Wiens neuester Galerienzuwachs

Nachgefragt: Eva Presenhuber

Eva Presenhuber zählt zu den erfolgreichsten Galeristinnen ihrer Generation. Sie vertritt Topkünstler wie Peter Fischli, Ugo Rondinone, Doug Aitken und Shara Hughes, Tschabalala Self, Douglas Gordon und brachte US-Künstler wie Joe Bradley, Michael Williams, Karen Kilimnik auf den europäischen Markt. Außerdem arbeitet sie mit verstorbenen Künstlern wie  Franz West und Dieter Roth. Eva Presenhuber stammt aus Oberösterreich. 1989 geht sie nach Zürich und begann ihre Karriere als Galeristin. Sie zeigte früh Werke von Schweizer Künstlern wie Pipilotti Rist, Beat Streuli und Fischli/Weiss und baute ein internationales Portfolio auf. Zu ihren Galeriekünstlern zählt auch der Österreicher Tobias Pils – mit ihm eröffnete sie auch Anfang April ihre Wiener Galerie in der Lichtenfelsgasse 5. Ebenda traf PARNASS Eva Presenhuber.


PARNASS: Sie zählen zu den führenden Galeristen in der zeitgenössischen Kunstszene. Ursprünglich haben Sie jedoch in Wien Kunst studiert? Was hat den Grundstein für Ihrer erfolgreichen Weg als Galeristin gelegt?

Eva Presenhuber: Das ist richtig, ich habe an der Angewandten bei Ernst Caramelle und Oswald Oberhuber Kunst studiert. Aber schon während meines Studiums habe ich mich mehr dafür interessiert Ausstellungen zu besuchen als selbst Kunst zu machen. 1986 lernte ich Ugo Rondinone kennen, mit dem ich gemeinsam viele Ausstellungen besucht habe. Im letzten Studienjahr, 1988 habe ich in der Galerie Grita Insam gemeinsam mit Ugo eine Ausstellung kuratiert mit dem Titel MELENCOLIA und gemerkt, dass mich das sehr interessiert.

Ich wollte immer eine Galerie haben,
die Bedeutung kreiert.

P: Wie kam es jedoch dazu, dass Sie in die Schweiz gegangen sind?

EP: Ich war damals sehr jung und ich musste mir überlegen, was ich machen möchte. Ugo hatte dann die Idee ich solle in Zürich eine Galerie aufmachen. Es gab damals in Zürich keine Galerie, die sich explizit um zeitgenössische Kunst gekümmert hat. Es gab unter anderem die Galerie von Bruno Bischoffsberger, die er Anfang 1960er-Jahre eröffnete. Er zeigte Pop Art Warhol, Basquiat und später auch Künstler der Transavantguardia. Er vertrat jedoch keine zeitgenössischen Schweizer Künstler. Ich habe mich in der Kunstszene gut ausgekannt und diese Lücke durchaus gesehen. Und als dann zufällig die Stelle für die Leitung und Programmierung des Galerievereins Walcheturm ausgeschrieben war, habe ich mich beworben, die Stelle erhalten und damit ging ich nach Zürich.

P: Sie haben dort gleich zu Beginn ein sehr internationales und ambitioniertes Programm etabliert.

EP: Ich bin mit meinem Programm im Walcheturm damals herausgestochen und konnte interessante Künstler für meine Ausstellungen gewinnen und hatte das Glück, dass ich sehr schnell in der Schweiz gut aufgenommen wurde. Ich führte den Walcheturm als Plattform für Schweizer Gegenwartskunst, gleichzeitig baute ich auch ein Programm mit internationalen Künstlern auf, die ich vertreten und in der Schweiz zeigen wollte. In dem ich den Walcheturm als einen Ort für zeitgenössische Kunst etabliert habe, habe ich damals schon Maßstäbe gesetzt.

Eva Presenhuber, 2019, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Photo: Reto Guntli

P: Sie haben ja einmal den Satz in einem Interview gesagt: Sie möchte mit den Künstlern Kunstgeschichte schreiben.

