Galerie Krinzinger | Secundino Hernández

Secundino Hernández ist mit der Einzelausstellung »One More Time Is Good Enough« zum vierten Mal in der Galerie Krinzinger zu sehen. Präsentiert werden drei Werkblöcke der letzten drei Jahre. Sie zeigen ein vielfältiges Spektrum innerhalb seiner abstrakten Malerei – opulent, farbig, expressionistisch bis hin zu monochrom, asketisch minimalistisch.


Secundino Hernández (HERN/O 3), Relieve 13, 2020, Eisennitrat-Patina auf Aluminium, 21 x 16 cm, Courtesy Galerie Krinzinger and the artist, photo Studio Secundino Hernández

In den Siebdruckarbeiten auf braunem Karton von 2020 flottieren informelle Formenkomplexe auf der Bildfläche, die den Arbeitsprozess in sich tragen; sie markieren die grafische Aktion des Künstlers. Diese Spuren, die sich zu Formen und Zeichen kompakt verdichten, sind schroff gesetzt, sie erinnern an Strukturen eines Holzschnittes, wenn der Künstler das widerständige Holz mit Hohleisen, Messer oder maschinell betriebener Fräse verletzt. Wie auch im Weißlinienschnitt des Hochdruckverfahrens im Holzschnitt bleiben hier im flachen Siebdruck die behandelten Stellen unbedruckt, nehmen also keine Druckerfarbe an, sondern werden in diesem Fall vom braunen Karton als Bildträger aufgenommen. Die Negativstellen werden zu den abstrakten Markierungen und Zeichen innerhalb der Bildkomposition. Das subtrahierende Verfahren, das Wegnehmen, Ausschneiden, Ausradieren, Abwaschen ist häufig in Hernández’ künstlerischem Prozess anzutreffen. So ist dieses Vorgehen auch in den beiden weiteren Werkzyklen der Ausstellung immanent. Wie auch in den Siebdrucken dominiert der schwarze Bildgrund in den Gemälden, die 2020 entstanden sind. Anstelle der farbneutralen Negativformen erfüllt nun malerisch koloristische Opulenz das Textil. Pinselstriche, Farbkleckse besiedeln den Bildträger im All OverCharakter; ein informelles Farbenmosaik aus malerischen Entladungen. Sie funkeln fahl wie verschmutzte Edelsteine aus dem schwarzen Grund heraus, den zuvor der Maler mit dem Hochdruckreiniger abgewaschen hat.

Die dritte Bilder-Gruppe zählt zu den Arbeiten der Wash Paintings, ein Werkkorpus, den der Künstler bereits 2016 begonnen hat. Nach dem malerischen Prozess attackiert Hernández die Leinwand mit einem Hochdruckreiniger und wäscht ihre ursprüngliche malerische Haut. Was dann noch bleibt, bleibt für immer. Diese große aggressive Geste führt zu einer Entschlackung des Bildes. Das Tafelbild wird jedoch nicht zerstört, ermordet, wie es im Unterschied sein spanischer Landsmann Joan Miró mit seinen Toiles Brulees in den 1970er-Jahren intendiert hatte. Miró setzte die Malerei in Brand, bzw. zerschlitzte sie mit dem Messer. Bei Hernández ist es mehr ein aquatisches Abhäuten, ein Subtraktionsprozess, aus dem aber wiederum reine Malerei resultiert. Denken wir etwa vergleichsweise an die Nouveau Realisten, wie Mimmo Rotella und Raymond Hains, die Plakatwände decollagierten und daraus malerisch strukturierten Kompositionen schufen. Die neuen Wash Paintings zeugen von einer gereinigten Kraft, ihr Skelett ist gleichsam freigelegt worden, das sich im grafischen Netz der Vertikalen und Diagonalen manifestiert.

