Projektraum Viktor Bucher

MICHAIL MICHAILOV | keeps falling on my head

Mit „keeps falling on my head“ zeigt Viktor Bucher eine sehenswerte Einzelausstellung des bulgarischen Künstlers Michail Michailov. Michailov, der in den letzten Jahren hauptsächlich in Paris gearbeitet hat, beziehungsweise zwischen Paris und Wien pendelte, ist bedingt durch die Pandemie nun über einen längeren Zeitraum in seinem Atelier in Wien tätig gewesen. Hier entstand auch die Serie der neuen Arbeiten, die aktuell im Projektraum Viktor Bucher zu sehen ist.


Ein Einstieg in die Ausstellung bietet das Video „Dripping Ceiling“, das die Performance 2019 in der Kunsthalle Exnergasse dokumentiert. Menschen tragen über den Kopf weiße Gefäße in die von oben Wasser hineintropft. Das Durchsickern von Wasser, das in der Folge zu Flecken und Schimmel am Plafond führt oder zu Ecken, die sich grau, gelb, blau schimmernd verfärben. Formal und auch inhaltlich schließt Michailov mit „heaven panel – weak points“ an seine viel beachtete Serie „dust to dust“ an.

“Dripping ceiling”, 2019, HD video, Duration 3' 03'', Ed. 5 + 2 AP © Michail Michailov

Colorstift-Zeichnungen auf großformatigen weißen Paneelen, als Objekte im Raum inszeniert. Wie schon bei seinen Staubzeichnungen „dust to dust“, bildete auch hier die Wahrnehmung seiner unmittelbaren Umgebung, konkret des Stiegenhauses im Atelier den Ausgangspunkt. Die Darstellung oszilliert zwischen der Wiedergabe der Beobachtung und einer rein abstrakten Zeichnungen. Diese ist subtil angelegt und zeigt auch innerhalb des weißen Bildträgers feine Abstufungen, die dem Bild eine Räumlichkeit geben.

„Ich spiele mit den räumlichen Gegebenheiten“, so Michailov, „doch letztendlich bilden die Arbeiten doch etwas Abstraktes und man kann sie auch so kombinieren, dass sie als abstrakte Zeichnungen gelesen werden können.“ Und Michailovs Zeichnungen sind ohnedies mehr als eine genaue Beobachtung der sichtbaren Welt. In dem er einen Fokus auf das Nebensächliche, das Übersehene, das Nichtgewollte legt, formuliert er eine Metapher unserer Gesellschaft im Allgemeinen und der außergewöhnlichen aktuellen Situation im Besonderen.

Detail “Heaven panels 1-14” (aus der Serie “weak points”), 2021. Colorstift auf Papier und Holz. Je 81 x 101 cm. © Michail Michailov

Wir können den Schimmel mit Weiß übermalen, doch irgendwann kommt er wieder durch. Das Wasser hinterlässt Risse.

Michail Michaliov

Mehr muss man eigentlich nicht wissen – das ist unmissverständlich und Aussage genug. „Die Zeit in der wir leben ist für mich ebenso spannend wie brisant und mit den Spuren an der Wand fand ich einen Metapher dafür. Den Blick auf diese Schwachstellen zu lenken, finde ich eine wichtige Aufgabe als Künstler. Ich rücke das Ungewollte durch den Prozess des Zeichnens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und gebe ihm eine Wichtigkeit. Das Banale wird transformiert und neu interpretiert.“ Ist es nicht so, dass uns dauernd irgendetwas auf den Kopf zu fallen scheint, fragt Michailov. „Schwachstellen in Häusern und Wohnungen sind für mich eine Metapher für die Schwachstellen im menschlichen Geist und Handeln - auch in Bezug auf globale, vom Menschen verursachte Phänomene wie etwa die Klimaerwärmung.

Der Zusammenhang von desolater Behausung und Umweltschäden kam mir einmal beim Beobachten einer Zimmerdecke, von der es tropfte und dem Ausmaß der dadurch entstandenen Schäden- mit dem Unterschied, dass sich ein defektes Dach weit leichter reparieren lässt, als eine nicht mehr intakte Erdatmosphäre.“ Das Besondere in seiner Arbeit besteht darin, dass er den Betrachter, die Betrachterin nicht brachial darauf aufmerksam macht, sondern subtil.

Hält man sich länger in der Ausstellung auf, irritieren die abgehängten Raumpaneele, machen den Raum enger. Dazu kommen die in der Installation hängenden Pflastersteine – in Augenhöhe – sodass man – wenn man unaufmerksam wäre, sich tatsächlich den Kopf stoßen kann. Nebenbei sind sie ein formal schöner Kontrast zu den feinen Zeichnungen. Michailov führt uns durch einen Parcours, der zu einem Achtsamkeitstraining, wird, so Hannes Anderle im seinem Pressetext zur Ausstellung. Tröstlich stimmt das Video am Ende der Ausstellung „Just keep on going#11“(2021)  – man kann immer neu beginnen. Es ist nie zu spät.

Ausstellungsansicht © Michail Michailov

Projektraum Viktor Bucher

Praterstraße 13/1/2, 1020 Wien
Österreich

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