Kunsthistorisches Museum Wien

Neue Erkenntnisse über die „Gewitterlandschaft“ von Peter Paul Rubens

Schon seit 2017 ist die „Gewitterlandschaft mit Jupiter, Merkur, Philemon und Baucis“ von Peter Paul Rubens zurück in der Ausstellung des Kunsthistorischen Museums. Zuvor konnte sie mit Hilfe einer Förderung  durch die „Getty Panel Paintings Initiative“ drei Jahre lang erforscht und restauriert worden.


Doch was sich seitdem so einheitlich in Saal XIII präsentiert, ist ein Stückwerk aus verschiedenen Holztafeln. Wie die meisten Tafelbilder, die der Künstler für seine privaten Zwecke malte, zeigt auch diese großformatige Tafel die für Rubens charakteristische Konstruktionsweisen, in der mehrere Bretter mit verschiedenen Laufrichtungen zusammengefügt wurden. Diese bilden inhärente Schadensfaktoren. Bei der „Gewitterlandschaft“ führte vor allem die bisherige „Parkettierung“, die die Holztafeln in ein starres Korsett drängte zu gravierenden entstanden. Wie genau die Hölzer zusammengesetzt sind und was das Anstücken mit verschwundenen Reitern und Philemon und Baucis zu tun hat, erklärt der jetzt erschienene Band zur „Anatomie eines Meisterwerks“. Herausgegeben wurde der Band von Elke Oberhaler, Leiterin der Gemälderestaurierung im Kunsthistorischen Museum und Gerlinde Gruber, Rubens Expertin. Gemeinsam mit Stefan Weppelmann kuratierte sie 2017 die Rubens-Ausstellung, in der das restaurierte Tafelbild erstmals wieder zu sehen war.

Peter Paul Rubens (1577 Siegen - 1640 Antwerpen) Gewitterlandschaft mit Jupiter, Merkur, Philemon und Baucis um 1620/1625 bis um 1636 © KHM-Museumsverband

Alles begann mit einer Landschaft auf einer 84,9 mal 65,6 Zentimeter großen Eichenholz-Kerntafel. Wahrscheinlich entstand diese Landschaft in den 1620er-Jahren. Die Angabe bleibt auch nach neuester Forschung so ungenau, weil Rubens das Bild Zeit seines Lebens in seinem privaten Besitz behielt. Irgendwann in den folgenden zehn Jahren wurden neun Bretter vertikal um die Kerntafel herum ergänzt. Das bedeutete eine Fast-Verdopplung von Breite und Höhe. Rubens erweiterte die Landschaft, malte ein Gewitter und gab dem Bild eine neue Dramatik durch kleine Wasserfälle, entwurzelte Bäume und ein zwischen zwei Stämmen verkeiltes Rind. Im letzten Schritt, wohl Ende der 1630-Jahre, wurde das Bild noch einmal ringsum vergrößert. Im Endzustand misst das Gemälde nun 208,5 Zentimeter in der Breite und 146,8 in der Höhe.

Mit dieser Vergrößerung ging eine komplette inhaltliche Veränderung einher: Aus dem Landschaftsbild wurde eine Szene mit vielen Figuren, die im Unwetter sterben oder dabei sind, vor ihm zu flüchten. Zu ihnen gehörten auch Pferde mit Reitern, doch sind diese  heute nur noch mittels Röntgenfluoreszenzanalyse sichtbar. Denn Rubens hat sie mit dunklem Grau übermalt und an ihre Stelle Philemon, Baucis, Jupiter und Merkur gesetzt.

