Haus am Lützowplatz

Clemens Krauss zeigt „Massen“

Es ist ziemlich aufwändig eine Ausstellung für Clemens Krauss einzurichten. Zumindest diese im Berliner Haus am Lützowplatz. Denn der große, lichte Raum der Villa ist jetzt eher ein Labyrinth. Der österreichische Künstler Clemens Krauss, der seit langem in Berlin lebt, ließ gleich am Eingang eine hohe Trockenbauwand errichten, die den Eingang in einen Schlauch und die Ausstellung in einen packenden Parcours verwandelt.


In diesem ersten Raum wird Clemens Krauss immer montags während der gesamten Dauer der Ausstellung (also drei Monate lang) arbeiten. Es wird eine in situ Wandarbeit entstehen – mit Ölfarbe, Pinsel, Hand und Spachtel. Diese „Montagsbilder“ entstehen montags, weil dann das Wochenende vorbei ist. Das ist zwar montags immer so, doch für Clemens Krauss werden das Wochenende und der Montag danach in den nächsten zwölf Wochen ziemlich anstrengend und wahrscheinlich ziemlich interessant. Denn Krauss, der ausgebildeter Psychoanalytiker ist, über die gesamte Ausstellungszeit drei Gruppen mit jeweils bis zu zwölf Personen immer wieder treffen und Sitzungen abhalten. Der Raum, der dafür gebaut wurde, ist schalldicht, die Gruppe zu Diskretion verpflichtet. Ebenso wie der Künstler. Im vergangenen Jahr hat Clemens Krauss online Einzel-Therapiesitzungen angeboten, an denen 100 Menschen aus der ganzen Welt teilnahmen. Dass er während einer Ausstellung Gruppensitzungen über die gesamte Ausstellungszeit anbietet, ist ein Novum in seinem Werk. Was er danach auf die freie Wand malen wird, wie sich diese Malerei verändert, wie die Sitzungen ihn verändern, das wird die Wandarbeit zeigen – ohne Tagebuch zu sein, ohne irgendetwas dokumentieren zu wollen. Die Arbeit endet am letzten Tag der Ausstellung. Danach wird sie nicht von der Wand abgenommen, sondern vernichtet. „Die Zerstörung ist der Arbeit inhärent“, sagt Krauss. 

Neben den aktuell und exklusiv entstehenden Arbeiten – auch die Sitzungen versteht Krauss als Kunstwerke – zeigt die Ausstellung Skulpturen aus geschichteter Ölfarbe. Diese bestehen allein aus Ölfarbe und gehören erst seit eineinhalb Jahren zum Werk des Künstlers.

Viele Werke der Serie „Protagonists“ sind extra für die Berliner Ausstellung entstanden, wurden aber wegen der langen Trocknungszeit der Ölfarbe vor über einem Jahr begonnen. Es gehe ihm bei diesen Arbeiten um das Aufeinanderschichten – im Gegensatz zum „Entschichten“ bei den Therapiesitzungen, sagt Krauss. Außerdem zeigt die Ausstellung neben anderen Gemälden das neue Bild „Girl“. Es ist eine übergroße Leinwand von der ein nacktes Mädchen in der Pose des so genannten Napalm-Mädchen aus Vietnam auf den Betrachter zuzulaufen scheint. Das Unheimliche der Malerei wird durch den übergroßen Totenkopf, den sie anstelle des bekannten, schmerzvoll-schreienden Gesichts trägt, noch verstärkt. 

Und während Clemens Krauss montags in der Ausstellung arbeiten und präsent sein wird, ist seine 13-jährige Hülle („Selbstporträt als Kind“ von 2017) immer vor Ort. Denn detailgenau hat Krauss seinen jugendlichen Körper nachbilden lassen, der nun körperlos als Haut am Boden drapiert wird. So treffen sich der Künstler als Kind und der erwachsene Künstler vor einem schalldichten Raum, aus dem nichts herausdringen wird als Clemens Krauss’ Kunst.

Clemens Krauss, Protagonists (Serie), 2020, Ölfarbe Podest, Copyright Clemens Krauss, Foto: B. Borchardt, courtesy Galerie CRONE Berlin | Wien

Haus am Lützowplatz

Lützowplatz 9, 10785 Berlin
Deutschland

Clemens Krauss 

16. September 2021 bis 9. Januar 2022

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