Franz Josefs Kai 3 positioniert sich neu

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Franz Josefs Kai 3 richtet sich als „Raum für zeitgenössische Kunst“ unter der künstlerischen Leitung von Fiona Liewehr neu aus. Am 22. März eröffnet die zweite Ausstellung ihrer vorerst dreijährigen Programmierung. PARNASS traf die Kuratorin zum Gespräch.


PARNASS: Du möchtest mit dem „Franz Josefs Kai 3. Wien I, Raum für zeitgenössische Kunst“ eine Lücke in Wien füllen. Was fehlt der Stadt?

Fiona Liewehr: Die Szene in Wien hat in den letzten 20 bis 30 Jahren mehrere Veränderungen durchgemacht. Es hat Zeiten gegeben, wo es sehr viele kleine beziehungsweise mittelgroße Institutionen gab. Neben der Secession gab es die Generali Foundation, die TBA21 im Augarten und die BAWAG Contemporary hier in den Räumen des Franz Josef Kai 3. Das mumok hat dort, wo inzwischen ein permanentes Kino eingerichtet wurde, die sogenannte „Factory“ bespielt. Hier wurde tabula rasa gemacht – in die Räumlichkeiten der Generali Foundation Wien ist eine Lidl Filiale eingezogen, die Sammlung selbst ist mittlerweile in Salzburg. Ich habe den Eindruck, dass es neben der Secession aktuell wenige Möglichkeiten gibt, wo junge Leuten eine Chance auf erste institutionelle Ausstellungen bekommen. Ich glaube daher, dass es da viel Handlungsbedarf gibt. Doch man muss sich auch die Zeit nehmen, um einen solchen Ort behutsam und konzentriert zu entwickeln.

P: Was möchtest du programmatisch außerdem leisten?

FL: Es gibt einiges, das zu wenig Berücksichtigung erfährt, zum Bespiel, dass man vergessene Positionen zeigt oder Künstler:innen, die zwar einem Kunstpublikum, das sich international auf diversen Biennalen, Messen und der documenta informieren kann zugänglich sind, aber in Österreich bislang zu wenig oder keine Beachtung fanden. Stichwort Katinka Bock oder Jiří Valoch, die ich zuletzt hier präsentierte und die in Wien weitgehend unbekannt waren.

P: Du möchtest Signale setzen, dass es sich um einen frei zugänglichen Raum handelt.

FL: 600 Quadratmeter Kunstraum und das bei freiem Eintritt, das ist ein Geschenk für eine Stadt. Wir wollen uns an eine breite Öffentlichkeit und nicht nur an ein Spezialpublikum richten. Mit der Ausstellung "BLACK PAGES 01–100" ab 22. März würdigen wir das bemerkenswerte, 2009 von Christoph Meier (*1980), Ute Müller (*1978) und Nick Oberthaler (*1981) in Wien gegründete, Artist Fanzine-Projekt "BLACK PAGES", das mit der Herausgabe von 100 Ausgaben nach 13 Jahren in Form einer raumgreifenden Installation zu einem Abschluss kommt. Damit greifen wir zwar ein speziellen Thema, nämlich „Publizieren als künstlerische Praxis“ auf, wollen dieses aber auch mit einer Reihe von Veranstaltungen einem breiten Publikum vermitteln.

P: Der Raum hat eine bewegte Geschichte. Seit dem Ende der Ausstellungstätigkeit der BAWAG P.S.K. Contemporary wurde er die letzten beinahe zehn Jahre von frei kuratierten Ausstellungen sowie der Universität für angewandte Kunst Wien genutzt. Doch die kreative Geschichte reicht noch weiter zurück.

FL: Es ist ein historisch bedeutsamer Raum. Von 1904 bis in die 1970er-Jahre war hier der Sitz des Bau- und Keramikfliesenunternehmens „Brüder Schwadron“ – aus dieser Zeit stammt auch die historische Fließendecke, die eine Trademark des Gebäudes ist. 2010 wurden die Räume im Auftrag der Hauseigentümer Franziska und Christian Hausmaninger durch das Wiener Architekturbüro propeller z für den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb neu gestaltet.

Porträt Fiona Liewehr, Foto: Walter Liewehr 

Ich habe den Eindruck, dass es neben der Secession wenige Möglichkeiten gibt, wo junge Leuten eine Chance auf erste institutionelle Ausstellungen bekommen, ich glaube, dass es da viel Handlungsbedarf gibt.

Fiona Liewehr

Es ist fantastisch und den Besitzern des Hauses zu verdanken, dass sie diesen Raum für die Kunst in Wien geschaffen haben, der aufgrund seiner speziellen Struktur sicher zu den schönsten Ausstellungsräumen der Stadt zählt. Durch ihr Engagement und ihre finanziellen Zuwendungen konnten in den letzten 12 Jahren Künstler:innen und Kurator:innen zahlreiche Ausstellungen und Publikationen realisieren. Auch ich bin sehr dankbar, dass man mich zunächst für die kommenden drei Jahre als künstlerische Leiterin bestellt hat.