Rubens „Gewitterlandschaft“ in der Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband

Aus kunsthistorischer Sicht machten diese Erweiterungen aus einer dramatischen Landschaftsdarstellung  eine allegorische Szene mit mehrschichtiger Erzählung. Aus restauratorischer Sicht wurden sie das größte Problem der Bildtafel. Denn die zuletzt hinzugefügten vertikalen Seitenbretter haben einen anderen Holzfaserverlauf als die übrige Tafel. Das führte zu Spannungen und Rissen. Welchen Einfluss Zugluft, feuchte Mauern und acht Öfen auf den Zustand des Bildes hatten, beschreibt Elke Oberthaler. Sie erzählt in ihrem Bericht von gutgemeinten Irrtümern und verschiedenen Rettungsversuchen. Der wichtigste bilderhaltende Eingriff passierte nach ihrer Schilderung 1829/1830 mit der Anbringung einer rückseitigen Parkettierung. Diese stabilisierte das Bild, wurde in der aktuellen Restaurierungskampagne jedoch abgenommen und durch eine modernere Parkettierung mit einem ausgeklügelten Federsystem ersetzt. Der Text von George Bisacca erklärt dieses System sehr genau und nachvollziehbar und gibt einen faszinierenden Einblick in die Entdeckungen während der Rückseitenuntersuchung. George Bisacca von Metropolitan Museum New York zählt zu den führenden Tafelbildexperten. Gemeinsam mit José de la Fuente vom Museo del Prado Madrid und den Restauratoren des Kunsthistorischen Museums war Bisacca an der komplexe Restaurierung beteiligt. Ein Vorgehen das auch beispielhaft die bei so großen Projekten übliche internationale Zusammenarbeit dokumentiert, siehe auch PARNASS Artikel: Patchwork - Landschaften. Gemälderestaurierungen des Kunsthistorischen Museums.

Bis zur 2017 abgeschlossenen Erforschung und Restaurierung war nicht klar, dass das Bild in drei Etappen entstand. Jetzt gibt es sogar nachvollziehbare Vermutungen, warum die äußeren Ergänzungsbretter gegen jede Handwerkstradition entgegen dem Holzfaserverlauf an den Bildträger angestückelt wurden. „Man ist geneigt zu fragen, warum Michael Vrient, ein Handwerker von außergewöhnlichem Können und Wissen, diese letzten Tafelbestandteile entgegengesetzt zur Holzfaser ansetzte“, schreibt George Bisacca und antwortet, dass die vergrößerte Tafel offenbar schon während des Malens zur Wölbung neigte (oder eine solche befürchtet wurde). Die entgegen der Wuchsrichtung angebrachten äußeren Bretter sollten der Tendenz zur Wölbung offenbar entgegenwirken. „War der Wunsch, eine vollkommen ebene Tafel zu schaffen, ein vorrangiger Faktor für die Entscheidung, gegen grundsätzliche Prinzipien der Holzarbeit zu verstoßen?“, fragt Bisacca am Ende seines Textes.  Den aufwändigen Arbeiten zur aktuellen Stabilisierung der Tafelkonstruktion folgten eher unspektakuläre Arbeiten auf der Bildvorderseite. „Die Malerei von Rubens’ Gewitterlandschaft war durch die Alterung der von nicht originalen, unregelmäßig dick aufgetragenen, stark gegilbten und trüb gewordenen Firnisschichten farblich verfälscht und dadurch in ihrer Tiefenwirkung stark reduziert. Abgesehen von einigen lokalen Veränderungen und Sekundärschäden war sie insgesamt jedoch hervorragend erhalten geblieben. Die augenfälligsten Schäden waren Malschichthochstellungen, Stauchungen und Ausbrüche im Bereich der Sprünge und Fugen (...)“, so Restauratorin Ina Slama. Diese Schäden wurden dokumentiert und behoben.

© KHM-Museumsverband

Die Abfolge der Arbeiten lässt sich in diesem aufschlussreichen, üppig bebilderten und auch für Laien sehr verständlich geschriebenen Band mit großem Gewinn für das Bildverständnis nachverfolgen. Während die Forschung nun sicher weiß, dass das Gemälde allein von Rubens’ Hand stammt, erfährt der Leser viel über sich verändernde Maltechnik, Malerhandschriften und die Verwendung von Farbe, Pinseln und Fingern.


„Die Große Gewitterlandschaft von Rubens. Anatomie eines Meisterwerks“, Hrsg.: Gerlinde Gruber und Elke Oberthaler, 200 S. Hirmer Verlag, München, 30,80 €

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