Secundino Hernández (HERN/O 3), Relieve 13, 2020, Eisennitrat-Patina auf Aluminium, 21 x 16 cm, Courtesy Galerie Krinzinger and the artist, photo Studio Secundino Hernández

Es sind keine gezeichneten oder gemalten, sondern physisch-organische Linien, die aus Nähten bestehen. Der Künstler hatte den Körper der Leinwand in mehrere Teile auseinandergeschnitten und nachträglich fein zusammennähen lassen. Ein prismatisches Bildfeld entsteht, das einen komplex gebrochenen Bildraum entfalten lässt. Dieser Raum ist kein von der Wirklichkeit abgeleiteter, sondern ein abstrakt bildimmanenter, vergleichbar mit dem gebrochenen Raumsystemen im analytischen Kubismus, wobei bei Hernandez im Unterschied zu Picasso kein Bildgegenstand wie Krug oder Figur verankert ist, um den die Räumlichkeit aufgebaut wird. Picasso hat den Spiegel der Wirklichkeit zersplittert, Hernandez häutet mittels Abwaschen den Körper Malerei und legt die Knochen und den inneren Raum des abstrakten Tafelbildes frei. Dieser abstrakte Raum – gegliedert durch die grafischen Strukturen – ist aber stets an die faktische Natur der Malerei gebunden, an ihre Fläche.

Secundino Hernández (HERN/O 3), Relieve 13, 2020, Eisennitrat-Patina auf Aluminium, 21 x 16 cm, Courtesy Galerie Krinzinger and the artist, photo Studio Secundino Hernández

Ein ähnliches Verhältnis zwischen Linie/Gerüst und Fläche/Raum ist bei Piet Mondrians orthogonalen neoplastizistischen Kompositionen sowie den minimalistischen Rasterbildern von Agnes Martin oder Brice Marden zu erkennen. Bezogen auf die malerische Fläche gilt der Leitsatz nach Robert Ryman: „Was das Gemälde ist, ist genau das, was man sieht.“ Das Bild besteht schlicht aus den Materialien wie Träger (Leinwand, Papier) und aufgetragener Farbe. Jeglicher Illusionismus wird zugunsten der faktischen Zweidimensionalität und malerischer Faktur unterbunden. Ryman hat sich aus Gründen der Neutralisierung auf die Nichtfarbe Weiß reduziert, die er behutsam auf das Textil der Leinwand oder ein anderes Trägermaterial des quadratischen Malereigrunds mit dem Pinsel aufträgt. So ist auch in Hernandez’ aktuellen weißen Wash Paintings dieser Ryman’sche Malereiaspekt evident. An manchen Stellen kommt die unbehandelte Leinwand hervor; das Gemälde ähnelt einem Mauerwerk, auf dem sich der Verputz gelöst hat. Das streng Minimalistische wird durch das Ruinöse relativiert. Man denke hierbei auch an Jean Dubuffet Mauer-Bilder.

Secundino Hernández (HERN/O 3), Relieve 13, 2020, Eisennitrat-Patina auf Aluminium, 21 x 16 cm, Courtesy Galerie Krinzinger and the artist, photo Studio Secundino Hernández

Die aktuellen dunklen Wash Paintings mit Grau-, Taubenblau- und Schwarztönen bilden das nächtliche Alter Ego zu den lichten weißen Bildern. Sie entwickeln eine schwarzromantische Atmosphäre, wie ein Schleier, der in eine transzendente Welt fließend geleitet. Wie auch die weißen Arbeiten sind sie vertikal ausgerichtet, strukturiert in den vermehrt senkrecht zusammengenähten Leinwandbahnen. Diese Bilder basieren auf einem dualistischen Moment von Destruktion und Konstruktion. Der Künstler verweigert hierbei die rein schöpferische Handschrift in Form der aufgeladenen Geste – als loaded brushstroke im Abstrakten Expressionismus manifest – und greift mit dem Hochdruckreiniger zu einem zerstörerischen und mehr auf dem Zufall basierenden Werkzeug, das seine zuvor gesetzten malerischen Spuren vernichtet, und schafft daraus ein neues Bild. Auch Jackson Pollock operierte mit dem geplanten Zufall in seinen Drip Paintings, indem er in einer gewissen Distanz zur Leinwand Lacke auf sie tropfte, im Unterschied zu Pinsel und Stift, die viel gesteuerter mit direktem Kontakt zum Bildträger eingesetzt werden können.

Secundino Hernández (HERN/O 3), Relieve 13, 2020, Eisennitrat-Patina auf Aluminium, 21 x 16 cm, Courtesy Galerie Krinzinger and the artist, photo Studio Secundino Hernández

Galerie Krinzinger

Seilerstätte 16, 1010 Wien
Österreich

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