EP: Das ist ein großer Satz, aber zum Teil ist es mir auch gelungen. Ich wollte immer eine Galerie haben, die Bedeutung kreiert. Nur zu verkaufen genügt nicht, auch wenn der Verkauf wichtig ist, aber es geht darum auch die interessantesten Künstlerposition zeigen, die auch Jahre später noch Bestand haben. Die Entscheidung nach Zürich zu gehen war ein wichtiger Meilenstein in diese Richtung und auch das Glück, dass ich alle Künstler, die mit denen ich zusammenarbeiten wollte, auch für mein Programm gewinnen konnte. Ich war innerhalb von drei Jahren bekannt, auch bei den jungen, angesagten Galerien in New York, die dann auch gleich interessiert waren mit mir zu kooperieren. Man kannte sich, viele der Galeristen waren aus meiner Generation, und man hat sich ein Netzwerk aufgebaut. Ich habe immer die richtigen Leute gefunden und kennengelernt.

P: Sie haben jedoch nicht nur junge Künstler gezeigt. Ab Mitte der 1990er-Jahre arbeiteten sie mit Franz West zusammen.

EP: Franz West kam 1994/1995 zu mir, als Peter Pakesch seine Galerie schloss. Ich kannte Peter von unserer gemeinsamen WG-Zeit und habe ihn angerufen und gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass Franz West bei mir ausstellt. Ich habe dann sehr viel mit Franz gemacht, auch viele Arbeiten in wichtigen Sammlungen platziert.

P: Das Programm der Galerie zeichnet sich auch durch einen Generationenmix aus. Neben Künstlern wie Jean-Frédéric Schnyder, Caroll Dunham, die Generation der um 1965/1960 Geborenen, wie unter anderem Michael Williams, Ugo Rondinone, Martin Boyce kommen immer wieder junge Positionen dazu.

Installation view, Tobias Pils, Between Us Space, Featuring Gerwald Rockenschaub, Galerie Eva Presenhuber, Vienna, 2022 © Tobias Pils © Gerwald Rockenschaub, Courtesy the artists and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

EP: Ältere Positionen wie Fischli/Weiss, JF Schnyder und Franz West, Dieter Roth, Candida Höfer zu vertreten, fand auch bei einer jüngeren und mittleren Generation sofort großen Anklang. Das waren alle sogenannte „Künstler Künstler“ und das stößt natürlich bei den anderen Künstlern auf großes Interesse. Denn der Anziehungspunkt und das Kriterium, um mit einer Galerie zu arbeiten, ist ihr Programm. Ein Künstler will immer in einem Umfeld ausstellen, wo Künstler vertreten werden, die er gut findet, die er bewundert. Und wenn man ein interessantes Programm hat, dann bleiben auch die Künstler – und ziehen neue an. Und das gilt auch für die junge Generation, die natürlich höchst interessiert ist, in einer Galerie auszustellen, mit einem innovativen Portfolio. Ich bin eine Anhängerin der Idee einer Programmgalerie, wo Künstler sich gegenseitig schätzen, wo es nicht es nicht nur um die Kommerzialität geht. Ich möchte einen wichtigen Einfluss haben auf die Karrieren der Künstler. Mich hat immer fasziniert, wie französische Künstler wie Cezanne oder Monet zu Ikonen ihrer Zeit wurden. Neben der Qualität ihres Werkes waren dafür stets auch Händler und Sammler verantwortlich.

P: Wie entscheidend ist es Stammsammler zu haben und nicht nur Käufer?

EP: Sammler, wirklich gute, ernsthafte Sammler sind enorm wichtig. Sie können die eigene Arbeit wirklich sehr motivieren. Denn diese Sammler interessieren sich für den Künstler und kaufen aus jeder der Ausstellungen Werke an. Sie sind am Gesamtwerk des Künstlers interessiert. Das ist wichtig. Und ich habe zum Glück, solche Sammler in der Schweiz von Beginn an gehabt.

