Interview mit Ekow Eshun

Neue Afrikanische Porträtmalerei

Die Idee in der Kunsthalle Krems aktuelle Porträtmalerei aus Afrika und der afrikanischen Diaspora zu zeigen, entstand, so Florian Steininger, künstlerische Direktor der Kunsthalle Krems, bei einem Besuch im Pariser Musée d’Orsay 2019.


Zu sehen war auch das um 1800 von Marie-Guillemine Benoist gemalte „Porträt der Magd“ aus der Sammlung des Louvre, ein Porträt einer Person of Color. Das Werk zeigt den Blick einer weißen Aristokratin auf eine Schwarze Dienerin. Die zeitgenössische Malerei Afrikas stellt diesem Blick ein neues Selbstbewusstsein und Empowerment entgegen. Die figurative Malerei, die in Afrika stets ihre zentrale Rolle behalten hat, ist längst in der internationalen Kunstszene angekommen. In Österreich war davon allerdings noch wenig zu sehen. Umso interessanter erscheint die Zusammenstellung der Ausstellung, kuratiert von dem Londoner Kurator und Autor Ekow Eshun, ein ausgewiesener Experte in diesem Bereich.

PARNASS: Der Titel der Ausstellung lautet „The new African Portraiture“. Was macht die neue afrikanische figurative Malerei heute aus? Überschaut man die Vielfalt der Werke in der Ausstellung, erscheint es kaum legitim, von afrikanischer Malerei per se zu sprechen?

Ekow Eshun: Der Titel der Ausstellung „The new African Portraiture“ ist auch provokant gemeint. Ich wollte damit diese beiden Aspekte „neu“ und „Afrika“ in den Fokus rücken und die Künstler beantworten sie sehr eindrücklich. Es geht um neue Perspektiven, neue Fragestellung. Afrika ist ein ebenso umfassender wie nebuloser Begriff. Was aber die Ausstellung eindrücklich zeigt, ist, dass die Künstler diesen Raum „Afrika“ wieder für sich eingenommen haben, ihn zu ihrem machen – jeder auf seine individuelle Art. In der Ausstellung geht es weniger um die Frage, woher die Künstler kommen, sondern vielmehr um ihr gemeinsames Verständnis einer kosmopolitischen Welt. Es geht darum, ein Bewusstsein und Verständnis für die Komplexität ihrer Werke, für die afrikanische Kultur zu schaffen und die tradierten, konstruierten Klischees zu überwinden – und um die Identität der Menschen.

P: Viele Künstler studieren in Europa. In ihren Werken finden sich daher auch sehr deutliche Zitate der europäischen Kunstgeschichte.

EE: Die Künstler:innen setzen sich einerseits mit dem kulturellen Erbe ihrer Heimat auseinander, werden jedoch gleichzeitig mit der Traditon der Kunstgeschichte in Europa konfrontiert. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man in der Diaspora  lebt und  mehr als einen Ort Heimat nennt. Das bildet sich dann auch in ihren Werken ab, in der all diese Referenzen zusammengefügt werden, inklusive, wie es auch die Arbeiten in der Ausstellung zeigen, Zitaten von Matisse, Picasso wie zum Beispiel bei Everlyn Nicodemus, oder Schiele, Lucian Freud oder Klimt, wie dies bei Boafo oder Diop zu sehen ist.Doch gehen die Werke über diese Zitate hinaus und es entsteht durch diese Auseinandersetzung wieder etwas Neues. Letzten Endes sind diese Bilder Porträts. Die Werke haben nichts mit der traditonellen, europäischen Porträtkunst zu tun. Vielfach stellen die Künstler ihre Freunde und andere Künstler dar – einmal mehr dokumentiert sich darin Solidarität, emotionale Verbindung, Empathie. Das alles macht die Porträtkunst Afrikas so komplex und vielschichtig.

EKOW ESHUN, Foto: Kunstmeile Krems / Walter Skokanitsch

In der Ausstellung geht es weniger um die Frage, woher die Künstler kommen, sondern vielmehr um ihr gemeinsames Verständnis einer kosmopolitischen Welt.

Ekow Eshun

P: Sind nicht letztlich die Bilder auch eine selbstbewusste Antwort auf die Darstellung von „People of Colour“ in der westlichen Kunstgeschichte?

EE: Selbstverständlich. Wenn man als Schwarze Person in Europa lebt, verbringt man viel Zeit damit, angestarrt zu werden. Das ist eine sehr befremdliche und auch feindliche Erfahrung, stets verbunden mit der Frage, ob man wirklich hierher gehört? Die besondere Wirkung und Komplexität der afrikanischen Porträtmalerei besteht auch darin, dass diese Bilder uns auffordern, weiterzudenken, über die dargestellten Personen hinaus, sie mit den Augen der Künstler sehen. Die gesamte Ausstellung ist eine Aufforderung die Schwarzen Menschen in den Bildern als Subjekte zu begreifen.

Amir Shariat und Ekow Eshun vor Amoako Boafo, Kennedy, 2021, Foto: Skokanitsch Fotografie

P: Sie haben mit einer Privatsammlung gearbeitet, die mittlerweile gut 600 Werke afrikanischer Porträtkunst umfasst. Wie kommt man zu einer Auswahl?

EE: Florian Steininger und mir ging es darum, Afrika als einen „starting point“ zu nehmen und nicht als Endpunkt zu sehen. Wir wollten die enorme Vielfalt zeigen und keine Einzelaufnahme. Die Ausstellung zeigt auch den individuellen Spirit, die jeweils individuelle Ausdrucksweisen. Das macht die Schau für mich so spannend: dass man von einem Raum zum anderen gehen kann und unterschiedliche inhaltliche wie formale Perspektiven sieht.

Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Artikel lesen Sie in unserer PARNASS Winterausgabe.

Kunsthalle Krems

Museumsplatz 5, 3500 Krems an der Donau
Österreich

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