600 Quadratmeter Kunstraum und das bei freiem Eintritt, das ist ein Geschenk für eine Stadt.

Fiona Liewehr

Ausstellungsansicht, Franz Josefs Kai 3, BLACK PAGES 01-100, Foto: Gregor Titze

P: Du möchtest zwar kleine Änderungen einführen – wie die Einrichtung einer Präsenzbibliothek und eines Studienraums – aber insgesamt möchtest du den Raum mit seinen historischen Verweisen, wie eben der dominanten Decke, ohne Verdeckungen und Eingriffe wirken lassen. 

FL: Die Geschichte des Hauses und seine Architektur sind mir sehr wichtig. Großartig wäre es etwa, die Originalunterlagen oder Architekturpläne zum Haus zugänglich, aber auch die kulturelle Nutzung der Räumlichkeiten in den letzten Jahren sichtbar zu machen, etwa in der Bereitstellung aller Publikationen der hier stattgefundenen Projekte in einer öffentlich zugänglichen Präsenzbibliothek. Unser Büroraum ist bereits jetzt für die Besucher:innen als Studioraum zugänglich.

Wir planen außerdem die Schiene „invited to invite“, in der wie andere Institutionen einladen den Raum zu bespielen. Im September ist eine Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Architektur geplant, die in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des österreichischen Architekten und Mitbegründers der ÖGFA Viktor Hufnagl konzipiert.

Ausstellungsansicht, Franz Josefs Kai 3, BLACK PAGES 01-100, Foto: Gregor Titze

P: Im eigenen Hauptprogramm sind jährlich drei Ausstellungen geplant.

FL: Genau, nach „I – in/finito“ mit Katinka Bock, Bernhard Cella, Jiří Valoch im Winter und  der Ausstellung Black Pages 01-100 nun von März bis Juli wird im Herbst eine Ausstellung der amerikanischen Fotografin Collier Schorr zu sehen sein. Weiters ist eine Projektreihe in Kooperation mit dem museum in progress im öffentlichen Raum geplant. Unter dem Titel „Flowing Spaces“ werden wir parallel zu den Ausstellungen ein Banner über dem Eingang bespielen, um mit den Menschen im öffentlichen Raum zu kommunizieren. So sollen Schwellenängste abgebaut werden und ein Bewusstsein für künstlerische Fragestellungen außerhalb institutioneller Räume geschaffen werden.  

P: Den „Kunstverein“ wolltest du bewusst nicht im Namen?

FL: Unsere Rechtsform ist eine Vereinsstruktur und Vorbilder sind für uns sehr wohl internationale Kunstvereine mit einer langen Tradition wie etwa der Nürnberger, der Hamburger und Münchner Kunstverein oder auch der Artists Space und White Columns in New York. In Wien gibt es keine vergleichbare Struktur. Wir nennen uns Raum für zeitgenössische Kunst und der Name Franz Josef Kai 3 blieb, zumal er sich schon gut etabliert hat.

P: Was ist dir außerdem wichtig?

FL: Mir sind Transparenz, Fair Pay, Nachhaltigkeit und Bildung ein Anliegen sowie nationale wie internationale Kooperationsbereitschaft, vor allem auch mit den benachbarten Institutionen wie dem MAK und dem Kunst Haus Wien. Ich denke auch erweitert ans Schauspielhaus oder ans Konzerthaus. Im Sommer freu ich mich auf den Donaukanal. Der zweite Bezirk mit seinem Kulturangebot ist ebenso nah.

Ausstellungsansicht, Franz Josefs Kai 3, BLACK PAGES 01-100, Foto: Gregor Titze

P: Ein Hauptschlagwort soll „Diskurs“ sein.  

FL: Ich habe Kunstgeschichte und Wirtschaft studiert und mir mein Studium mit Führungen finanziert, unter anderem im Belvedere. Das war eine tolle Zeit, man hat viel gelernt unter anderem, sich auf verschiedene Zielgruppen einzustellen. Diese Vermittlungsarbeit ist zentral. Der Freitagabend soll sich als unser Veranstaltungsabend etablieren. Das hat bislang schon ganz gut funktioniert. Durch den Austausch mit dem Publikum lernt man auch, welche Ansprüche und Bedürfnisse es dahingehend gibt. Ich habe in dieser Hinsicht großen Respekt vor den vielen Künstler:inneninitiativen, die in den letzten Jahren in Wien gegründet wurden. Alle diese Initiativen sind großartig, können aber nicht ausreichend abfedern, was eine Gesellschaft, eine Stadt, ein Land an Verantwortung für die kulturelle Bildung seiner Bürger hat.

FRANZ JOSEFS KAI 3

Franz Josefs Kai 3, 1010 Wien
Österreich

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