Lois Weinberger | Belvedere 21

Die Ausstellung von Lois Weinberger im Belvedere 21 stellt eine der letzten dar, die der Künstler und mehrfache documenta-Teilnehmer selbst mitkonzipierte. Sie versammelt eine Reihe an Arbeiten, die in Wien bisher kaum zu sehen waren und die Auseinandersetzung mit ökologischen Entwicklungsmodellen prägen.   


Essenzielle Gesten einer unvorhersehbaren Ausbreitung von Vegetationsstrukturen dienen als Grundlage jener anarchischen Dimension des Ruderalen, die Weinberger in seinen Arbeiten verfolgte. Als ruderal wird ein Pflanzendasein definiert, das sich vom Menschen unbeabsichtigt, aber indirekt von diesem beeinflusst verbreitet. Weinberger nahm seit den 1970er-Jahren Momente des Anthropozäns vorweg und fokussierte auf die Unmöglichkeit einer positiven Veränderung durch menschlichen Einfluss auf die Natur, die stets mit ihren eigenen Mitteln solche Versuche zu konterkarieren vermag. Folglich ergründete er das Verhältnis zwischen Natur und Kultur beziehungsweise deren symbiotische Verfasstheit. Als Vordenker einer späteren Generation von sich mit Umweltfragen auseinandersetzenden Künstlern, thematisierte Weinberger mit subtilen Eingriffen die Widerstandskraft der Natur, deren versuchte Domestizierung als zivilisatorisches Regulativ keine Gültigkeit mehr besitzt. Die Ausstellung dominieren zwei Kuben, in denen und um die herum Weinbergers Œuvre situiert ist. Durch den Raum ziehen sich überdimensionale, wandgroße Fotoaffichierungen, die einen monumentalen Referenzkanon generieren.

Ausstellungsansicht "Lois Weinberger. Basics", Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Weinberger selbst erprobte diese Form der Präsentation 2019 bei seiner Retrospektive im Watari-Um Museum in Tokio, wo am Dachgarten zwischen einer Betonarchitekturlandschaft braune Graszöpfe inmitten des Grüns zu sehen waren („Tokyo Roof Garden“), die von der Arbeit „Zopf“ (1992) herrühren und aus pannonischem Gras gefertigt sind. Die Tokioter Installationsansicht wird als eines dieser Riesenplakate gezeigt ebenso wie das Selbstporträt „Green Man“ (2004), das den Künstler mit grün bemaltem Gesicht darstellt. Dieses war in Tokio als Poster im Wandformat zu sehen und prägt nun das Katalogcover sowie die Marketingkampagne der Ausstellung im Belvedere 21. Der „grüne Mann“ entstammt der christlichen Sakralarchitektur und symbolisiert ein Mischwesen aus Mensch und Pflanze, bei dem aus dem Gesicht Pflanzen sprießen. Als heidnischer Waldgeist verweist er auf die Unbändigbarkeit der Natur, die den Menschen stets in ein Abhängigkeitsverhältnis zwingt. Eine 25-teilige Aquarellserie aus dem Jahr 2020 zeigt den „Green Man“ als Skelettwesen, das die Vergänglichkeit von Mensch und Natur repräsentiert.  

Weiter lesen Sie in der PARNASS Ausgabe 03/2021!

Ausstellungsansicht "Lois Weinberger. Basics", Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Belvedere 21

Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1, 1030 Wien
Österreich

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