P: Sie haben im Maag-Areal und in der Waldmanngasse in Zürich zwei Galerien, und eine Galerie in New York. Wien war bislang nie eine Option, warum jetzt?

EP: Ja, das stimmt, es war die letzten 20 Jahre keine Option. Die ökonomischen Möglichkeiten waren in der Schweiz durch die Art Basel und die Zollfreilager weit interessanter. Ich war auch früher nicht oft in Wien, außer um Franz West zu besuchen. Als Franz dann krank wurde, habe ich mir eine Wohnung gekauft und irgendwie ist mir Wien dann wieder ans Herz gewachsen. Auch mein Freund, ein Musiker und Komponist, der in Los Angeles lebt, jedoch in Wien aufgewachsen ist und hier studiert hat, liebt Wien und hat mich sicher auch beeinflusst. Dann wurde diese Immobilie in der Lichtenfelsgasse 5 angeboten, eine Ecke, die ich immer schon sehr schön fand und so hat sich das ergeben. Im Grunde genommen war das eine spontane Entscheidung: so, das mache ich jetzt.

Installation view, Tobias Pils, Between Us Space, Featuring Gerwald Rockenschaub, Galerie Eva Presenhuber, Vienna, 2022 © Tobias Pils © Gerwald Rockenschaub, Courtesy the artists and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

P: Also es war keine Strategie dahinter oder schon ein konkret ausformuliertes Programm?

EP: Nun ja, so ganz ohne Strategie war es auch nicht. Denn Wien könnte eine Plattform werden für die Künstler meines Programmes als Ort der Begegnung.

P: Damit sind wir wieder bei der Idee der Programmgalerie. In Antiparos schufen sie einen Begegnungsort für die Künstler der Galerie.

EP: Ja, das ist immer etwas gewesen, das mir sehr wichtig war. Antiparos ist keine Galerie, sondern ein Ort, wo Künstler hinkommen, auch mit ihren Familien, Ferien machen, arbeiten und dann auch eine kleine Ausstellung machen können. Antiparos ist ein Ort, wo sich Künstler kennenlernen. So entstand etwa enge Freundschaften zwischen Tobias Pils, Michael Williams oder Joe Bradley, die sich ohne diesen Begegnungsort nicht gefunden hätten. Auch in New York mache ich regelmäßig Veranstaltungen, wo die Künstler zusammenkommen. Ich bin überzeugt, dass das Leben auch durch die Freundschaften bereichert wird und nicht nur vom Erfolg.

Tobias Pils, The space between us, 2021, Oil on canvas, Image 190 x 180 cm / 74 3/4 x 70 7/8 in, Frame 196 x 186 cm / 77 1/8 x 73 1/4 in © Tobias Pils, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

Tobias Pils, Between us space, 2021, Oil on canvas, Image 190 x 180 cm / 74 3/4 x 70 7/8 in, Frame 196 x 186 cm / 77 1/8 x 73 1/4 in © Tobias Pils, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

Tobias Pils, Between us space, 2022, Oil on canvas, Image 180 x 190 cm / 70 7/8 x 74 3/4 in, Frame 186 x 196 cm / 73 1/4 x 77 1/8 in © Tobias Pils, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

Tobias Pils, Untitled, 2022, Ink on paper, Sheet 125.5 x 110 cm / 49 3/8 x 43 1/4 in © Tobias Pils, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

Tobias Pils, Untitled, 2022, Ink on paper, Sheet 125.5 x 110 cm / 49 3/8 x 43 1/4 in © Tobias Pils, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

P: Es gibt auch die Vision, dass hier in Wien mehr entstehen könnte als eine klassische Galerie.

EP: Wir hatten das Glück in diesem unglaublich schönen historistischen Haus auch eine Wohnung zu bekommen. Hier können wir Sammler heraufführen und weitere Arbeiten zeigen, aber die Wohnung hat auch zwei Schlafzimmer und zwei Bäder, ist also ideal für einen längeren Aufenthalt, um Ausstellungen vorzubereiten oder Wien kennenzulernen. Michael Williams hat gleich gesagt er möchte für zwei Wochen kommen. So kann ich ihm auch Kuratoren vorstellen.

