Kunsthaus Bregenz: „Seasonal Greetings“ von Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl

Der beste Beweis dafür, dass Kunst, die sich intensiv auf Fragen der Zeit einlässt, nicht langweilig bzw. todernst sein muss und seitenlanger Erklärungen bedarf, ist die, die Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl machen. Als ideale Bühne für ihr letztlich theatrales Tun erweist sich das Kunsthaus Bregenz, wo sie in vier Akten (Stockwerken) eindrucksvoll vorführen, wie sie ticken, auf zwei Ebenen gemeinsam, auf jeweils einer solistisch.


Durch schrille, mit skurriler Metaphorik aufgeladene Settings, die sehr viel mit ihren MacherInnen beziehungsweise dem Heute zu tun haben. Corona kommt zwar nicht wirklich vor, dass das im Foyer zelebrierte Weltuntergangsszenario nicht nur eine Hommage an Caspar David Friedrich, sondern eine sehr konkrete Zustandsbeschreibung angesichts einer Pandemie ist, ist jedoch unübersehbar. Und vielleicht das stärkste Bild der ganzen Schau. Während in Friedrichs vor fast 200 Jahren gemaltem Gemälde „Das Eismeer“ ein Segelschiff von sich auftürmenden Eisschollen verschlungen wird, passiert heute die Apokalypse im plüschigen Salon, in dem Lampen aus Eisglas baumeln, wie sie in den 1960er-Jahren en vogue waren.

Auf den mit blassblauem Nylon überzogenen splittrigen Schollen aus Styropor kommt die Welt ins Wanken. Leise rieselt Schnee auf das von Spiegeln umgebene Szenarium, in dem der Ausstellungsbesucher zum einzigen freiwillig unfreiwilligen Akteur wird.

Kontrastprogramm im zweiten, in moosgrünes Licht getauchten Geschoss: Hier taucht der Besucher in einen märchenhaft zelebrierten Hexensabbat samt Hexenhäuschen und deren Bewohnerinnen ein, die per Besen zwischen naiv stilisierten Bäumen unterwegs sind. Ein Plakat umschwirrend, auf dem „Seasonal Greetings“ steht und mit einer sexy Hexe in Unterwäsche, der ein dunkler Hexerich einen Besen zwischen die Beine schiebt, bebildert ist. In dieser Gemeinschaftsarbeit outet sich das queere Paar in Kunst wie Leben auf seine sehr spezielle, mit viel hintergründigem Humor aufgeladene Weise, muss die Hexe doch seit jeher für das Fremde, das aus der Norm Fallende herhalten. Wobei es in den Ohren aufrechter Feministinnen mehr als Lob denn als Tadel klingt, als Hexe bezeichnet zu werden.

Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl, Ausstellungsansicht 2. OG, Kunsthaus Bregenz, 2020, Seasonal Greetings, 2020, Foto: Markus Tretter, Courtesy of the artists © Jakob Lena Knebl, Ashley Hans Scheirl, Kunsthaus Bregenz

Das erste Obergeschoss des Bregenzer Kunsthauses bespielt Jakob Lena Knebl allein. Um hier ihr „Konzept“ in der Form eines mit skurrilen Versatzstücken besetzten „Begehrensraum“ vorzuführen. High und Low feiern hier fröhlich Hochzeit, neue Identitäten tun sich auf, indem pittoreske Rokoko-Tischchen mit fetischartigen Objekten und schaurigen Strumpfblumen bestellt sind. Zentrum der Installation bildet ein ins Monumentale aufgeblasener, mit Erinnerungsstücken gefüllter Setzkasten, umhängt von Schwarzweiß-Fotos brutalistischer Architekturen, vor denen sich Jakob Lena Knebl in die Pose von Sarah Kay wirft.

Jakob Lena Knebl, Ausstellungsansicht 1. OG, Kunsthaus Bregenz, 2020, Konkret, 2020, Foto: Markus Tretter, Courtesy of the artists © Jakob Lena Knebl, Kunsthaus Bregenz

Das oberste Stockwerk wird zum „Labor“ von Ashley Hans Scheirl. Darin findet sich ein „Wald“ zart aufgestelzter Zeichnungen im XXL-Format, die stilisierte Geschlechtsorgane beziehungsweise mehr oder weniger eindeutig identifizierbarer Körperteile darstellen. Es gehe hier um affektive Schnittstellen, die Genitalien des digitalen Systems, so Scheirl, um die Veranschaulichung von Relationen, Inter-aktion – Intra-aktion und Verlust/Werden.

KUB Kunsthaus Bregenz

Karl-Tizian-Platz, 6900 Bregenz
Österreich

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