Ist dies der richtige Zeitpunkt für ein Spektakel?
Mehr Eindruck als Nachdruck – die Lyon Biennale offeriert ästhetische Opulenz, bleibt inhaltlich aber hinter dem Anspruch der Gegenwart zurück. Das ausgerufene „Manifest der Fragilität“ verkommt zur haltlosen Floskel, in einem Moment wo die Kunst durchaus mehr Tonalität vertragen könnte. Was soll die Biennale 2022, rund 30 Jahre nach ihrer Gründung, leisten und warum bleibt Lyon hinter den Erwartungen zurück? Wir waren in Frankreich.
Es ist angerichtet: 12 fantastische Ausstellungsorte, unter ihnen verlassene Fabriksgelände gigantischen Ausmaßes, klassische Museen mit Platz zur Einmischung und geräumte sakrale Architekturen, die nach einer Neu-Bespielung lechzen. Dazu nehme man zwei aktuell begehrte Kuratoren, ausreichend finanzielle Unterstützung von Galerien und Stiftungen und – hier wird es ambitioniert – rund 200 Künstlerische Positionen aus 40 Ländern. In Lyon kann der:die Besucher:in aus den Vollen schöpfen, ein Spektakel der zeitgenössischen Kunst mit vielen großen Namen und einer bescheidenen Vision: Man möge sich der Fragilität besinnen. Dem Fragilen in jedem:r einzelnen von uns.
In drei Erzählungen widmen sich die beiden Kuratoren Sam Bardouil and Till Fellrath dem Fragilen. Ausgehend von der individuellen Zerbrechlichkeit kommen sie, in einem zweiten Erzählstrang zur Geschichte von Louise Brunet. Die teilweise auf Fakten und stückweise auf Fiktion basierende Biografie einer Seidenarbeiterin des 19. Jahrhunderts, die sowohl in Lyon, als auch in Beirut Arbeiterrevolte anführte und sinnbildlich für die Übersetzung von Schwäche in Stärke steht. Drittens, sollen wir alle davon lernen und geschlossen und gestärkt in eine Zukunft voller „endloser Versprechen“ gehen. So die poetische Grundlage, die kuratorisch viel offenlässt.
Das zeichnet sich im Parcours ab – hier fällt man an jedem der Ausstellungsorte von einer eindrucksvollen Installation zur nächsten, das Fragile kann man überall finden, oder auch nicht – das bleibt interpretationsoffen.
Doch ist es schade, dass Louise Brunet als Frau mit austauschbarer kunsthistorischer Darstellung einfach zum illustrativen Moment verkommt, es hat was von einem (veralteten) Kindervermittlungsprogramm, wenn man über die Schulter wahlloser Frauendarstellungen blickend die Zusammenhänge von Ausbeutung und Revolution nachzeichnen will, zeitgenössisch ausdekoriert um großartige Arbeiten etwa von Phoebe Boswell oder Hannah Levy.
Die Kritik, dass Sam Bardouil and Till Fellrath, vielleicht auf zu vielen Hochzeiten tanzen, um eine konsequente Biennale zu kuratieren, häufte sich in den Eröffnungstagen – sie übernehmen den Hamburger Bahnhof, kuratierten einen Pavillon in Venedig und eine große Schau im Gropius Bau in Berlin. Praktischerweise nahmen sie letztere Ausstellung einfach mit nach Lyon. „Beirut and the Golden Sixties“ ist eine großartige, relevante Ausstellung und doch ein bisschen deplatziert innerhalb einer Biennale, die mit 66 neuen Kommissionen stark im Hier und Jetzt zu verankern ist.
Es lohnt in den Usines Fagor die großen Gesten einer jungen Künstlergeneration nachzuvollziehen, es beeindruckt durch das Musée Guimet zu streifen und Interventionen im vom Schimmel nicht verschonten verlassenen Museum zu erkunden, auch ein Besuch des archäologischen Museums, wo sich unter anderem Philipp Fleischmann, Amina Agueznay und Klára Hosnedlová sehenswert in die Dauerpräsentation einmischen sind eine Reise nach Frankreich wert. Und doch bleibt die Biennale etwas unbefriedigend. In Krisenzeiten wirkt das westliche Kunstspektakel zu dünn, um tatsächlich nachhaltig Botschaften auszusenden. Vielleicht ist das „Manifest“ im Titel eine zu ambitionierte Wortwahl. Die Biennale von Lyon ist nicht politisch und nicht radikal genug, sie bricht keine Konventionen und zeigt, dass auch Ausstellungsspektakel im Krisenjahr 2022 ein fragiles Konzept sind.
Ausgewählte Höhepunkte in Lyon
ILLYCAFFÈ: Partner der 16. Lyon Biennale
ADVERTORIAL
Kunstpause mit einem Kaffee: illy ist der offizielle Kaffee der Lyon Biennale. Sam Bardouil und Till Fellrath, Kuratoren der 16. Biennale von Lyon: "Seit vielen Jahrzehnten engagiert sich illy unermüdlich für die Kunst. Wir verbinden eine Tasse Kaffee oft mit einer Begegnung und einem Gespräch. Mit der Unterstützung der 16. Lyon Biennale ermöglicht illy uns, Diskussionen zu fördern, die für die aktuelle Zeit relevant sind, und mehr Möglichkeiten der Begegnung zwischen Kunst und Publikum zu schaffen.“ Cristina Scocchia, Geschäftsführerin von illycaffè, ergänzt: "Die Suche nach dem Schönen und dessen optimale Nutzung ist eines der Markenzeichen der Unternehmenskultur von illycaffè, und aus diesem Grund hat das Unternehmen beschlossen, diese wichtige Veranstaltung zu unterstützen."
Die Schönheit, auf die sich illycaffè bezieht, spiegelt den altgriechischen Begriff „kalokagathìa“ wider, der besagt, dass das Gute und das Schöne untrennbar miteinander verbunden sind und voneinander abhängen, und der sowohl die ethische als auch die ästhetische Dimension umfasst. Für ein Unternehmen, das wie illy nachhaltige Qualität anstrebt, ist die Eröffnung eines privilegierten Kommunikationskanals mit der Welt der Kunst ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur und -ethik.
Lyon Biennale
65 Rue Challemel Lacour, 69007 Lyon
Frankreich