Gallery Diary - Galerie Meyer Kainer | Heimo Zobernig

Die Galerie Meyer Kainer zeigt Arbeiten von Heimo Zobernig.


INFRASTRUCTURE, NATURE lauten die Einschreibungen in Heimo Zobernigs neueste Bilder. Mit schlagwortartigen Schriften adressiert Zobernig regelmäßig Themenkreise wie formalistischen Modernismus, Ökonomismus, aber auch Spiritualität und andere Aspekte der Kunstausübung. Waren REAL, REAL EGAL, Anfang der 90er Jahre eingeführte Termini, so fungierten FUCK PAINTING, FORMALISMUS, FINANCIAL TRANSACTION TAX, PAINTING, PAINTING SCULPTURE, FUCK PAINTING SCULPTURE oder PERFORMANCE PAINTING SCULPTURE als Textbausteine einer Malereiausstellung in der Galerie im Jahre 2011.

Ausstellungsansicht, Galerie Mayer Kainer, Heimo Zobernig, 2020, Acryl auf Leinwand, 100x100 cm Foto Kati Göttfried / Courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien

Achim Hochdörfer: „1994 findet das Bildmotiv REAL seinen Weg in die Malerei, und in den folgenden Jahren entstehen über 50 weitere Variationen. Als Malerei ist der Begriff REAL nun plötzlich ganz neu konnotiert. Er steht nun mit einem anti-modernistischen, konzeptuellen Bildbegriff in Verbindung, der die verwendeten Ausdrucksmittel als buchstäbliche Realitäten exponiert. Paradoxerweise sind die geometrischen Formen in ihrer optischen Präsenz und Wucht durchaus einer formalistischen Tradition verpflichtet. Es ist, als würde Zobernig auf das Reale des ästhetischen Scheins insistieren und damit dem Schisma zwischen Optikalität und Literalismus eine Absage erteilen. Entscheidend an der REALBildserie ist, dass ein Bildmotiv den Weg von seiner funktionalistischen Kontextualisierung zurück in die Malerei findet. (...) Nicht mehr die Malerei stellt die Verhältnisse zu anderen künstlerischen Bereichen her, sondern diese drängen in die Malerei hinein.“

In formaler Hinsicht fällt auf, dass sich das für Zobernigs jüngere Bilder typische Umranken des jeweiligen Schriftgitters durch die Komposition farbiger Bildelemente in zunehmendem Maße verdichtet, indem das im Laufe der Zeit immer komplexer werdende Verhältnis zwischen Text und Bild beinahe bis zur Ununterscheidbarkeit verschwimmt. Die Schrift scheint von Licht und Farbe oft gänzlich aufgezehrt zu werden.

Die explizite Verwendung der Begriffe INFRASTRUCTURE und NATURE adressiert essenzielle Kunstdiskurse, indem sie den von Claude Lévi-Strauss aufgebrachten ethnologischen Strukturalismus in Erinnerung bringt, der die Frage aufwirft, ob empirische, aber gänzlich relative Gegensatzpaare wie roh und gekocht oder frisch und faul, die in Mythen eine fast leitmotivische Rolle spielen, etwas über ihre Struktur verraten, über die Syntax, die ihnen zugrunde liegt, über den „unbewussten Geist“, der in ihnen wirkt. Keinesfalls ist demnach das zivilisatorisch Gekochte geistig-kognitiv dem Rohen überlegen, denn beides sind nur Varianten jener gleichartigen Verfahrensweisen, für welche Lévi-Strauss den Begriff „wildes Denken“ als Kennzeichnung einführte. Der „Primitive“ sei nicht etwa trieb- statt vernunftgesteuert, sondern bearbeite nicht weniger „vernünftig“ – sondern einfach nur anders – konkreteres Material, dabei aber mit anderen Zielen und stärker im Modus der Bastelei.

Heimo Zobernig, 2020, Acryl auf Leinwand, 100x100 cm, Foto Archiv HZ / Courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien

Galerie Meyer Kainer

Eschenbachgasse 9, 1010 Wien
Österreich

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