Galerie Thoman

Julia Haugeneder zeigt ein ausdrucksstarkes Programm

Julia Haugeneder zeigt zurzeit ihre erste Soloshow in der Wiener Dependance der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman. Ihr gelingt dabei eine unkonventionelle Auseinandersetzung mit dem vielbearbeiteten Thema Kapitalismus.


„There is no alternative” wiederholte Margret Thatcher während ihrer Amtszeit als britische Premierministerin in den achtziger Jahren unentwegt. Es gibt keine Alternative, meinte sie, keine Alternative zum Kapitalismus. Julia Haugeneder, 1987 in Wien geboren, beschäftigt dieser Satz noch heute. Wie sehr sie davon geprägt wurde, erzählt die Künstlerin inmitten des Aufbauchaos ihrer Ausstellung in der Wiener Dependance der Galerie Thoman: Wann auch immer, wie auch immer sie über die Gesellschaft, über das Zusammenleben nachdenke, so würde sie das kapitalistische System immerzu als alternativlos, als natürlichen Zustand wahrnehmen – Warum eigentlich, fragt sie sich selbst?

„Kapitalismus“ wird im Verlauf der Schau immer wieder ein Stichwort sein. Er versteckt sich in Sujets, mischt sich unter die Materialien oder wird in Arbeiten plakativ inszeniert. Für Haugeneder bedeutet das vor allem, stets von dieser scheinbar unverhandelbaren Ordnung umgeben zu sein: Einige ihrer Objekte bestehen aus Plastik, jener Werkstoff, der quasi zum Archetyp kapitalistischer Produktion erhoben wurde. Der 34-minütige, titelgebende Film „Abschied. Oder eine Person und ein Esel zusammen wissen mehr als eine Person allein“ ist ihre erste Videoarbeit, und gleichzeitig das Herzstück der Ausstellung. Er behandelt eine Periode im Mai letzten Jahres, in der Haugeneder und ihr Team eine großformatige Skulptur geschaffen haben: Das Flüssigplastik muss zügig gegossen werden, um nicht auszuhärten, die Gruppe muss zusammenarbeiten, im Kollektiv funktionieren, um Kunst zu produzieren. So ist kollaboratives Arbeiten eines der sieben Kapitel eines Essays, welcher der Videoarbeit zugrunde liegt und von Asher O’Gorman gelesen wird.

Julia Haugeneder Jalousie, 2023, Inst from 26 lanes: bookbinding glue, pigment, rubber Hau/S 230020 Photo © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunstdokumentation.com

Ist man von Haugeneders Arbeiten sonst eher bunte Pastelltöne gewohnt, ist die Farbsprache diesmal dunkler, gedeckter und vor allem zurückhaltender. Anstelle von zarten Rosa- oder Gelbtönen treten diesmal typische Farben aus der Industrie, Weiß, Silber, Grau oder Blau herrschen vor. Die Künstlerin installiert eine raumgreifende Arbeit, die, wie sie sagt, einer Jalousie nachempfunden ist: Die einzelnen Lamellen sind ebenso wie ihre anderen Objekte aus Buchbinderleim hergestellt, sie hängen scheinbar lose und eilig miteinander verknüpft in den Galerieräumlichkeiten, und fungieren – wie tatsächliche Jalousien – als Sichtschutz, erschweren das Aus- und Einsehen. Die mit Milchglas durchzogenen und somit trüben Fenster verschleiern den Blick ebenso. Einzige Schnittstelle zur Außenwelt: Der Film, der auch von der Straße aus vor der Galerie zu sehen sein wird. So entsteht ein von der Künstlerin bewusst konstruierter „Sog“ durch den Raum: Die Videoarbeit fungiert als eine Art Eintritt, sie ist allumfassend – das liegt nicht zuletzt auch daran, dass der Ton durch Lautsprecher überall zu hören ist – und gibt das Sujet vor. Fortan zieht die Installation immer tiefer in den Raum hinein, bis man am Ende wieder bei den für Haugeneder typischen Faltungen ankommt. Diese sind auf einer modularen Skulptur angeordnet, sie gleicht einer überdimensionalen Etagere, und präsentieren sich wie Desserthäppchen nach einem üppigen Hauptgang.

Ein Linoleumdruck mit dem Motiv eines Mikrowellen-Eierkochers – ein etwas bizarres Relikt der Neunziger und heute Ausstellungsstück im National Museum of American History in Washington – hängt zu Beginn der Präsentation, er scheint aus dem Kontext herauszufallen. Doch vereint er den Inhalt kompakt und auf überaus kluge Weise: Die trügerische Profanität des Alltagsgegenstandes. Eine sich immerzu erneuernde Produktpalette aus dem Werkstoff Plastik. Und ein kapitalistisches System, das mit seiner Ware Arbeit immerzu schneller, effizienter, maschineller machen will.

Julia Haugeneder, Jalousie, 2023 Inst from 26 lanes: bookbinding glue, pigment, rubber Hau/S 230020 Photo © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunstdokumentation.com

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

Seilerstätte 7, 1010 Wien
Österreich

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