Die Fragilität unseres Datenschutzes

HANDLE WITH CARE – Julian Palacz

Vor einigen Wochen verschickte Julian Palacz ein Paket. Nichts Besonderes in diesen Zeiten, wäre es nicht mit Kamera, Kompass und Software ausgestattet gewesen. Im Grazer Forum Stadtpark zeigt er nun auf, was sich hinter den Wegen dieser Logistik verbirgt und wie man vom transparenten Konsumenten zur überwachenden Instanz werden kann.


Schon bevor man das Forum Stadtpark erreicht, schlagen einem weithin sichtbare und vertraute Warnsymbole entgegen. Es sind keine Vorsichtsmaßnahmen im Stadtraum, keine Regeln der Interaktion im öffentlichen Raum, vielmehr sind es Symbole der Verheißung, kennt sie doch jeder gut, der dem Onlineshopping nicht fremd ist. Julian Palacz, der 1983 in Leoben geboren wurde und nun von der dem Künstlerduo zweintopf ins Forum Stadtpark geladen wurde, hängt Logistiketiketten am und im Ausstellungsraum auf. Aufkleber, wie wir sie von Versandpaketen kennen. „So wird das Forum selbst zu einem Packerl“, erklärt der Künstler beim Rundgang. Sein Interesse gilt vor allem den geheimen Wegen die unsere Einkäufe nehmen, bevor sie uns an der hinterlegten Adresse finden.

Palaczs hat nicht nur über Monate Pakete gesammelt und nun im Ausstellungsraum mit verfremdeten Etiketten drapiert, er hat auch ein besonderes Paket vom Atelier in Wien Richtung Forum Stadtpark geschickt. Eines, dessen Reise die Ausstellungsbesucher nun dank versteckter Kamera verfolgen können. Rund 18 Minuten bewegt sich der Karton im Neonlicht von Fließband zu Fließband – menschliche Berührungen gibt es kaum. Ein bis ins Detail effizientes System offenbart sich. Das Video dokumentiert dabei nicht nur logistische Meisterleistungen, sondern auch eine Invasion in ein unbekanntes Feld. Rasch macht die Filmarbeit deutlich, wie rasch man zum Überwachenden werden kann und wie einfach Systeme dies erlauben.

Mich hat interessiert was zwischen dem digitalen und dem analogen Raum liegt. Was passiert, nachdem man auf ‚Jetzt kaufen‘ klickt?

Julian Palacz

Der Künstler, der Digitale Kunst bei Peter Weibel und Virgil Widrich studierte, und dessen Werk sich immer wieder mit den Daten unseres digitalen Alltags befasst, erweitert seine Analyse auch diesmal mit einem komplexen und doch ästhetisch konsumierbarem Datenmeer. Im Paket verbaut befanden sich auch ein Kompass und ein Seismograf, in Echtzeit konnte Julian Palacz die Erschütterungen und Drehungen seiner Postsendung verfolgen und stellt in der Ausstellung nun Mediendaten und Metadaten gegenüber. Durchaus auch mit interessanten Twists – die Adressetiketten der gezeigten Versandkartons sind versehen mit einer von Palacz programmiertem Sprachprogramm, das seinen Wortschatz aus den Geschäftsbedingungen von Post, UPS und Co generiert.

Handle with Care, Foto: Lena Prehal

Gelungen ist das Setting der Ausstellung: Sämtliche in der Schau verwendeten Materialien sind darüber hinaus direkt aus dem Logistik-Bereich entwendet. So auch die faszinierenden Objekt-Gemälde aus LKW-Planen die abermals Gefahrensymbole imitieren, jedoch im Kontext der Kunst ungefragt als Minimal Art durchgehen. Wahrnehmung hängt eben vom Kontext ab, das wird hier an vielen Stellen deutlich. Was für den einen ein logischer und unantastbarer Arbeitsalltag, ist für den anderen ein sensibler und verdeckter Datenschutzbereich. Obwohl Julian Palacz möglichst wertfrei und neutral eine Datenlagen präsentiert, deren Interpretation offenbleibt, der Ausstellungstitel „HANDLE WITH CARE“ kann freilich auch als Metapher gelten. Nicht nur Waren sind „fragil“ und schützenswert – auch Konsumentendaten sind es.

Forum Stadtpark

Stadtpark 1, 8010 Graz
Österreich

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