Neue Galerie Graz

LADIES and GENTLEMEN: Das fragile feministische Wir

Feminismus, geschlechtliche Identität, Gendergerechtigkeit, Diskriminierung unterschiedlicher Gruppen und viele verwandte Themen sind es, um die es in der Ausstellung „Ladies and Gentlemen“ in der Neuen Galerie in Graz geht. Mittels Kunst von 1960 bis heute aus der hauseigenen Sammlung werden sie in beeindruckender Weise verhandelt.


Andy Warhols Siebdruckserie „Ladies and Gentlemen“, die der Ausstellung den Titel gab, macht gleich den Anfang. Zehn farbige Bilder, die den aufrüttelnden Beginn der Diskussion von Genderfragen Mitte der 1970er-Jahre belegen. Da sieht man die Dragqueen Wilhelmina Ross als Josephine Baker verkleidet und andere schillernde männliche Persönlichkeiten, die sich mit Make-up, Perücken, Ohrringen oder Lippenstift als im Inneren weibliche Wesen outen.

Unweit davon besticht der Schweizer Künstler Urs Lüthi mit einem Selbstportrait, das er 1974 geschaffen hat und das ihn als Frau zeigt. Eine Installation der ebenfalls aus der Schweiz stammenden, international anerkannten Künstlerin Sylvie Fleury zeigt ein Regal, das mit etlichen Paaren schicker Damenschuhe bestückt ist. Sie wecken Assoziationen mit Aspekten weiblichen Selbstverständnisses, aber auch mit dem Shoppingwahn, einer gesellschaftlich dem Weiblichen zugeordneten Eigenschaft.

Ein großes, oft gebrauchtet Wort im Zusammenhang mit der Themenpalette dieser Schau ist „queer“. Aus dem Englischen übernommen  bezeichnet „queer“ Personen oder Dinge, die durch den Ausdruck einer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von der gesellschaftlichen Norm, der Heterosexualität, abweichen. In der Kunst schlagen sich diese Gedankenfelder und die Gegenwehr gegenüber Festschreibungen, Rollenklischees und vorgefassten Denkweisen nieder. In den eindrücklichen Pop-Art-Malereien der zu Unrecht vergessenen, 1989 in Graz verstorbenen, Künstlerin Elga Maly beispielsweise, den plakativen Bildern von Kiki Kogelnik oder den comicartigen Zeichnungen samt Texten der Grazerin Michaela Konrad kann man alldem nachspüren.

Elga Maly, "The Lady with the cut legs", 1969, Acryl auf Leinwand, 100 x 150 cm, Neue Galerie Graz, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Die Auseinandersetzung mit dem Krieg als männliches Phänomen beziehungsweise dem Widerstand und der Ablehnung desselben als weibliches Charakteristikum spiegelt sich in der Arbeit der Foto-, Video- und Konzeptkünstlerin Martha Rosler oder dem Wandteppich „Desert Storm“ von Hertha Heidinger wider. Die postkoloniale Arbeit in Form eines bürgerlichen Salons der renommierten amerikanischen Künstlerin und Professorin Renée Green, die vor Jahren als Dauerleihgabe in die Neue Galerie kam wird ebenfalls gezeigt.

Last but not least beschäftigt sich die Ausstellung mit dem klassischen Feminismus. Oft wurde der eigene Körper für feministische Künstlerinnen zum zentralen Ort des Diskurses. An Arbeiten von VALIE EXPORT bis zu Maria Lassnig, von Birgit Jürgenssen bis zu Martha Jungwirth, von Elke Krystufek bis zu Sophia Süßmilch, von Soli Kiani bis zur jungen Grazer Künstlerin Lisa Reiter, die übrigens gerade kürzlich den Morgenstern-Preis des Landes Steiermark verliehen bekam, reicht die Liste derer, die hier mit Arbeiten vertreten sind.

Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag finden Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/2021.

Soli Kiani, ohne Titel (Nr. 5 aus der Serie "Breathe", 2020, Silbergelatineabzug kaschierte auf Aluminium, gerahmt, 72 x 72 cm, Neue Galerie Graz, Foto: Soli Kiani

Neue Galerie

Joanneumsviertel, 8010 Graz
Österreich

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