Rosemarie Castoro: Land of Lashes

Mit „Land of Lashes“ zeigt das MAK – Museum für angewandte Kunst die erste Einzelausstellung zur New Yorker Künstlerin Rosemarie Castoro (1939–2015) in Österreich.

Steht man im MAK in der aktuellen vielgestaltigen Ausstellung dem prägnanten Werk der 2015 verstorbenen Künstlerin Rosemarie Castoro gegenüber, kann man nur erstaunt darüber sein, dass diesem bisher – zumindest im deutschsprachigen Raum – so wenig museale Aufmerksamkeit zuteilgeworden ist. Die 1935 in Brooklyn geborene Rosemarie Castoro lebte und arbeitete ihr ganzes Leben in New York, wurde zu einer zentralen Figur der minimalistischen und konzeptuellen Kunstszene der Stadt und entwickelte in diesem Kontext ihre eigenwillige Formensprache. Inspiration fand sie schon während ihres Studiums des Grafikdesigns in einer intensiven Auseinandersetzung mit experimentellem Tanz, etwa in der Zusammenarbeit mit der bekannten Choreografin Yvonne Rainer.

Die Kuratorin Bärbel Vischer legt den Fokus auf Arbeiten der 1960er- und 1970er-Jahre, nachdem Rosemarie Castoro sich aus Protest gegen den Vietnamkrieg von ihrer farbigen Malerei abgewendet hatte und sich zunehmend mit dem Skulpturalen beschäftigte. Als „paintersculptor“ entzog sie sich selbst wie auch ihr Werk einer eindeutigen Kategorisierung.

Ihr gesamtes Œuvre ist zwar konzeptuell geprägt, steht aber in einem starken Bezug zu Raum und Bewegung und hat körperlichen und performativen Charakter. Es zeigt feministische Strategien und ein Spiel mit fluiden Geschlechterrollen. Die Rationalität des Minimalismus wird mit subtilen Doppeldeutigkeiten, surrealen und erotischen Anspielungen unterwandert. So markieren die riesigen „Brushstrokes“ eine Loslösung von den grundlegenden Elementen der Malerei, des Pinselstrichs auf der begrenzten Bildfläche, sie stellen deren Transformation ins Räumliche dar. Weder Gemälde noch Skulptur, behaupten sie sich mit eigenwilliger Autonomie in der Architektur und bevölkern diese mit choreographischer Intensität.

Rosemarie Castoro, Selbstporträt (Party of Nine), Atelier, Spring Street, New York, 1970er Jahre © Estate Rosemarie Castoro. Courtesy of Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg · Seoul

Die Serie der „Brushstrokes“ und verwandte Arbeiten entstanden durch das Auftragen einer Mischung aus Gesso, Modellierpaste und Marmorstaub auf Hartfaserplatten, die Castoro mit Hilfe von Besen oder ähnlichen Werkzeugen zu großen gestischen Streifen formte, die sie mit Grafit einrieb und anschließend sorgfältig ausschnitt. Großflächig und ähnlich einem Paravent aneinandermontiert, strecken sich die „Free Standing Walls“ wie die „Two Curves“ mit ihren sinnlich schimmernden Grafit-Oberflächen in architektonische Dimensionen.

Für freistehende Skulpturen arbeitete Rosemarie Castoro auch in Holz und in Stahl oder sie experimentierte mit organisch geformten Epoxidskulpturen wie in „Land of Lashes“, einer achtteiligen Arbeit, die als eine Reihe bewegt erscheinender Kreaturen spinnenartig daherkommt. Bärbel Vischer stellt ihr „Land of Lads“ gegenüber, eine Armada aus schwarzen Leitern, die wie „Land of Lashes“ Konnotationen zu Queerness birgt.

MAK Ausstellungsansicht, 2023, ROSEMARIE CASTORO: Land of Lashes, MAK Contemporary © MAK/Georg Mayer

Die formale Ambivalenz ihrer Skulpturen intensivierte Castoro mit ihrer Vorliebe für doppelbödige Wortspiele in den Titeln. In diesen lässt sie Mehrdeutigkeiten anklingen, die subtil auf Sexuelles abspielen können und subversiv Gesellschaftskritik, vor allem aber einen feinen hintersinnigen Humor freisetzen.