Gegenwartskunst im Südburgenland und in der Südoststeiermark

HOCHsommer 2020

Hochsommer in der Südoststeiermark und im südlichen Burgenland verspricht neben extremen Wetterkapriolen vor allem vielfältige Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in ungewöhnlichen Räumen und sensationeller Landschaft.


Eine Gegend, die seit jeher Künstler und Künstlerinnen anzog und die Orte St. Martin, Neumarkt an der Raab und Jennersdorf zum Treffpunkt von Künstlern, Literaten, Theoretikern und Kunstinteressierten machten. Was Walter Pichler, Feri Zotter, Martha Jungwirth, Elfie Semotan, Kurt Kocherscheidt, Hans Weigand, Martin Kippenberger, Wolfgang Bauer, Ernst Jandl und vielen anderen begannen  schreibt der Verein „HOCHsommer“ seit 2017 erfolgreich in die Gegenwart fort. Damals schlossen sich acht Kunstinstitutionen aus der Region mit dem Ziel zusammen, hochkarätige Gegenwartskunst abseits des urbanen Raumes zu zeigen. Seit damals konnten weitere Mitglieder gewonnen werden und so stehen dem Besucher nun eine Reihe von ebenso interessanten wie außergewöhnlichen Kunsträumen zum Besuch offen. Dahinter stehen jeweils Menschen, die mit ihren Ideen, ihrem Know How und vor allem mit ihrer Leidenschaft für Kunst und Kultur dies überhaupt erst ermöglichen. Ob Künstler wie Peter Pilz mit LandART Eisenberg und Karl Karner mit der Gründung des KS Raums, Andreas Stern, Rainer Böhm und Martin Plaschg von Schlichbarock, Claudio Cocca mit der riesigen Halle „Kunst an der Grenze“ und viele andere die dazu beitragen, dass das Festival „HOCHSommer“ stattfindet – und weiter wächst. Die regionalen Standorte umfassen St. Martin und Jennersdorf im Südburgenland und die steirischen Gemeinden Fehring, Feldbach, Gnas und Bad Radkersburg, wo diesmal die ehemaligen Grenzübergänge, die Zollämter zu Ausstellungshäusern wurden und das Pavelhaus mit Ausstellung „Alles im Fluss“ und der Performance „Die Revanche der Schlangefrau“ von Natascha Gangl & Rdeča Raketa Teil des Festivals war.

Das Festival-Programm 2020 stand in diesem Jahr unter dem Titel „About Natural Limits“. Das Thema wurde bereits vorab festgelegt und sollte sich mit Fragen der Natur und Umwelt sowie den Grenzen ihrer Ressourcen auseinandersetzen und erhielt unerwartet eine zusätzliche Brisanz. Trotz der aktuellen Umstände gelang es dem Festival, ein sehenswertes Programm zu entwickeln. Ein kurzer Rundgang von Feldbach bis Jennersdorf:


VON FELDBACH BIS MÜHLDORF

Noch vor der Stadtgrenze von Feldbach befindet sich – von der Riegersburg kommend auf der rechten Seite der KS ROOM. Begründet von Karl Karner und Linda Samaraweerová werden hier regelmäßig Ausstellungen gezeigt. Schlicht von der Architektur eignet sich die 180 Quadratmeter große Halle perfekt für eine raumbezogene Ausstellungsinszenierung. „Art is Fashion and Fashion ist Art“ zeigte Künstler die an der Schnittstelle von Kunst und Mode arbeiten. Katharina Beilstein (DE), Daniel Hafner (AUT), Lisi Lang (AUT), Kibo (AUT) und Violetta Ehnsperg (AUT). Nach dem HOCHSommer ist. Nach dem Programm des HOCHSommers wird die Klasse Brigitte Kowanz den KS Room bespielen.

KS Room, Ausstellungsansicht © Foto: PARNASS

Karl Karner selbst zeigt noch bis Ende August die Soloausstellung AFFUS II in der Kunsthalle Feldbach, als Weiterführung der Ausstellung AFFUS I, die in der Galerie Kandlhofer zu sehen war. Eine eindrucksvolle Inszenierung einer Reihe seiner Skulpturenzyklen, die einen Einblick in mehrere Schaffensperioden des Künstlers geben.

Ein Must in Feldbach ist auch „Schlichtbarock“ ein Ausstellungsraum wie Büro und Schauraum mit einem mysthischen Garten, der zu einem kleinen Haus führt. In den wuchern und sprießen finden sich nicht nur ein Hahn und sein Harem sondern auch Skulpturen und Objekte. Im Ausstellungsraum zeigt Schlichtbarock eine Ausstellung des slowenischen Künstlers Oliver Marceta.

