Ein Rundgang | Teil 1

KUNST IM SÜDEN FRANKREICHS

Es gibt viele gute Gründe, den Süden Frankreichs zu besuchen. Und sicher nicht der unbedeutendste ist – neben Klima, Kulinarik und „l’art de vivre“ – die Kunst. PARNASS 02/2021 lädt zu einer Entdeckungstour zu einigen der schönsten Orte im Umkreis der Côte d’Azur ein, an denen sich zeitgenössische Kunst und Architektur in besonderer Atmosphäre genießen lassen. Noch mehr Tipps aus Frankreich? Hier geht es zum 2. Teil unseres Rundgangs!


Villa E-1027

Eileen Grays Villa E-1027 ist ein Gesamtkunstwerk im wahrsten Sinn des Wortes, hat sie doch jedes Detail, von den Bauplänen bis zur Gartengestaltung, von den flexiblen Wänden bis zu den multifunktionalen Möbeln, von der Beleuchtung bis zum Dekor, erdacht und entworfen. Auf kleinstem Raum sollten größtmöglicher Komfort und übersichtliche Ordnung zur Verfügung stehen, die Leichtigkeit der Materialien und die dezenten Farben der mediterranen Atmosphäre entsprechen.

VILLA E-1027 im Hintergrund Le Corbusiers Cabanon, die Campingeinheiten und das Restaurant Etoile de Mer © Manuel Bougot


NMNM

Die seit den 1960er-Jahren aufgebaute Kollektion des NMNM (Nouveau Musée National de Monaco) basiert auf verschiedenen privaten Sammlungen und Schenkungen und umfasst mehr als 10.000 Werke aller Medien vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, unter anderem Malerei von Monet, van Dongen, Derain oder Cocteau. Neben Puppen und mechanischen Automaten bezieht sie auch das Erbe der Ballets Russes de Monte Carlo ein und umfasst Kostüme und Bühnenbildmodelle des renommierten, von Charles Garnier erbauten Opernhauses. An den beiden Standorten werden jeweils zwei Sonderausstellungen jährlich präsentiert, im Sommer 2021 die Comics-Schau »Marginalia« in der Villa Sauber sowie »Die 165-Meter-Meerjungfrau und andere Geschichten« – eine multimediale Installation des japanischen Künstlers Shimabuku – in der Villa Paloma.

Vue d’exposition Shimabuku, La Sirène de 165 mètres et autres histoires NMNM – Villa Paloma Shimabuku Ériger, 2017-2021 Installation, matériaux divers et plantes en pot Production réalisée avec l’aide de SAM J.B. Pastor &Fils, Monaco En collaboration avec le Jardin Exotique de Monaco Courtesy de l’artiste et Air de Paris, Romainville, Photo : NMNM/Andrea Rossetti, 2021


MAMAC

Auf dem Coulée Verte, dem überbauten Flussbett des Paillon nahe dem Stadtzentrum von Nizza, entwarfen Yves Bayard und Henri Vidal ein Ensemble von prägnanter architektonischer Präsenz, bestehend aus dem Museum, dem benachbarten Theater und dem dazwischenliegenden Skulpturenhof mit Niki de Saint-Phalles »Loch Ness Monster« und einem von Alexander Calders Mobiles. Die kühle Eleganz der beiden komplementären Baukörper aus grauem Carrara-Marmor, Stahl und Glas wird durch die mediterranen Symbole von rotem Ocker, Olivenbäumen und plätschernden Brunnen kontrastiert.

MAMAC | © Ville de Nice


VILLA ARSON

»Moderne Festung«, »Labyrinth«, »antike Ruine«, »futuristisches Raumschiff«, »mediterranes Dorf« – mit derart divergenten Bezeichnungen wurde die zunächst eher abwehrend wirkende monumentale Anlage der Villa Arson kommentiert. Mit rauem Sichtbeton und Flusskieseln aus dem Var harmonieren die Wände und Fassaden mit der Topografie des umgebenden Geländes und verschwinden beinahe zwischen den üppig wuchernden Pflanzen in Innenhöfen und Dachgärten, den Pinien und Zypressen der Umgebung. Ein ausgeklügeltes System versorgt selbst die Ateliers und Werkstätten in den unteren Ebenen mit natürlichem Licht. Und trotz der bebauten Fläche von 17.000 Quadratmetern verschmilzt die Anlage quasi mit dem Abhang des Hügels. Begibt man sich aber durch die monumentale Halle in das Labyrinth der Räume, Durchgänge, Treppen, Patios, Dachterrassen und Gärten, so wird man mit einem prachtvollen Blick auf Nizza und die Baie des Anges belohnt.

VILLA ARSON © Foto: Villa Arson


Fondation Maeght

Die Fondation Maeght besitzt eine der größten europäischen Sammlungen von Malerei, Skulptur, Zeichnung und Grafik der Moderne, unter anderem von Bonnard, Braque, Calder, Chagall, Giacometti, Kandinsky, Léger, Miró, aber auch von zeitgenössischen Künstlern – und einigen Künstlerinnen – wie Chillida, Christo, Immendorff, Richier, Tàpies und vielen mehr. »Hier ist es gelungen, mit Einfühlungsvermögen und aus Liebe ein Universum zu schaffen, in dem die moderne Kunst sowohl ihren Platz als auch ihre ›arrièremonde‹, jene dahinter liegende Welt finden kann, die man einst das Übernatürliche nannte«, formulierte André Malraux zur Eröffnung 1964.

AUGUSTO GIACOMETTI Rote Dächer, 1911 Öl auf Leinwand, 43 × 63 cm © DR


Palais Bulles

Bullaugen, runde und ovale Panoramafenster, Kugeln und Kurven sowie geschwungene Durch- und Übergänge fügte Antti Lovag zu einem Ensemble von Salons und Suiten mit Wohn-, Schlaf- und Sanitärräumen aneinander. Beim Flanieren durch das Palais Bulles kommt man aus dem Staunen nicht heraus und glaubt mitunter, sich unentrinnbar verlaufen zu haben. Die kapriziöse, farbenfrohe, von verschiedenen Künstlern entworfene Einrichtung ergänzt dieses Gesamtkunstwerk durch skulpturale Möbel-Unikate. In das Entzücken über Kreativität und Humor in der Gestaltung, über die grandiosen Einund Ausblicke mischt sich allerdings bisweilen auch das Schmunzeln über manche ästhetische Bizarrerie der Pop-Art-Ära.

PALAIS BULLES © Foto: Cloe Harent

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