der Natur viele ungeklärte Machtverhältnisse spiegeln.
Secession
Friedrichstraße 12, 1010 Wien
Österreich