Kunsthalle Feldbach, Ausstellungsansicht © Foto: PARNASS

In den Räumen des ehemaligen Industriebaues aus den 1920er-Jahren werden seit 2013 Ausstellungen und Konzerte organisiert. Die diesjährige Sommerausstellung zeigt Arbeiten des deutschen Künstlers Maximilian Prüfer. Der Ort und die Kunst stehen dabei stets in einem interessanten Dialog. Dominierten im Vorjahr die großformatigen, vielfarbigen Kreisbilder von Robert Schaberl, so müssen jetzt die zarten Schwarz-Weiß Arbeiten des deutschen Künstlers Maximilian Prüfer bestehen. Und das tun sie sehr eindrucksvoll in den Etagen der ehemaligen Kugelmühle. Prüfer, der übrigens auch von Lisa Kandlhofer vertreten wird, entwickelte mit der Naturantypie entwickelte er ein besonders Druckverfahren, das ihm ermöglicht, kleinste Bewegungen und Prozesse aufzuzeichnen, wie die Flügelschläge von Nachtfaltern oder die Spuren von Ameisen. 


EISENBERG – NEUMARKT AN DER RAAB – JENNERSDORF

Ein Künstler – eine weitläufige Naturlandschaft mit Teich – Offenheit und Initiative. Das ist kurz zusammengefasst LandART Eisenberg von Peter Pilz. Geboren und aufgewachsen in Eisenberg initiierte er ein Projekt der Bildhauerkunst mit internationalen wie österreichischen Künstlern. Manche der Objekte und Skulpturen bleibt, andere sind nur temporär in Eisenberg zu sehen. Mittlerweile umfasst der Skulpturenpark ein 10 Hektar großes Grundstück und circa 30 Skulpturen. Natürlich sind auch seine eigenen Arbeiten Teil der LandART Eisenberg. Vor allem „Torony“ eine Skulptur aus zwei Wachtürmen, die noch bis Anfang der 1990er-Jahre die Grenze – nicht nur architektonisch – prägten und auch das „Apfelhaus“ eine Art biografische Notiz sind hier zu empfehlen. Bemerkenswert und ein politsches Statement setzt Peter Pilz mit seinem Projekt „EINE NEUE SIEDLUNG“, als Erinnerung an die im Grenzgebiet zwischen Ungarn, Slowenien und Österreich ehemals ansässigen Roma, die ab 1933 systematisch enteignet wurden, ihre Siedlungen zerstört wurden und sie selbst zu Zwangsarbeit verpflichtet wurden und/oder in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Pilz lud Künstler und Künstlerinnen ein neue Häuser zu bauen oder mehr Hausskulpturen, in denen man jedoch wohnen und arbeiten kann. Gebaute Erinnerungen die anregen die Geschichte dieser Landschaft über ihre Idylle hinaus zu erfassen. 

Der steirische Bildhauer Christian Ruschitzka lebt und arbeitet im Südburgenland und in Wien. Im Künstlerdorf Neumarkt an der Raab, das so und so einen Besuch lohnt zeigt er einen Ausschnitt aus seinem  2007/2008 begonnenen und bis heute fortlaufenden Zyklus der „Mechanischen Landschaften. Ergänzend dazu aktivierte er das ehemalige Kühlhaus in Oberdrosen und „züchtet“ ebendort Stück für Stück einen Gletscher in Form von Eisquadern.

In St. Martin an der Raab konnten wir erstmals einen Einblick in das Atelier und die Skulpturenhäuser von Walter Pichler bekommen. Der Südtiroler Bildhauer, Architekt, Zeichner, Buchgestalter und Objektkünstler Walter Pichler (1936–2012) verbrachte einen Großteil seiner Schaffenskarriere in St. Martin an der Raab im Südburgenland und schuf für seine Skulpturen eine einzigartige Präsentationform.

Wir schließen unseren Rundgang in Jennersdorf ab. Einmal mehr beeindruckt die die ehemalige A&O Lagerhalle. Initiator von Kunst an der Grenze ist der Unternehmer Claudio G. Cocca. Ein weiträumiger Ausstellungsort den man als Künstler wohl nicht oft vorfindet, wenngleich sie auch in ihrer Größe eine Herausforderung darstellt. Diesmal on view: Franco Kappl. Franco Kappls (*1962) großformatige abstrakte Bilder scheinen wie geschaffen für das Format der Halle. Kappl löst den Bildraum ausschließlich durch die Malerei. Dabei kombiniert er gekonnt expressive Gestik mit Felder einer „lyrisch-leichten Grundstimmung“, so Kappl. Wer noch Lust hat kann  in die nahe Galerie Exposition schauen. Neuer Leiter der Galerie ist der Künstler Nicolas Dellamartina, der  für den HOCHSommer eine Gruppenaustellung mit Arbeiten von Alice von Alten, Pia Veronica Åström, Maria Chalela-Puccini, Anne Glassner, Priscilla Hasenböhler und Verena Preininger kuratierte.
 


 

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