P: Wien wird immer nachgesagt, es hätte wenig Sammler?

EP: Ja, das stimmt, aber einen Markt gibt es schon. Abgesehen davon, verkauft man ja ohnedies nicht nur im lokalen Umfeld. Auch in der Schweiz verkaufe ich nur 20 bis 25 Prozent an Schweizer Sammler.

P: Hat sich das klassische Galeriemodell verändert. Welche Rolle spielt Online und auch die Auktionshäuser?

EP: Online-Käufe haben sich verstärkt, die Leute reisen weniger und viele Sammler sind bereit auch Online zu kaufen, vor allem dann, wenn sie bereits Arbeiten des Künstlers haben und auch lange mit einer Galerie zusammenarbeiten und auf deren Expertise vertrauen. Die Rolle der Auktionshäuser hat sich stark verändert. Diese sind zunehmend ein Feld von Investoren. Das ist vor allem für junge Künstler schwierig, wenn ihre Werke zum Spielball des Auktionsmarktes werden. Sie können das nicht verarbeiten und fragen sich, ob sie die Kunst jetzt nur machen, damit andere Leute damit Geld verdienen. Und wenn dann auch gute Sammler rasch am Secondary Market verkaufen ist das bedenklich. Ich finde es nicht gut, dass der Kunstmarkt diese Strategien legitimiert hat und damit eine Klientel anspricht, der es nicht um das Werk geht, sondern um den Gewinn.

Installation view, Tobias Pils, Between Us Space, Featuring Gerwald Rockenschaub, Galerie Eva Presenhuber, Vienna, 2022 © Tobias Pils © Gerwald Rockenschaub, Courtesy the artists and Galerie Eva Presenhuber, Photo: Jorit Aust

Aber zur Frage des Galeriemodelles: Können Sie sich erinnern, dass man gesagt hat, man braucht keine Bücher mehr. Und das ist auch nicht eingetreten. Daher kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein Künstler keine Galerieausstellungen mehr braucht. Nein ich bin überzeugt solange wir die materielle Kunst haben, wird es Ausstellungen geben. Was in 50 Jahren passiert, weiß man nicht. Ich habe ja auch einen Traum, dass man auch Ausstellungen macht, abseits des Kunstmarktes, ohne einen finanziellen Druck. Da wäre Wien ein interessanter Platz.

P: Das müssen Sie jetzt näher erklären. Was meinen Sie konkret damit?

EP: Ich hätte gern ein ungenütztes Gebäude, das man adaptieren könnte, bzw. dass die Stadt dafür adaptiert, um Ausstellungen zu zeigen. Etwa Sammlungen. Ich wüsste hier eine Reihe von interessanten Sammlungen, inklusiv meiner eigenen, die man hier zeigen könnte. Damit würde man auch wieder ein neues Publikum nach Wien bringen und es wäre ein wichtiger Beitrag zum Kunstverständnis der Gegenwartskunst. In der Schweiz haben die Kuratoren schon sehr früh innovative Ausstellungsmodelle entwickeln und waren sehr progressiv. Diese Ausstellungen haben dann auch ein Publikum und vor allem auch Sammler angezogen.

P: Was planen Sie in der Wiener Galerie für kommende Ausstellungen?

EP: Die nächste Ausstellung planen wir mit Michael Williams und nach der Sommerpause eine Schau mit Karen Kilimnik, dann folgt Sam Falls mit Malerei Skulptur, Fotografie, Joe Bradley, und Martin Boyce und dann, Jean-Marie Appriou gemeinsam mit Andrew Lord zusammen. Peter Fischli will 2023 ausstellen.

Galerie Eva Presenhuber

Lichtenfelsgasse 5, 1010 Wien
Österreich

TOBIAS PILS

BETWEEN US SPACE. FEATURING GERWALD ROCKENSCHAUB

Bis  21. Mai 2022

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